Hexenholz, Schlangenbaum, Teufelsbuche – bei diesem knorzigen Wuchs konnten doch nur böse Mächte die Finger im Spiel gehabt haben?! Die krumm und schief wachsenden Süntelbuchen gehören zu den seltensten Gehölzen überhaupt – doch in Bad Nenndorf steht eine ganze Allee davon. Malerisch. Und besonders im frischen Schnee …Abend und Nacht sind Flocken vom Himmel gerieselt, jetzt haben sich die Wolken verzogen und oben strahlt es blau, unten weiß. Der Atem zeigt sich als weiße Wolken vor den Gesichtern. Während sich ein ganzer Haufen bunt vermummter Kinder den sanften Hang im Kurpark errodelt, bis zum dicken Schneemann ganz unten, warten am Rand der „Liegewiese“ bizarre Schönheiten.
Eigentlich
sind die Süntelbuchen ja nur Rotbuchen, wie es unzählige in ganz Mitteleuropa gibt. Aber im Weserbergland und Schaumburg haben manche einen ganz besonderen „Dreh“ – wortwörtlich sogar: Irgendwann gab’s mal eine Mutation im Erbgut, Ursache unklar. Vielleicht hatten ja wirklich die Erdgeister ihre Finger im Spiel. Oder leicht radioaktives Grundwasser mitten im Höhenzug Süntel. Oder die verdrehten Bucheckern fielen aus Hexenbesen heraus? Jedenfalls streben die Arme der „Fagus sylvatica var. suentelensis“ seither ziemlich kreuz und quer in alle Richtungen. Oder, wie es Clementine Freifrau von Münchhausen 1911 ausdrückte:
„Da wächst ein Ast ein paar Meter lang zielbewusst nach Westen, dann fällt ihm ein, das könnte doch ein Irrtum sein, und er biegt rasch entschlossen im rechten Winkel um nach Süden. Und nach noch nicht einem halben Meter kommt ihm eine neue Laune, und wieder biegt er im rechten Winkel ab, vielleicht nach Osten zurück, – das alles in ungefähr horizontaler Lage-, und dann fällt ihm ein, dass Luft und Licht auch schöne Dinge sind, und er strebt nach oben…“
Das gehört sich einfach nicht für einen anständigen Baum, dachten die Menschen im 19. Jahrhundert. Und weil man aus den krummen Ästen weder vernünftige Bretter noch …
…Feuerholz machen konnte – und sie obendrein vielleicht noch besessen waren -, vernichtete man die „Teufelsbäume“ lieber. Der weltweit größte Süntelbuchenbestand, mehr als 200 Hektar im Süntel zwischen Bad Münder und Lauenau, ging 1843 in Flammen auf. Brandrodung. Asche. Die paar, die überlebten, standen meist in Parks und Gärten. Und da kommen auch die von Münchhausens wieder ins Spiel, ungelogen: Das alte Adelsgeschlecht verehrte die Süntelbuche und schenkte traditionell jeder Tochter ein Bäumchen zur Vermählung. Heute stehen markante Exemplare sogar in Frankreich, Dänemark und den USA. In München, Bochum und Halberstadt.
Und an der Liegewiese
des heilenden Schwefelbades Nenndorf, wo Gartenbaumeister Carl Thon in den 1930er Jahren eine ganze Allee pflanzte, aus eigens gesammelten und angezüchteten Eckern.
Heut‘ stehen hier noch rund 100 malerisch krumm-schiefe Stämme – sie wachsen nur selten und langsam, erst mit knapp 10 Jahren zeigt sich, ob es sich überhaupt um Süntel- oder normale Buchen handelt. Und wegen der flachen Zickzack-Äste sind sie sehr anfällig für Astbruch und Pilzbefall. So leben sie selten länger als 250 Jahre.
Doch für den Nachwuchs ist in der Allee schon gesorgt. Mehrere Vereine sorgen sich in der ganzen Region um Erhaltung und Nachpflanzung. Und in der Zwischenzeit sind sie ein beliebtes Ausflugsziel. Und Fotomotiv. Nicht nur im Winter, wenn es schneit – nein, auch zur warmen Jahreszeit…. Regelmäßig sorgt Bad Nenndorf zu Stadtfesten auch für mystische Beleuchtung der verknoteten Bäume. Und zur anderen Seite der Allee geht der Blick weit übers Schaumburger Land.
Aber vielleicht
stimmt ja auch die Sage von dem Riesen, der einst irgendwo in der Region erschöpft verstarb.
In sein Herz war ganz durch Zufall eine kleine Buchecker gefallen .
In sie strömte mit der Zeit alle Kraft und Wildheit des Riesen, seine stattliche und knorrige Gestalt – und auch die Einsamkeit des Besonderen.
Die kleine Ecker keimte, wurzelte und wuchs und wuchs. Und wurde die Urmutter aller Süntelbuchen…