Gerade erst schwelgte der ganze Harz im Spirit der Walpurgisnacht. Aber auch abseits des Hexenwahnsinns findet ihr in Goslar dunkle Geschichte, Kleinode, Obskures – und sogar Obszönes, wenn Ihr mit offenen Augen durch die Straßen geht 😉 Meine 11 Tipps für die Kaiserstadt:
1. Hirsch-Apotheke
Sie ist nicht nur die älteste Apotheke Goslars, sondern gilt auch als eine der schönsten in Deutschland: Ihr Biedermeier-Interieur ist komplett erhalten und liebevoll renoviert. Und noch heute sind die selbst angerührten Öle, Elixiere und Tropfen nach Geheimrezepten vom Kräuterdoktor Friedrich Lampe echte Verkaufsschlager. Eine Apotheke mit Spirit, umrahmt von den idyllischen Fachwerkhäusern am Schuhhof, dem einstigen Marktplatz der Stadt:
2. Wo sich Dachrinnen küssen
Nur ein paar Meter vom Schuhhof entfernt in der Münzstraße prägte die Stadt früher ihre Münzen. Diese mittelalterliche Gasse ist so eng, dass man sich sprichwörtlich im obersten Stockwerk die Hand über die Straße reichen kann. Und nicht nur deshalb lohnt sich der Blick nach oben: Dort haben sich im Laufe der Jahrhunderte die Häuser ein klein wenig einander zugeneigt, so dass sich die Dachrinnen zu küssen scheinen:
3. Nackte Tatsachen
Dass es sich in Goslar lohnt, auch auf Kleinigkeiten zu achten, zeigt sich besonders an den geschnitzten Figuren der alten Fachwerkbauten. Am meisten eingeprägt haben sich mir dabei zwei Hinterteile: Die runden Backen des „Dukatenscheißers“ (oder feiner ausgedrückt „Dukatenmännchen„) und der „Butterhanne„. Ersterer befindet sich am berühmten Hotel Kaiserworth. An der Ecke zur Worthstraße ist eine übergroß geschnitzte Göttin des Überflusses „Abundantia“ zu sehen und darunter winzig klein das berühmte „Dukatenmännchen“, der Grund? Das Hotel war früher das Zunfthaus der reichen Gewandmachergilde. Die hatte den nackten Mann, der hier am Pranger steht, zur Warnung anbringen lassen. Denn säumige Schuldner mussten sprichwörtlich zur Strafe vor aller Welt am Pranger „die Hosen runterlassen“.
Die Butterhanne hingegen befindet sich an einem anderen berühmten Gebäude in der Altstadt, dem „Brusttuch„. Den Namen hat dieses ungewöhnliche Fachwerkhaus seiner dreieckigen Form zu verdanken. Die Schnitzerei der frechen, unerschrockenen Butterhanne hat sich zum heimlichen Wahrzeichen von Goslar gemausert. Und doch wird niemand beim Vorbeispazieren die kleine Figur bemerken, wenn er nicht bewusst nach ihr sucht. Warum die Butterhanne ihren Allerwertesten zeigt, darüber gibt es verschiedene Theorien. Die einen sagen, dass sie die Nachbarschnitzerei, den Teufel, mit dem Anblick davon abschrecken will, ihr die Butter zu verderben. Ein alter Reim aus Goslar sagt etwas anderes: „Die linke Hand am Butterfass, die rechte am Gesäß, so wird er hier bei uns gemacht, der echte Harzer Käs“ 😉
4. Brauhaus
Hier dreht sich alles um den edlen Gerstensaft: Es gibt nicht nur das selbstgebraute, berühmte Gose-Bier, die einst im Harz meistgetrunkene Biersorte. Auch sonst setzt die Küche im Brauhaus auf Bierkreationen, da kommt etwa Maische in die Soße, lokale Spezialitäten landen auf dem Teller und auf der Theke stehen Leckereien wie das Knusper-Malz .
5. Ein Hauch von Brügge durchweht Goslar
Gose und Abzucht heißen die kleinen Flüsse, die sich in Goslar vereinen. Nach der Gose ist nicht nur das berühmte Bier benannt, sondern auch Goslar selbst (das hieß früher Goselar). Ich mag die Gewässer in der Stadt vor allem, weil sie im Zusammenspiel mit den mittelalterlichen Häusern und Brücken an Wasserstädte wie Brügge erinnern.
6. Großes Heiliges Kreuz
Der Name dieses ehemaligen Hospizes aus dem 13. Jahrhundert klingt erstmal sehr sakral (und langweilig). Es ist aber ein wunderschöner Ort, einer meiner Favoriten in Goslar. Und das nicht nur weil er im Winter und an kalten Tagen eine angenehm mollige Fußbodenheizung hat. In den einstigen Pfründnerstübchen bieten heute Kunsthandwerker ihre Kreationen an. Und im Hof des Großen Heiligen Kreuzes sind zwei Geschäfte von Kunsthandwerkern angesiedelt, ein Holz- und ein Glasstudio.
7. Kaiserpfalz und Dom
Kaum ein Goslarbesucher lässt sich die Kaiserpfalz entgehen, denn schließlich zeigt sich hier die einstige Bedeutung der Stadt: Im 11. Jahrhundert galt Goslar sogar als beliebtester kaiserlicher Wohnsitz im Deutschen Reich. Von dem Dom aus dem gleichen Jahrhundert steht heute nur noch die Domvorhalle. Leider entschieden sich die Goslarer 1819, den baufälligen Dom zu versteigern. Und der neue Besitzer war Maurer und nutzte ihn als Steinbruch 🙁 Und so steht heute leider nur noch die Vorhalle, die die einstigen Ausmaße nur erahnen lässt.
8. Goslars Hinterhofgärten
Wer an Grün in der Stadt denkt, hat wahrscheinlich eher die „offiziellen“ wie den Römischen Garten, den Pfalzgarten oder auch den Brunnengarten im Sinn. Die liebsten sind mir jedoch die Hinterhofgärten, die Ihr entdeckt, wenn Ihr Euch einfach durch der Altstadt treiben lasst, manche davon adrett mit englischem Rasen, andere im klassischen Bauerngartenstil. Verbunden mit der Kulisse aus alten Fachwerk- bzw. Holzhäusern hat das einfach Atmosphäre und macht Freude beim Anschauen…
9. Siemenshaus
Schon seit mindestens sechs Jahrhunderten lebt das Stadtgeschlecht der Siemens in Goslar. Ja, genau DIE Siemens, deren Abkömmling Werner das heutige Weltunternehmen gründete. Arme Schlucker waren sie nicht gerade, es gab Ratsherren und sogar Bürgermeister in Goslar, die diesem Geschlecht angehörten. Entsprechend sehenswert ist das herrliche Fachwerkhaus im Barockstil, eines der schönsten Bürgerhäuser der Stadt. Auf der Eingangstür prangt der Dominikaner-Wahlspruch „Ora eta labora„, bete und arbeite. Heute trifft sich immer noch regelmäßig die weitverzweigte Siemensfamilie in ihrem Stammhaus zwischen Bergstraße und Schreiberstraße.
10. Café Firlefanz
Es ist erst wenige Monate her, dass Irina Rehse und Sigrid Jahn den Sprung in die Selbstständigkeit wagten. Aber trotzdem haben sie sich mit ihrem Café innerhalb kürzester Zeit zum absoluten Geheimtipp gemausert. Anfangs kamen eigentlich nur die Goslarer dank guter Mundpropaganda, denn es liegt abseits der Touristenströme. Seit kurzem finden durch die sehr guten Bewertungen in den Internetportalen aber auch Durchreisende das kleine Café. Nicht nur ich bin der Meinung: hier gibt es den leckersten Kuchen der Stadt (natürlich hausgemacht) – und die nettesten Café-Betreiberinnen sowieso. 🙂 Liebevoll haben die beiden das Firlefanz eingerichtet, man isst und trinkt aus Omas Kaffeeservice bzw. Sammeltassen mit Goldrand, auch die Atmosphäre erinnert an Omas gute Stube… einfach urgemütlich.
11. Rammelsberg
Das Erzbergwerk Rammelsberg ist mit seiner mindestens 1000-jährigen Geschichte heute zurecht Weltkulturerbe. Für den Besuch solltet Ihr allerdings genügend Zeit einplanen, mehr dazu findet Ihr in diesem ausführlichen Beitrag von Reisefeder Anke.
Ich finde Goslar wirklich schön. Wir kamen damals gerade von Thale und dem Hexentanzplatz und haben einen Abstecher gemacht.
Danke für die Erinnerungen.
LG
Sabine
Liebe Sabine,
wie schön, hoffentlich schafft Ihr es bald einmal wieder. Wir waren inzwischen schon viele Male dort, anfangs nur zum Weihnachtsmarkt, aber inzwischen auch einfach nur mal so zum Bummeln – und es gefällt mir immer besser…
LG
Iris