Düsteres Transsilvanien, die Heimat des blutrünstigen Vampir-Grafen – auf Schloss Bran soll er gehaust haben. Behauptet der weltberühmte Roman Dracula. Wir haben vor Ort mal nachgeschaut… … in Transsilvanien. Mitten in Rumänien, also: ziemlich genau in der Mitte. Auf einem felsigen Berg in den Karpatenwäldern ragt die trutzige Burg auf und wacht da seit rund 700 Jahren über eine Schlucht. Zu Füßen liegt heute das Dörfchen Bran.
Wir sind also den steilen Weg hinaufgestiefelt zu Schloss Bran — oder auf Deutsch Törzburg(er Schloss) — und dabei wie immer ein Stück schlauer geworden.
Wusstet Ihr, dass die Burg offenbar nur ansatzweise so aussieht wie die im Dracula-Roman? Der irische Autor Bram Stoker war jedenfalls nie selbst in Rumänien. Aber er hat wohl gut recherchiert: Er durchstöberte alle Arten von damaligen Berichten, Archiven – und er studierte den damaligen „Baedeker für Österreich-Ungarn“.
Dracula und (nicht) sein Schloss
Und um Schloss Bran, dass schon seit rund 650 Jahren auf seinem Felsen steht, rankten sich blutige Legenden. Außerdem glaubte die lokale Bevölkerung angeblich besonders stark an übernatürliche Wesen, an Untote, an böse Mächte. Jedenfalls lag damals genau hier die Grenze zwischen dem österreichisch-ungarischen Siebenbürgen im Norden und der südlicheren Walachei.
Ein guter Platz, hier 1377 eine Burg zu bauen – auch um Zölle einzusammeln an den Handelsrouten. Lust auf einen Happen Geschichte? Über die Jahrhunderte umtobten das Gemäuer immer wieder Kämpfe und Übernahmen, von Ungarn, Walachen und umgekehrt. Und auch mehrfach von türkischen Truppen, die die Region zeitweise dem Osmanischen Reich einverleibten.
Jene Türken, die schon der walachische Fürst Vlad III. Drăculea im 15. Jahrhundert hart und grausam bekämpfte – gefangene Feinde, aber auch lokale Gesetzesbrecher wurden gepfählt, geköpft oder gehäutet, lebendig gekocht oder anderweitig gequält, so die damaligen Berichte. Daher kommt sein Beiname „Vlad Țepeș“, Vlad der Pfähler. „Drăculea“ bedeutet hingegen nur „Sohn des Drachen“, nach seinem Vater „Vlad Drăcul“.
Wahrscheinlich war Vlad nie auf der Branburg. Jedenfalls nie als Herrscher über die Walachei. Nur ganz eventuell einige Monate lang als Gefangener der Ungarn – da streiten sich die Historiker… So oder so war sein blutiger Ruf aber die perfekte Vorlage für Bram Stokers Vampir. Und die Burg. Steht als einzige in Transsilvanien „am Rande eines Furcht erregenden Abgrundes“ mit einem sich windenden Fluss in der Nähe. Dass sie in anderen Teilen der Roman-Burg so gar nicht ähnelt, ist dann wohl künstlerische Freiheit…
Und heute?
Offenbar war es in den 1970ern die Idee von rumänischen Touristikern, die Irgendwie-Verbindung zwischen malerischer Burg und Vampirgraf in die Köpfe potenzieller Besucher zu setzen und Bran als „Dracula-Schloss“ zu vermarkten. Hat gut geklappt, denn es sind nicht gerade wenige Menschen, die den Berg hinauf tapern. (Nachdem sie sich durch das Andenken- und Tinnef-Märktchen gekämpft haben, rund um den Eingang. Nun, fairerweise: ein paar echte rumänische Handwerkerstände sind auch dabei!) Und ist man erstmal oben, geht der Blick weit übers Land und ignoriert sowas…
Marie, die Soldatenkönigin – und Stil-Ikone
Dass die Burg heute so aussieht, wie sie aussieht – oft wird sie auch Schloss genannt -, hat sie wohl vor allem der Enkelin von Queen Victoria und Zar Alexander II. zu verdanken. Wat?! Wir folgen erstmal dem Weg durch die Gänge und Gemächer, manchmal gaaanz langsam vielen anderen Menschen hinterher. Die Kinder stromern frei, solange sie nichts anfassen. Wir hätten auch eine Führung buchen können. Oder einen geführten Bustrip zu mehreren Burgen der Region. Aber die vielen Infotafeln liefern auch so schon ausführlichen Hintergrund.
Fürst Vlad wird kaum erwähnt. Umso mehr aber Königin Marie von Rumänien, die als britische Prinzessin 1893 den späteren König Ferdinand I. von Rumänien ehelichte. Den sie anscheinend gar nicht so mochte, umso mehr aber ihr neues Land. Und ihre insgesamt sechs Kinder…
Ein beeindruckender Mensch scheint sie gewesen zu sein: Denn als im Jahr ihrer Krönung der Erste Weltkrieg ausbrach, 1914, da sammelte sie nicht nur Spendengelder und half als Rot-Kreuz-Schwester bei den Soldaten, ging in die Schützengräben und zu Typhus-Erkrankten. War erste Kommandantin einer Kavallerie-Einheit. Und steuerte Rumänien strategisch und politisch (ihr Mann scheint da und wenig beteiligt gewesen zu sein) und führte es schließlich in die Allianz gegen Österreich-Ungarn und Deutschland.
„Es gibt nur einen Mann in Rumänien, und das ist die Königin“, schreibt ein Korrespondent der Pariser Friedenskonferenz 1917. Dort überzeugte Marie nämlich die anderen Mächte so lange, bis sie einem Rumänien zustimmten, das die Walachei, Transsilvanien und andere Landesteile vereinte, das größte Rumänien überhaupt. Und schwups, lag die Burg Bran mitten drin im Land!!
Her Home was her Castle
Und genau die machte sie zu ihrem neuen Familiensitz: Marie bekam die leicht verfallene Burg 1920 von der Stadt Brașov, Kronstadt. Und drehte sie auf links. Das Gemäuer bekam ein drittes und viertes Stockwerk, zeitgemäße Treppen, Kachelöfen statt der offenen Feuerstellen, Fenster statt Schießscharten, ein Telefon und einen inneren Aufzug vom Park tief unten zur Burg hoch. Die Turbine für die Burgbeleuchtung liefert am Ende auch der ganzen Umgebung freie Elektrizität…
Die gemütliche Einrichtung können wir uns direkt angucken, die meisten Möbel sind noch original erhalten. Ihr Schlafzimmer, sein Schlafzimmer, der Ofen, an dem meistens die Kinder gespielt haben. Wir kraxeln durch den Geheimgang, den das Renovieren freigelegt hat. Spazieren oben über die Balustrade, die gemütlich den Innenhof überblickt. Und auf dem Rückweg gibt’s noch eine kleine Märchenausstellung, multimedial und mit Puppen, die ein paar Märchen und Legenden der Gegend vorstellt. Dracula ist nicht dabei, aber tanzende Feen und auch wat Gruseliges.
Und tschüs, Marie ?
Ach ja, Stil-Ikone hatte ich noch erwähnt…. Schloss Bran soll ihr Lieblingsprojekt gewesen, wobei sie mit ihrem Sinn fürs dezente, gediegene Schöne auch schon andere königliche Residenzen dekoriert hatte. Später lief das unter „Königin Marie-Stil“.
Und natürlich waren Kunst, Literatur und Theater Maries Ding. Sie malte selbst, schrieb Prosa und Kinderbücher. Und galt zwischen den Weltkriegen als einer der führenden künstlerischen Köpfe ihrer Zeit, heißt es auf den Infotafeln. Beliebt war sie offenbar nicht nur beim Volk, sondern auch bei brillanten Köpfen, die sie aufs Schloss lud.
Jedenfalls greife ich im kleinen Burglädchen nicht nach den Dracula-T-Shirts und Gruselsouvenirs, sondern zu einem von Maries Kinderbüchern. Bin gespannt, wie das Märchen geht. Die Königin bleibt uns noch ein bisschen erhalten.
Wer sich doch ein bisschen gruseln will, kann tief ins Kellergewölbe: Da findet sich eine Show der „handelsüblichen“ Folterinstrumente des Mittelalters. Die Kids haben aber lieber den (unechten) Brunnen im Burghof umlagert und den vielen rumänischen Lei darin noch ein paar hinterher geworfen. Weil’s halt Glück bringt…. Und weg ist die Marie!! ;))
Gut zu wissen
Die Burg liegt 770 Meter über dem Meeresspiegel im Ort Bran,
rund eine halbe Stunde Fahrtzeit von Brașov (Kronstadt) und rund 2,5 Stunden von der Hauptstadt Bukarest entfernt. Von dort fährt stündlich auch ein Zug nach Brașov – weiter geht’s dann per Bus oder Taxi.
Sämtliche Infos zu Anfahrt und Besuch bietet die offizielle Website auf Englisch:
bran-castle.com
Wie cool, so viel über das echte Dracula-Schloss und Marie zu erfahren! Ich war vor vielen Jahren einmal dort, da war es noch nicht so touristisch. Wobei es allerdings so klingt, als würde sich das Museum nicht wirklich lohnen…
Liebe Grüße
Natalie
Danke! Und was heißt „lohnen“ – es war ein Erlebnis und hat Spaß gemacht. Touristen sind wir ja leider alle irgendwo. Aber ich bin zufrieden, nicht mit einer Busgruppe von einem Schloss zum anderen gedüst zu sein, sondern auf eigene Faust. Zum Bären-Rettungsgelände in der Nähe gibt’s bald auch mal einen Beitrag 😉