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Cotopaxi – der Riese wacht auf

75 Jahre lang hat „Taita Cotopaxi“ geschlafen, einer größten aktiven Vulkane der Erde – und der gefährlichste Ecuadors. Seit gestern macht sich nicht nur unter dem 5897 Meter hohen Gipfel Unruhe breit – sondern auch in der Bevölkerung. Er scheint sich zu bewahrheiten, der alte Mythos der Indigenas, der mich schon seit Jahren fasziniert: 

Wenn das Kind weint, weckt das die Mutter und sie vergießt dicke Tränen. Und schließt wacht auch der Vater auf und weint.

Was wie eine unglaublich schlechte Kindergeschichte klingt, ist eine gruselige Weissagung. Ich habe bei meiner ersten Reise nach Ecuador schon davon gehört (von diesem Trip stammt auch das obige Uralt-Foto, damals hüllte sich der Cotopaxi noch in Wolken, seit gestern spuckt er erstmals seit vielen Jahrzehnten Aschewolken)

Schon seit ewigen Zeiten haben die Vulkane in Ecuador Beinamen und werden in den Mythen wie Personen behandelt. Der Vulkan Pichincha trägt den Beinamen „Guagua“ (in der Indio-Sprache Quechua heißt das „Kind“). Der Pichincha ist Quitos Hausberg und brach im Jahr 1999 nach einer langen Ruhephase erstmals wieder aus. Zum Glück gilt er als relativ ungefährlich und bedeckte Quitos Hauptstadt „nur“ mit einer dicken Ascheschicht, die die Menschen in einer großen Reinemach-Aktion entfernten und danach friedlich weiterlebten als sei nichts geschehen. Dann kam noch im gleichen Jahr ein weiterer Vulkanausbruch. Mama Tungurahua (Mama Feuerschlund) wachte nach langem Tiefschlaf auf und machte ihrem Namen alle Ehre: Sie spuckte rotglühende Lava aus. Das war schon ein schwerwiegenderer Ausbruch, fünf Dörfer wurden verschüttet und es gab mehrere Tote. Ich habe danach ganz oft gegoogelt, ob es irgendwelche wissenschaftlichen Abhandlungen darüber gibt, dass ein Zusammenhang zwischen diesen drei Vulkanen besteht. Nichts. Die Geschichte von Guagua Pichincha, Mama Tungurahua und Taita Cotopaxi (Taita heißt Vater auf Quechua) – nur ein Mythos. Und als ich mit den Leuten sprach, sagten viele, dass sie hoffen, dass es einfach nur eine dumme, alte Geschichte sei. „Denn wenn Taita Cotopaxi ausbricht – dann gnade uns Gott.“

Es gibt schon seit einigen Monate seismische Aktivitäten am Cotopaxi, die an- und abflauen, das ist an sich noch nichts Ungewöhnliches und kein Grund zur Panik. Doch gestern hat das „Instituto Geofísico de la Escuela Politécnica Nacional“ (das Institut, das die Vulkane in Ecuador überwacht) Bergsteiger vor dem Aufstieg gewarnt. Und darüber berichtet, dass die Infraschall-Sensoren etwas aufgezeichnet haben. Infraschall-Geräusche sind so tief, dass das menschliche Ohr sie nicht wahrnehmen kann. Das heißt, es rumpelte tief unter der strahlendweißen Schneedecke des Stratovulkans. Taita Cotopaxi wacht auf und seit gestern Abend hat er auch begonnen zu weinen: Ascheregen fiel im Süden der Hauptstadt Quito. Staatliche Stellen und Tageszeitungen veröffentlichen Notfallpläne und Karten der Risikozonen. Das Problem am Cotopaxi ist nicht die Lava, die in dem dünn besiedelten Gebiet des Nationalparks drumherum kaum Schaden anrichten würde. Das Problem ist die dicke Eisschicht, die den Gipfel umgibt und nun zu schmelzen droht. Unglaubliche Massen an Wasser, Schlamm und Geröll (Lahare) würden zu Tal zu stürzen und sich entlang der Flussläufe wälzen – bis in die neu bebauten Täler der Hauptstadt Quito:

Risikozonen

Update 15. August:

Inzwischen gibt es die offizielle Order, dass alle Menschen in den direkten Gefahrenzonen ihre Häuser zu verlassen haben. Viele Stadtteile von Latacunga (der nächstgelegenen Stadt in der Ebene unter dem Cotopaxi) sind bereits evakuiert. Wie das Instituto Geofísico meldet, ist vor sechs Stunden eine Glutlawine (pyroklastischer Strom) an der Westflanke des Cotopaxi hinabgerauscht. Schlammiges Wasser wurde bereits über die Webcams in den Flüssen gesichtet, aber zum Glück noch kein Lahar.

Update am 18. August:
Das verantwortliche Ministerium hat Überflugbilder vom Vulkan auf Flickr freigegeben. Wie man sieht: Taita Cotopaxi ist auf der Seite, zu der der Wind weht, nicht mehr schneeweiß, sondern aschegeschwärzt:
VOLCÁN COTOPAXI

Kategorie: Reisen

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Vom heimischen Bauernhof ins Chemielabor und raus in die weite Welt: Heute lebe ich als Journalistin und Autorin - back to the roots - im Weserbergland und darf die Reiselust mit der alten Leidenschaft für Naturthemen verbinden. In unserer binationalen Familie sind wir als Grenzwandler zwischen Deutsch und Spanisch unterwegs.

2 Kommentare

  1. Bank sagt

    2004 war Papa noch friedlich als wir ihn besuchten, aber die Hinterlassenschaften von Mama waren sichtbar. Das ist eben die Natur – auch diese kann ausbrechen. Wir hoffen nur ,das gerade die ärmsten Bevölkerungsschichten rechtzeitig evakuiert werden. Auch sollten Reiseveranstalter nicht das Leben anderer aufs Spiel setzen. Sabine aus Schwerin

    • Liebe Sabine, der Cotopaxi war auch bei meinen Besuchen immer ganz friedlich. Wir waren in Riobamba, als der Tungurahua gerade mal wieder Feuer gespuckt hat. Besonders nachts sieht das sehr beeindruckend aus, und gefährlich war er eigentlich nur am Anfang. Aber der Cotopaxi ist mir unheimlich. Gerade weil er so lange ruhig war und sich wahrscheinlich sehr viel Druck im Inneren aufgebaut hat. Von Freunden und Verwandten aus Quito hören wir schon, dass die Leute Hamsterkäufe machen, besonders die Wasserregale in vielen Märkten sind leergefegt. Also ist den meisten Leuten der Ernst der Lage schon bewusst. Andererseits: Wenn ich an Interviews von Menschen in der Gefahrenzone denke, besonders ein Mann ist mir in da aufgefallen, der gesagt hat, er mache sich nicht so große Sorgen: „Ich lege mein Schicksal in Gottes Hand, der wird es schon richten.“ Hmm…

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