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Der Schuster aus Südtirol

Manchmal begegnen einem unterwegs echte Originale, Menschen, die für eine Passion brennen. So einen Menschen habe ich ausgerechnet in der beschaulichen Kleinstadt Bruneck in Südtirol kennengelernt. Einen Schuster, der solides Südtiroler Handwerk und italienisches Gefühl für Eleganz zu etwas ganz eigenem vereint: Darf ich vorstellen, Armin Stricker, Schuster aus Leidenschaft.

„Dolce Gabbana und dieses ganze Markenblödsinnszeug, Plastik, viel zu viel Plastik“, sagt Armin Stricker und schüttelt angewidert den Kopf. Der blonde Mitfünfziger spricht leise und mit Südtiroler Dialekt. Eine selbstgedrehte Zigarette hängt aus seinem Mundwinkel. Das alles hilft mir mit meinen norddeutschen Sprachgewohnheiten nicht wirklich dabei, ihn besser zu verstehen. Und trotzdem macht es verdammt viel Spaß, ihm zuzuhören.

Wenn der Kunde warten muss, dann ist das eben so: „Imma g´müatlich, koa Stress“. Wer aber denkt, dass der Schuster sein Handwerk nicht ernst nehmen würde, wird schnell eines besseren belehrt: „Ich habe die Leidenschaft in die Wiege gelegt bekommen, bin zwischen Schuhen aufgewachsen“, erzählt er, während er mit sorgfältigen Pinselstrichen Klebstoff auf türkise Lederriemchen aufträgt. „Meine Eltern hatten ein Schuhgeschäft in Bozen.“ Schon mit 15 Jahren fing er auch an, dort zu arbeiten. Aber er konnte noch nicht gut mit Kunden umgehen, zu jung, zu schüchtern. „Da hat der Vater dann gesagt, lern erstmal Schuhmacher.“ Spricht´s und versenkt sich wieder in seine Arbeit.

Schuhe sind seine ewige Leidenschaft geblieben, und auch nach der bestandenen Meisterprüfung war ihm das noch nicht Ausbildung genug. „Die Südtiroler Schuhe, das waren früher Elefantenschuhe“, erzählt er. Also bezahlt er noch einen sizilianischen Meister dafür, dass er ihm die Feinheiten der italienischen Schuhmacherkunst beibringt, das Gefühl für Eleganz und Design. Erst das hat ihm den besonderen Schliff verliehen. „Noch heute kenne ich für die meisten Werkzeuge nur die italienische Bezeichnung“, sagt er. Diese Werkzeuge hängen direkt hinter ihm, an einem riesigen Eckregal, in dem er Leisten für Kundschaft aus aller Welt lagert. Unter dem Regal eine Galerie mit Fotos von ihm mit einigen der Kunden: Da steht er neben Schlagerstars wie Roberto Blanco, Abi Ofarim oder DJ Ötzi, neben der Fernsehmoderatorin Gundis Zambo oder dem italienischen Starkoch Gianfranco Vissani. Vorstandsmitglieder von großen Konzernen, Millionäre aus Russland und arabischen Ländern gehören ebenfalls in diese illustre Riege.

Aber so richtig ins Schwärmen gerät er, wenn ein Kunde etwas von Schuhe versteht. Da war dieser türkische Millionär „dem musste ich nicht erklären, dass diese Damenstiefel hier aus Känguruhleder gefertigt sind, der wusste alles über die unterschiedlichen Lederarten, über das, was gute Schuhe ausmacht“, sagt er. Die Vorzüge von Känguruhleder, von Rochenleder, das sich innen ganz weich und außen steinhart anfühlt. Wenn er erzählt, wie dieser türkische Kunde für die ganze Familie einkaufte, ihn später zum Essen einlud, spürt man wieder diesen Stolz mitschwingen. Nicht ohne Grund. Ein Geschäft aufzubauen, das Kunden aus aller Welt anzieht, das ist schon was. „Da braucht´s einen langen Atem, zumal hier in Bruneck. Wenn das Paris wäre…“, sagt der Schuster und zeigt auf ein Paar Schuhe aus dem teuersten Material, dem Krokodilleder. Bei ihm kosten sie 980 Euro. In Wien blättert ein Kunde schon 3000 Euro für ähnliche Schuhe hin, in Monte Carlo sogar 6000 – sagt Stricker. Der Liebe wegen hat es ihn einst von Bozen ins beschauliche Bruneck verschlagen. Es ging steil aufwärts, als er mit dem Geschäftsführer eines Luxushotels einen begeisterten Kunden gewinnen konnte. Der empfahl ihn Gästen und Freunden weiter, und so zog sein Ruf immer größere Kreise. „Alles Mundwerbung“, sagt er. „Die Mundwerbung isch die beste Werbung.“

Eine Kundin kommt herein. Wer sein Geschäft betritt, schaut durch einen hölzernen Türbogen direkt in seine Werkstatt. Die Dame trägt einen breiten Strohhut, eine riesige Sonnenbrille, ein Cordkostüm, sieht ein bisschen nach Filmdiva aus, ist aber eine waschechte Bruneckerin. In der Werkstatt nimmt sie eine Ledertasche in Augenschein. Darin steckt eine Art Machete, „Runkel“ nennen sie dieses Ding in Südtirol, mit dem man Äste von Bäume abhacken kann. „Ja, is des schön“, sagt sie. „Ja, der Armin Stricker, der hat diese Begeisterung. Was das so mobilisiert, wenn jemand die Passion hat.“ Da werde der Kunde aber glücklich sein. „Naja, er hat ja auch lang genug darauf gewartet“, entgegnet Stricker trocken. Gut Ding will eben Weile haben.

Deshalb verfällt er auch sonst nicht in Hektik: „Ich mache höchstens zehn Paar Schuhe pro Jahr, mehr geht net, weil ich allein bin.“ In seinem Geschäft verkauft er daher auch Modelle anderer, handverlesener italienischer Schuhmacher. Die sind dann zwar nicht maßgeschneidert, aber auf jeden Fall „handmade“ – und beim Design entscheidet Stricker natürlich mit. Leder muss es sein, denn Leder könne man auch immer wieder reparieren. Werden Lederschuhe richtig gepflegt, halten sie ewig. Das versucht er auch immer wieder, seinen Kunden zu erklären. Viele konnte er auf seiner Mission schon überzeugen, so wie neulich den Stahlfabrikanten aus Stuttgart. Der wollte eigentlich nur ein einziges Paar kaufen, dann ging er glücklich mit 14 Paar Schuhen aus dem Geschäft. Nicht nur das Schusterhandwerk, auch das Verkaufen hat Stricker offensichtlich zur Perfektion gebracht.

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Vom heimischen Bauernhof ins Chemielabor und raus in die weite Welt: Heute lebe ich als Journalistin und Autorin - back to the roots - im Weserbergland und darf die Reiselust mit der alten Leidenschaft für Naturthemen verbinden. In unserer binationalen Familie sind wir als Grenzwandler zwischen Deutsch und Spanisch unterwegs.

6 Kommentare

  1. Wunderbar, wenn Menschen so eine Passion für ihren Beruf haben. Die Schuhe sehen einfach wunderschön aus und man sieht ihnen an, dass sie mit Liebe hergestellt wurden. GLG, Heike

    • Ja, ich mag es sehr, wenn Menschen so in ihrem Beruf aufgehen. Wenn die ins Erzählen geraten, wird das fast nie langweilig. Das kann der Ornithologe sein, der mich für die Besonderheiten der Vogelwelt begeistert oder eben der Schuster, der seine Passion für Leder und Schuhe rüberbringt.

  2. eine tolle Geschichte. Hier in Südtirol gibt es wirklich ziemlich viele „alte“ Berufe und das ist eine wirkliche Bereicherung für unsere Kultur. Die Winzer sind nur ein Beispiel…liebe Grüße aus Kastelruth

  3. Helmut Fuchs sagt

    Bei Armin Stricker haben wir eine selten hochqualifizierte und authentische Beratung gefunden. Die Schuhe sind von bester Qualität und es macht Freude, sie zu getragen. Hier wird man gerne Stammkunde, auch wenn man 300 Km anreisen muss/darf.

    • Das freut mich! Da sind Sie nicht der einzige Kunde, der eigens für Armin Stricker einen langen Weg auf sich nimmt… 🙂

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