Wir Reisefedern sind alle Frauen, seltsamerweise haben wir aber noch nie über die erste weibliche Globetrotterin geschrieben – Maria Sibylla Merian. Eine Pionierin, die schon hundert Jahre vor dem großen Alexander von Humboldt aufgebrochen ist, um die neue Welt zu entdecken. In diesen Tagen jährt sich ihr Todestag zum 300. Mal.
„Sie verspotten mich, dass ich in dem Land etwas anderes suche als Zucker“, schreibt Maria Sibylla Merian in ihre Notizen über die holländischen Siedler. Gemeinsam mit Ureinwohnern und Sklaven bricht sie in den Urwald von Surinam, damals holländische Kolonie, auf, um nach Pflanzen und Insekten zu suchen – vor allem nach Schmetterlingen.
Drei Monate über den Atlantik
Wie ungewöhnlich das zu jener Zeit war, vermag man sich heute kaum noch vorzustellen: Auf einem Dreimaster knapp drei Monate in einer fensterlosen Kabine zu hocken, wo Körperhygiene mangels Süßwasser zum Fremdwort wird, das Schiff von den hohen Wellen des Atlantiks so sehr schwankt, dass kaum eine Landratte das Essen bei sich behalten kann. Wo Seeräuber nur darauf warten, ein Schiff zu erbeuten.
Und doch lässt sich die 52-jährige Sibylla (womit man übrigens zu jener Zeit schon als alte Frau gilt), nicht von ihrem Traum abbringen, die Insektenwelt Surinams zu erforschen. In den Niederlanden lebend wecken die Mitbringsel aus der damaligen Kolonie ihre Neugier und so macht sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter auf den langen Weg über den Atlantik, zu einer Zeit, als Frauen ohne männliche Begleitung nicht einmal in eine Postkutsche stiegen. Der Risiken ist sich Maria Sibylla Merian durchaus bewusst und hinterlässt vor der Abreise bei einem Notar ein Testament zu Gunsten ihrer Töchter.
Ihr größtes Werk
Nach zwei Jahren Studien im Urwald kann nur eine Malariaerkrankung sie schließlich zur Rückkehr bewegen. Danach verfasst sie ihr größtes Werk „Metamorphosis insectorum Surinamensium“. Ich habe den wunderschönen Reprint des Originals (wie gern ich DEN hätte!) aus einem niederländischen Verlag gefunden, einen halben Meter hoch, genau wie die Originalausgabe. Ein Buch zum Drüberstreicheln und vorsichtig in den Arm nehmen, bevor man überhaupt wagt, es aufzuschlagen. In der deutschen Version aus dem Lambert Schneider Verlag gibt es nach dem Vorwort zunächst vier Beiträge zu Merian und einen Beitrag der Herausgeber zu lesen. Dann folgt das Faksimile (auf niederländisch) und im Anschluss die deutsche Übersetzung des Originals. Zum Abschluss können Interessierte in einem Extra-Kapitel noch der Bestimmung der einzelnen Tiere und Pflanzen auf den Grund gehen. Das liebevoll gestaltete Video dazu hat übrigens die Künstlerin Emmy Storm animiert:
Überhaupt scheinen die Niederländer der Deutschen viel mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen als wir. Es gibt eine Maria Sibylla Merian Gesellschaft, die sich mit dieser außerordentlichen Frau beschäftigt. Einer Frau, die schon als Kind von Insekten fasziniert war und sie zeichnete, obwohl diese damals als aus dem Schlamm geborene Teufelsbrut galten. Maria Sibylla Merian zeigte hingegen, dass sie wunderschöne Geschöpfe sind, deren geheimnisvolle Metamorphose ein echtes Naturwunder. Sie hat die Schmetterlinge in Tag- und Nachtfalter aufgeteilt – diese Einteilung gilt heute noch. Ach, und schaut euch mal mal die Kommentare des Autors Redmond O´Hanlon in dieser Doku zum obigen Buch an (natürlich wieder aus den Niederlanden). Könnt ihr diese Begeisterung verstehen? Ich schon…
Und immer wenn ich ein verächtliches Nasenrümpfen erhalte, weil ich vom Wissenschafts- zum Reisejournalismus gekommen bin und dazu den Kommentar: „Das passt doch überhaupt nicht zusammen“. Dann denke ich: Redet ihr nur, so fing es doch eigentlich an mit den Weltreisen. Das nennt man Entdeckerfreude… 😉
Tolle Frau!
Find ich auch, je mehr ich recherchiert habe, desto mehr hat sie mich begeistert. Die Behandlung der Sklaven und Ureinwohner fand sie auch nicht so prickelnd (das hat sie übrigens mit Alexander von Humboldt gemeinsam). Merian schreibt darüber, dass die ihr im Urwald ein Kraut gezeigt haben, mit dem man keine Kinder bekommt, weil viele so sehr litten, dass sie ihren Nachkommen solch ein Leben nicht zumuten wollten… Sie war ein für jene Zeit fortschrittlich, unabhängig denkender Geist.
Eine großartige Frau! Sie hat das Geheimnis gelüftet, wie aus der Raupe ein Schmetterling wird… Sie war ein Frankfurter Mädche, und es gibt zwei Ausstellungen (vielleicht ja noch ein paar mehr?) in diesem Jahr zu M.S. Merian: Das Museum Wiesbaden (www.museum-wiesbaden.de) zeigt sie als Naturforscherin, läuft vom 13.1. bis 9.7. Und das Städel in Frankfurt (www.staedelmuseum.de) befasst sich in einer Ausstellung mit der Künstlerin Merian, u.a. mit ihren Blumen- und Insektendarstellungen, läuft vom 11.10 bis 14.1.2018. Also nix wie hin!
Liebe Karin, vielen Dank für die Termintipps, eine super Ergänzung zum Blogbeitrag! Schade, dass ich nicht im Großraum Frankfurt wohne, sonst wäre ich jetzt schon in Wiesbaden unterwegs… 😉
Hi Iris, ja, schade, ich gehe auf jeden Fall hin…
Das ist lustig, kürzlich hörte ich im Radio von ihr, vorletzte Woche las ich über sie und jetzt dein schöner Beitrag. Wirklich eine beeindruckende Frau ! Sie hat so fantastisch gezeichnet und gemalt. Wie mutig, zu der Zeit allein mit ihrer Tochter diese Weltreise zu machen ! Und hinterher dieser schöne Band, den sie veröffentlich hat. Und die Zeit, die man sich damals dafür genommen hat. Ich las, daß auf sie auch die Unterteilung der Falter in Eulen und Kapellen (?) zurückzuführen ist. Absolut spannend und wie gesagt, diese Bilder von ihr ! so toll !!
Oh ja, den Ausdruck Kapellen kannte ich gar nicht, aber mit den Eulen sind die Nachtfalter gemeint, nicht wahr?