Selten bin ich so beseelt von der Stadt gewesen. Musicals in New York: Sex, Songs und super Stimmung. Ich träller durch die Nacht, berauscht von den Gassenhauern, vom Glitzer und Glamour. Doch der Bühne geht es gar nicht glamourös zu. Ein Blick hinter die Kulissen.
Am Broadway, vor allem rund um den Times Square, brodelt es. Tag und Nacht. Riesige Reklametafeln werben für Konsum, Kommerz und Kunst. Etwa 40 Theater stehen im Theater-Distrikt zwischen der 41. Und 53. Straße, zwischen der 6. Und 9. Avenue und fast alle Produktionen buhlen um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Matilda, Kinky Boots und das legendäre Phantom der Oper, um nur ein paar zu nennen.
Mein erstes Musical ist die Off-Broadway Produktion Stomp. Off-Broadway heißt sie deshalb, weil sie im East Village stattfindet und nicht am Broadway.
Eingepfercht zwischen Restaurants und Imbissbuden weist ein schwarzes Schild mir weißer Aufschrift STOMP den Weg. Eine Jungsgang mit riesigen Chips-, Popcorntüten und Eimern mit Cola schlurft herein. Gleich dahinter eine Familie mit kleinen Kindern, die vor Aufregung hüpfen und quieken. Stomp ist eine Show für alle, gerade auch für die Jüngeren, die sich für traditionelle Theater- und Musicalstücke nicht begeistern.
Ich sitze in der dritten Reihe und blicke auf die Bühne, die kein Vorhang verdeckt. Fässer, Schilder und Autoteile türmen sich wie auf einem Schrottplatz. Nichts ist geleckt oder künstlich sauer. Alle Teile sind verbogen, verrostet und ein wenig verdreckt. Patina des Lebens. Dann geht das Licht aus.
Ein Scheinwerfer beleuchtet einen Mann in Arbeitshose und Muskelhemd, der einen Besenschwingt. Nein, nicht nur schwingt, sondern ihm Rhythmus entlockt. Mit den Borsten schrubbt und schrabbelt er, klopft mit dem Holzteil, wirbelt herum. Andere kommen dazu. Das Publikum rast, ist begeistert, wackelt im Takt mit. Keiner kann sich dem Sog entziehen, den die Akteure mit Bällen, Waschbecken und Fässern erzeugen. Manchmal ein Höllenlärm, der schon über die pure Lautstärke wirkt. Aber sie können auch still und leise. Zisch, klipp, klapp. Mit Feuerzeugen zeigen sie eine Performance, die unter die Haut geht. Dabei erzählen die Rhythmusexperten auch kleine Geschichten. Komisch und skurril, aber immer verständlich, auch ohne Worte.
Nach anderthalb Stunden ist der Zauber zu Ende. Pfiffe, Standing Ovations, ohrenbetäubendes Klatschen. Verschwitzt verbeugen sich die Darsteller und trommeln eine Zugabe. Yeah!
Am nächsten Morgen steht eine Wassertour mit New York Water Taxi auf dem Programm. Empire State Building, Chrysler Building und der alles überragende Freedom Tower, wie das One World Trade Center auch heißt. Brooklynbridge, Ellis Island und die Freiheitsstatue. Wow. Immer wieder und klick, klick klick.
Tausendmal dasselbe Bild. Ich konnte nicht anders, New York ist einfach so genial. Die Skyline ist einfach einzigartig.
Danach etwas für die klassische Bildung: eine Führung durch die Metropolitan Opera, die Met. Leider konnte ich keine Aufführung sehen. Aber ein bisschen Met-Feeling gibt es auch zuhause. Einige Produktionen werden live im Kino übertragen. Wo und welche Stücke, findet Ihr hier http://www.tmg.de/.
Dann heißt es schick machen, aufbrezeln für den Broadway Showcase and Kick-off to the New Season im The Broadway Theatre, natürlich am Broadway, Ecke 53. Straße. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine grandiose Veranstaltung. Knapp 20 Musicals stellen sich vor. In Originalkostümen singen und tanzen die Schauspieler einen oder mehrer Hits. Musikalische Visitenkarten, die Lust auf mehr machen.
Bei Klassikern wie Cabaret, Chicago oder Phantom der Oper könnte ich mitsingen. Matilda ist ein misshandeltes, missgeachtetes und gemobbtes Mädchen, das sich wehrt: „Sometimes you have to be a bit naughty! Mitreißende Melodien und die Matildas in ihren Schuluniformen – so süß. Gruselig die böse Schuldirektorin Agatha Trunchball, eine ehemalige Hammerwerferin. Aber am Ende geht natürlich alles gut aus.
Bizarr, aber auf einer wahren Geschichte beruhend, ist Kinky Boots – Man(n) trägt Stiefel. Charly erbt eine angezählte Schuhfabrik und mit Hilfe der Drag Queen Lola bringt er die Fabrik wieder auf Vordermann. Sie produzieren Fetisch-Stiefel nicht nur für Transvestiten, sondern für alle.
Phänomenale rote Schnürstiefel. „Everbody say yea!“ Eine Geschichte für Toleranz, Mut und natürlich Liebe. Kein Wunder, dass die Songs so rasant sind, Cindy Lauper hat getextet und komponiert.
Danach flanieren wir durchs nächtliche New York zum VIP Empfang ins Rock Center Café (Rockefeller Center, 20 West, 50. Straße) – mit Blick auf den goldenen Prometheus und die Schlittschuhbahn, die schon in vollem Betrieb ist. Tatsächlich, die Stars, gerade noch auf der Bühne laufen hier herum. Zum Anstarren, Ansprechen und Fotos machen.
Supernett ist Penelope Wendtlandt aus Stomp. In der Nähe von Nürnberg geboren und als Teenie mit ihren Eltern nach Texas ausgewandert. Nach der Schule hat sie in New York Tanz, Musik und Theater studiert und es auf die Bühne von Stomp geschafft. „Es war Wahnsinn“, erzählt die zierliche Frau. „800 Bewerber kamen zum offenen Casting und standen Schlange.
Häuserblöcke lang. Tänzer, Sänger, Schlagzeuger. Vorgaben gab es keine“, erinnert sich Penny. Offene Stellen gibt es selten, denn so schnell verlässt niemand die Stomp-Familie. Manche bleiben 18 Jahre und länger. Die Typen sind relativ zeitlos und altern eben mit, was bei Matilda zum Beispiel nicht gehen würde. Einen Traum hat sich die ausgebildete Sängerin schon erfüllt, aber sie brennt noch, will als Sängerin groß herauskommen. Bei der Energie und Ausstrahlung, klappt das bestimmt. Liebe Penny, ich drücke die Daumen!
Gerne hätte ich mich noch weiter mit ihr unterhalten, aber meine nächste Mission in Sachen Musicals wartet: Chicago. Es geht ums Showgeschäft mit schöne Frauen, falschen Versprechen und viel nackte Haut. Mord, Gier und Leidenschaft und all that Jazz. Die Zutaten funktionieren seit fast 20 Jahren. Damit wird Chicago nach dem Phantom der Oper am längsten am Broadway aufgeführt.
Schöne Männer in engen Netzhemden gibt es auch. Aber schon mit dem ersten, seufzenden Saxophon bin ich mitten drin im Chicago der 20er Jahre. Roxie und Velma, zwei Schlagersängerinnen, die beide ihre Liebhaber umgebracht haben, kämpfen im Gefängnis ums Rampenlicht, die Aufmerksamkeit der Medien und den besten Anwalt. Spiel der Macht und Manipulation zwischen Glanz und Glamour. Am Ende versöhnen sich die beiden und werden gefeierte Jazz-Sängerinnen.
Hinter den Kulissen geht es wenig glamourös zu. Enge Gänge, alles voll gestellt. Perücken throhnen auf Pappköpfen, ein Hauch von Paillettenleibchen hängt auf einem Ständer und Kinderparty-Packungen Schokolade, Bonbons und Lollies. „Nervennahrung“, erklärt Jeremy Shaffer, der uns herumführt. Das dauert nicht lange, der Raum hinter der Bühne ist sehr übersichtlich.
Amra-Faye Wright, die Velma Kelly spielt, haucht uns ein Küsschen und ein rauchiges Good Night meine Lieben zu, bevor sie in der New Yorker Nacht verschwindet. Auch im langen Mantel strahlt die Schauspielerin mit den raspelkurzen platinblonden Haaren puren Sex aus – im positiven Sinne. Mein Kollege kriegt für ein paar Sekunden den Mund nicht mehr zu. Ihre Ausstrahlung wirkt noch lange nach. Da macht es nichts, dass die Schminktische eher nüchtern sind und die Darsteller sich auch alle selber schminken müssen, wie uns Jeremy erklärt. Die Arbeit am Broadway ist ein Knochenjob.
Trotzdem überwiegt der Glamourfaktor und mit einem Glas Wein genieße ich – bei geöffneter Dachterrasse – den Blick von meinem Hotel The Strand (heute Marriott Vacation Club Pulse) auf das Empire State Building. Wow.
Tipp – ganz wichtig:
Tickets für die Musicals unbedingt im voraus buchen, da die Shows oft ausgebucht sind. Entweder im Reisebüro oder beim Veranstalter wie Canusa oder America Unlimited
Welche Musicals wo gespielt werden, steht auf den Seiten von Broadway Collection
Beschreibung zu den Touren von Walks of New York
Das Hotel The Strand liegt im Fashion District – mit Blick aufs Empire State Building. Es ist ein kleines, modernes Boutique-Hotel mit einem super gemütlichen Restaurant, das in einer gelungenen Mischung aus Wintergarten und Bibliothek liegt. Hell und stylish und mit tollen Modefotos an den Wänden.
Die Reise wurde unterstützt von Broadway Inbound – Danke!!