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Auf der Wollroute: Gekommen um zu teilen

Die Wollroute, „Ruta de la Lana“ oder „Camino de la lana“, ist ein alter Handelsweg in Spanien, der die Provinz und Stadt Cuenca in Nord-Süd-Richtung durchquert. Die Wollroute ist gleichzeitig ein „Nebenarm“ des Jakobswegs. Seit dieser Reise verbinde ich mit der Wollroute vor allem eines: Gastfreundschaft. Sie ist etwas, das man anbietet, ohne dafür einen Preis festzulegen, ohne zu wissen, ob man dafür jemals etwas zurückbekommt. Und irgendwie hatten wir Journalisten damit ein kleines Problem…

Kreuz in einer Kirche an der Wollroute

Es ist ja nicht so, dass ich nicht vorher Abschnitte des berühmtesten aller Pilgerwege kennengelernt hätte, des traditionellen Jakobsweges „Camino Francés“. Aber ehrlich gesagt habe ich ihn im Geheimen immer „Pilgerautobahn“ genannt: Weil dort Menschenmassen von einer Herberge in die nächste stürmen. Weil diejenigen, die zuerst ankommen, die besten Plätze am Etappenziel ergattern können. Und weil diese Massenveranstaltung für mich so gar nichts Kontemplatives mehr hatte.

Schwester Rosa

Das war hier vollkommen anders. Ohne Schlange stehen zu müssen, bekam ich feierlich den Stempel im Pilgerpass von Schwester Rosa im Hospital de Santiago von Cuenca – in der Apotheke aus dem 18. Jahrhundert. Schon seit dem 12. Jahrhundert werden in diesem uralten Gebäude kranke und alte Menschen versorgt. Auf die Wollroute verirren sich höchst selten Wanderer oder Pilger. Wenn zwei gleichzeitig in einer Herberge übernachten, ist das für die Leute schon ein besonderes Ereignis. Als wir die erste Herberge mit ihren Mehrstockbetten in Cuenca besichtigen, ist sie vollkommen leer. Typische Recherchefrage: Wieviel kostet hier eine Übernachtung? Die Antwort ein achselzuckendes „Nada“ („Nichts“). Wenn man möchte, kann man etwas spenden, das war´s. Diese Herberge betreut Luis:

Luis Caña

Er hat den typisch federnden Gang eines Menschen, der körperlich absolut fit ist. Ganze 22 Mal ist er den Weg gelaufen. Und auf die Frage, warum er die Pilger hier ehrenamtlich betreut, höre ich ihn zum ersten Mal, diesen Satz „Ich möchte dem Jakobsweg etwas zurückgeben“.  Luis nimmt uns mit auf einen Abschnitt der Wollroute, der nördlich von Cuenca liegt, zu unserer ersten Station Torralba. Auch hier wieder das gleiche Spiel. In einem ehemaligen Altersheim können die Pilger übernachten, keine Stockbetten, sondern komfortable Zweibettzimmer gibt es hier. Wieviel kostet hier eine Übernachtung? „Nada!“

Pepe_Hospital_Santiago_Cuenca

Mit dabei ist auch Pepe (oben links). Er wohnt eigentlich in Villaconejos del Trabaque, dem Ziel unserer kleinen Tour. Wenn in Cuenca ein Pilger übernachtet, ruft Luis ihn an. Zwei Tage später, wenn der Pilger in seinem Dorf ankommt, empfängt ihn Pepe mit einem Essen. Als er den Job verlor, damals, nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, kam er nach Haus zu seiner Frau und sagte: „Ich gehe jetzt.“ Der Weg hat ihn verändert, sagt er. Auch er will „dem Jakobsweg etwas zurückgeben“.

Wir sind die einzigen, die entlang der Wollroute marschieren. Grillen zirpen, es geht vorbei an verfallenen Unterständen, die einst die Schäfer für ihre Herden nutzten, an Menschen bei der Weinernte und an Maisfeldern, deren trockene Halme im Wind rascheln.  

Der nächste Ort heißt „Albalate de las Nogueras“ und ist etwas ganz Besonderes mit seinen Höhlen, die sowohl unter den Häusern als auch mit hobbitartigen Eingängen unter den Dorfhügeln liegen. (Dazu in einem späteren Blogeintrag mehr.) Weil gerade Weinernte ist, werden wir unzählige Male in die Höhlen eingeladen, um zu kosten. Unserem Zeitplan hinken wir längst hinterher, als wir am Ziel ankommen, den Höhlen der Familie Moreno Gomez. Acht Geschwister teilen sich die unterirdischen Kammern, lagern hier Wein ein.

Wir sind eingeladen zum Paella-Essen und wieder wollen wir wissen, ob dieser urige Ort ein Restaurant ist, in dem Besucher essen gehen können. Nein, das ist kein Restaurant. Ja, in den Höhlen trifft man sich, so wie andere Leute in anderen Orten sich in Bars treffen. Und die Besucher? Die Höhlen sind nicht verschlossen, ab 11 Uhr ist eigentlich immer jemand da und jeder Besucher kriegt auch mit Sicherheit einen Wein. Ein Kollege meint scherzhaft, die Wollroute sei ja die perfekte Route für Schnorrer. Und der ein oder andere will doch konkrete Preise wissen… Preise? Nada… „Este lugar no es para negociar, es para compartir“ (Dies ist kein Ort zum Geschäftemachen, sondern ein Ort um zu teilen) Diesen Satz müssen die Moreno Gomez-Brüder mehrfach wiederholen, bis wir es endlich kapieren… gekommen um zu teilen, das Prinzip der Gastfreundschaft.

Diese Recherche wurde unterstützt vom Spanischen Fremdenverkehrsamt Frankfurt und der Fundación Turismo de Cuenca.

 

Kategorie: Reisen

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Vom heimischen Bauernhof ins Chemielabor und raus in die weite Welt: Heute lebe ich als Journalistin und Autorin - back to the roots - im Weserbergland und darf die Reiselust mit der alten Leidenschaft für Naturthemen verbinden. In unserer binationalen Familie sind wir als Grenzwandler zwischen Deutsch und Spanisch unterwegs.

3 Kommentare

  1. Andrea Lammert sagt

    Das ist ja toll. Es wäre schön, wenn es diese Einstellung öfter geben könnte.

  2. Silvia sagt

    Como no entiendo el alemán no tengo NADA que comentar. Sólo te mando un beso.

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