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Die essen auch alles, die Chinesen!! Oder??? [+Rezepte]

Ziest in Nahaufnahme, Reiseblog, Rezept Knollen-Ziest Auf den ersten Blick scheint alles klar: Irgendwelche Maden sind da in der Packung, die ich im Supermarkt erstanden habe. Schön gewürzt und bestimmt ganz gesund, weil reich an Protein…. Aber Pustekuchen! Die kleinen hellen Knubbel, die wie Michelin-Männchen aussehen, sind feinstes Gemüse! Ich knobele noch nach dem Namen, versuche die chinesischen Zeichen auf der Packung zu entziffern. Und da fällt’s mir auch wieder ein, letztens im „Buch der vergessenen Klassiker“ (oder so ähnlich): Das ist Ziest! Genauer

gesagt: Knollen-Ziest! Auch „Chinesische Artischocke“ oder „Japanische Kartoffel“ oder … Fragt mal Eure Oma (oder Uroma) danach. Also mache ich mich an die Packung heran: Ziest, in Chiliöl — deshalb so rot!

wiki-450px-Stachys_sieboldii1, Reiseblog, Rezept Knollen-Ziest

Stachys sieboldii, (c)Kurt Stüber  (GNU-Lizenz)

Schmeckt wie Artischocken oder Blumenkohl, heißt es, und ist auch so eine Wurzelknolle – Rhizom, sorry – wie Topinambur. Was ja auch wieder im Kommen ist. Vor 100 Jahren noch war Ziest auch in Deutschland beliebte Gemüsebeilage, natürlich auch von Kochbuchgöttin Henriette Davidis beschrieben. Die Pflanze kann man wuchern lassen, sie sieht mit ihren lila Blütenaus wie eine große Taubnessel . Und wenn im Winter die Blätter abfrieren, kann man immer frische Knollen ausbuddeln. Solang der Boden nicht gefroren ist…

Frisch ausgebuddelter Ziest

Frisch aus dem Boden (c)Jonathaneo (GNU Lizenz)

Früher hießen sie auch „Stachys“ oder in Frankreich „Crosnes“, gerieten aber — wie so viele andere — in Vergessenheit, weil sie keine Riesen-Erntemengen lieferten und umständlichGeputzter Ziest, Reiseblog, Rezept Knollen-Ziest zu putzen waren. Früher gab’s eben mehr Zeit in der Küche…

Ich knoble derweil mit dem chinesischen Namen, außen auf der Packung – der erste Teil heißt „hóng yóu“ = „rotes Öl“ = Chili-Öl: Das kann ich sehen und riechen. Der zweite ist die Knolle, sagt ein Chinese, drei Zeichen: „gān lù zĭ“. Manchmal bedeuten die ziest-chinesischZeichen etwas, haben viele mögliche Bedeutungen, manchmal sie auch nur den passenden Klang. Also vielleicht heißt es „süße Lu-Frucht/Samen“. Vielleicht aber auch, gefällt mir am besten, „herziges Nektar-Kind“. Michelin-Männeken halt 😉 Lässt mich an die knubbeligen Baby-Bilder von Ann Geddes denken, kennt Ihr die?

Und jetzt zurück zum Gemüse selber, Internet lässt mich wieder posten: Es schmeckt knackig, frisch und dank dem Chili-Öl richtig schön scharf. Ich tippe, dass er kurz blanchiert wurde und dann in scharfes Öl oder frische Würzpaste eingelegt. Aber es gibt ja auch sanftere Rezepte (s.u.). Er passt super in alle bunten Gemüsemischungen in Wok und Pfanne. Im Prinzip kann man mit Knollenziest alles machen, was man auch mit Kohlrabi machen würde!

REZEPT "Ziest in Frühlingssahne"
 1 Bund Frühlingszwiebel kleinschneiden, in Butter/Rapsöl/Erdnussöl 
   anbraten
 300g blanchierten Knollenziest kurz dazugeben und mehrfach wenden.
 1 Tasse Gemüsebrühe oder -fond zugeben und mit
 1 Becher Sahne ablöschen, einkochen lassen.
 Nach Bedarf pfeffern, salzen, abschmecken
 (Variante: Zum Anbraten frische oder gesalzene Erdnüsse hinzugeben)
REZEPT "Ziest à la Carotte" (karamellisiert)
 300g Ziest in leichtem Salzwasser blanchieren, herausnehmen
 In Butter in einer Pfanne wenden, dann
 200 ml des Blanchierwassers und
 200 ml Weißwein und
 1 gehäuften Esslöffel Rohrzucker
 hinzugeben und wenden, bis Flüssigkeit weitgehend eingekocht ist.
 (Variante: frisch gehackte Kräuter oder etwas Balsamico zugeben)

Lecker!! Schön, dass es Ziest auch zuhause auf Wochenmärkten und in Bioläden wieder immer öfter geben soll. Meine Garten-Ecke darf sich auch schon drauf freuen…

Gesammelte Schluss-Gedanken:
Ich hab‘ in China beim Essen auch schon daneben gegriffen, mangels Wörterbuchs (oder zu selbstsicher). Letztens dachte ich, ich hätte leckeren Räuchertofu gekauft, in typischer Tofu-Packung, nur dunkler. Tscha, als ich ihn auspackte, hatte ich sowas wie hier erwischt… Doch mal im Wörterbuch nachgeschaut: „Entenblut-Tofu“… Aaaauuuuuch sehr eiweiß-reich! Geronnenes Blut ist nicht unbedingt was ich wollte. Allerdings — vor nicht allzuviele Jahrzehnten war Blutwurst und Blutsuppe auch in deutschen Landen ganz normal. Macht ja auch Sinn, wenn man schon schlachtet, dann auch alles zu verwenden. Wenn schon Tiere essen, dann ganzheitlich? Wann wurde Blutwurst eigentlich „i-bähh!“ für die Mehrheit von uns?

Übrigens sagt man den Chinesen ja nach, sie „essen alles, was vier Beine oder Flügel hat und kein Stuhl, Tisch oder Klavier ist“… Und ich mag es auch definitiv nicht, wenn Schildkröten zum Verzehr in der Auslage krabbeln. Oder wenn sich in der Tüte im chinesischen Einkaufswagen auf dem Weg zur Kasse noch was bewegt… Andere Länder andere Sitten?
Aber die Nordchinesen protestieren immer, dass „die Südchinesen“ das ganze Land in Verruf bringen. Tatsächlich kommen die meisten seltsamen Dinge im Süden auf den Tisch. Was historisch offenbar daran liegt, dass dort die Bevölkerungsdichte immer am höchsten war und man eben alles essen musste, was irgendwie nahrhaft war…. Aber

Das bringt mich noch zu was letztem Interessanten: Insekten essen — schöne fette Maden, die aussehen wie Knollenziest (;)) — ist für uns Westler auch weitgehend „i-bähh!“. Da können noch so viele Experten behaupten, dass hygienisch gezüchtete Insekten nahrhaft sind und weltweite Ernährungsprobleme lindern könnte.
ÜBERRASCHUNG: Zu Ur-Ur-Omas Zeiten waren Insekten im Topf bei uns auch üblich! Maikäfer-Suppe galt als durchaus schmackhaft, ähnlich wie Krebssuppe (sind das nicht einfach nur große Wasserinsekten???). Und ich zitiere aus Wikipedia: „In einem Aufsatz aus dem Jahr 1844 heißt es, dass die Maikäfer damals … auch ungekocht gegessen wurden: ‚in vielen Conditoreien sind sie überzuckert zu haben, und man isst sie candiert an Tafeln zum Nachtische.’“
Wenn Max und Moritz das gewusst hätten!!!
(Ach so, ja: Heute ist Maikäfersuppe bei uns genauso „out“ wie Schildkrötensuppe — die großen Käfer stehen unter Naturschutz!!!)
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P.S.:
Mich hat’s ja vorübergehend nach China verschlagen – andere Beobachtungen finden sich hier: https://reisefeder.de/tag/china/

13 Kommentare

  1. Aufs Rezept bin ich ja schon gespannt. Aber die Dinger, die du nun gekauft hast, sind bereits gewürzt, oder? Sieht jedenfalls ganz danach aus…

  2. Iris Schaper sagt

    Na, da hast Du ja eine tolle Knolle ausgegraben, noch nicht einmal wikipedia weiß, dass die Dinger essbar sind… update: und wikipedia weiß es doch, findet man dort nicht unter „Ziest“ sondern unter „Knollen-Ziest“. Und wieder was dazugelernt.

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  6. Ulrike sagt

    Hallo Dörte,
    schönen Namen habt Ihr da für Eure Seite …und schöne, interessante Artikel…. habe grad ein wenig gestöbert. Bei den „Crosnes du japon“ bin ich gelandet, weil ich den japanischen Namen dafür suche. unter den Bildern des Knollenziest ist Dein „verschärftes Rotes“ zu finden und da bin ich:
    Ich schreibe selten Kommentare, aber vielleicht freuts Dich ein bissel, dass ich mich über Deinen Artikel auch freue. AAlso ich wohne sehr naturnah umgeben von einem riesigen Garten voller botanischer Schätze. Ich war 2010 kaum eingezogen, da verstarb mein Vermieter, der „Herr“ des Gartens und der Küche (großer Liebhaber chin. Küche). Seine Frau hatte weder Ahnung von kochen, noch weniger vom Garten. Ich als Gartenmenschin, Bienenfrau, Kräuterliebhaberin, Hobbybotanikerin, Kochexperimenteurin, usw. konnte gar nicht anders, als mich um die Frau, ihr Essen und den Garten zu kümmern. Eine Schicksalsgemeinschaft.
    Wir entrümpelten zusammen die Gartenwinkel und Schuppen, ent -schatteten an vielen Stellen durch Ausschneiden, und siehe da, es fanden sich mancherlei Pflanzen- Raritäten, oft verkümmert,versteckt und eingewachsen – inzwischen mit Kompost, Schnitt und Hacken gepflegt – wohlgedeihend. Darunter „Wu Wei Zi“ die chin. Wunderbeere der 5 Geschmacksrichtungen, Jiaogulan -Kraut, und vieles mehr. Ich durfte mich ausbreiten auf Hochbeeten, im Gewächshaus usw. Der Vermieter hatte viele seiner Schätze über den „Rü . . . . . . . versand“ gekauft. Die ausrangierten alten Kataloge hatte ich aus der Papiertonne gefischt und waren tagelang meine Bettlektüre. Eine Offenbarung! Einige der Pflanzen in unserem Garten konnte ich so erst identifizieren. Am liebsten hätte ich das halbe Sortiment bestellt, eine Markierung hatte ich auch beim Knollenziest geklebt. In dreifacher Hinsicht interessierte mich die Pflanze: Ich kannte verschiedene hier heimische Ziest – Arten. Dass die Knöllchen in Frankreich zu den Delikatessen zählen, wollte ich mir von meiner in Frankreich lebenden Tochter bestätigen lassen und wollte es dort natürlich einmal in einem Restaurant probieren. Mein französischer – inzwischen Schwiegersohn – hatte noch nie davon gehört, schade, aber den franz. Namen habe ich abgespeichert. Ganz besonders interessierte ich mich dafür, weil alles Japanische, was mir unterkommt, mein gesteigertes Interesse hat.
    Nur wenige Zeit später besuchte ich eine Freundin mit mindestens 5 grünen Daumen. Das erste was sie sagte: „Stell Dir vor, da gibt es einen Katalog, da gibt es Spezialitäten, das kannst Du Dir nicht vorstellen….. ich habe im Frühjahr Einiges bestellt, und alles wächst…. (besagter Versand wie die Kataloge aus der Tonne) Beim Gartenrundgang zeigte sie mir alles und bot mir immer wieder Ableger, Samen, Stecklinge an. Uund da hatte sie tatsächlich den Knollenziest.. und überglücklich durfte ich einen Ableger ausgraben.
    Letztes Jahr im Herbst erntete ich zum ersten Mal Knöllchen. Gemischt mit anderem Gemüse und mit Kokosmilch und Kräuterkraft abgerundet, schmeckte es mir sehr gut.
    Meine jüngste Tochter lebte bis vor kurzem hier bei mir und hat durch meine Umtriebe im Gartenparadies auch einen guten Draht für die Botanik abgekriegt und ist geeicht auf Kräuterküche. Sie arbeitet gerade für drei Monate im Heilpflanzengarten einer Naturkosmetik -u. arznei Firma. Eine Mitpraktikantin ist Japanerin und will unbedingt die „Kräuterhexen – Mutter“ und ihren (Miet-) Garten kennenlernen. Ich bekomme also demnächst tatsächlich japanischen Besuch mit dem ich botanisierend durch den Garten wandeln, schwäbischen Tee aus zarten japanischen Teeschalen trinken, evtl. einen Herbstsalat mit in Butter gedünsteten Ziestknöllchen und den letzten Kapuzinerblättern und Blüten schlemmen werde…… und vielleicht…. vielleicht…. gaanz vielleicht einen Kontakt knüpfen kann, der mir irgendwann mal für eine Reise nach Japan einen Kontaktpunkt beschert….. das wäre …..
    Ich reise viel und intensiv mit Büchern, schon immer, jetzt auch öfters entlang elektronischer Pfade wie z. B. der „Reisefeder“. Ich habe wenig Geld zur Verfügung, bin krank und deshalb berentet, „echtes“ Reisen nur ganz selten möglich, für ein so vielseitiges und hundertfach interessiertes Wesen wie mich manchmal schwer auszuhalten. Aber lebendig fühle ich mich trotzdem, und ganz besonders wenn Verknüpfungen von Gedanken, Wünschen, Begegnungen usw. eine eigene kleine Geschichte weben, wie meine mit den „Knöllchen.“ Danke für die kleine virtuelle Begegnung! Ich werde wieder vorbeischaun.
    Herzl. Grüße, Ulrike

    • Dörte Saße sagt

      Hallo Ulrike,
      tausend Dank für die tolle Rückmeldung!
      Freut mich, dass mein „verschärftes Rotes“ bei Dir ins Schwarze getroffen hat!! 🙂
      In den besagten Pflanzen/Samen-Katalogen hab‘ ich als Kind auch mit Begeisterung geblättert. Oder in denen aus England – botanische Schatztruhen vor den Zeiten der Online-Gartenshops…
      Dein adoptierter Garten klingt ja wie ein Paradies! Das wird wohl auch Dein japanischer Besuch feststellen – ich drück die Daumen, dass es mit einer Japanreise klappt. Bis dahin schön, dass _wir_ Dich mitnehmen können rund um die Welt. Immer mal mit ein paar botanischen Schätzen oder Rezepten obendrein 🙂

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