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Im feuchten Atem Gottes – mystischer Nebelwald auf La Gomera

Nochmal schnell Licht tanken, wenn die Tage in Deutschland dunkel werden… Der Winter ist der perfekte Zeitpunkt für eine Reise auf die Kanaren. Auf Naturbegeisterte wartet auf der zweitkleinsten Insel La Gomera ein absolutes Highlight, der mystische Nebelwald – Nationalpark und Weltnaturerbe der UNESCO

In Serpentinen schlängelt sich die Straße den Berg hinauf. Die felsig karge Landschaft rund um San Sebastián macht einer immer grüneren Umgebung Platz. Plötzlich ragt eine riesige Felsnase vor uns empor.

„Das ist der Roque Agando, Wahrzeichen von La Gomera und das Eintrittstor in den Nationalpark“, sagt Marina Seiwert. Die deutschstämmige Reiseführerin lebt schon seit mehr als einem Jahrzehnt auf der Insel und führt die Gäste auf „Insider-Touren“ durch deren Geheimnisse. Marinas Hündin Kalima ist immer dabei, ihren Namen verdankt sie einem heißen Ostwind, der manchmal aus der Sahara herüberweht. Denn die Kanaren liegen eigentlich auf dem gleichen Breitengrad wie die große Wüste auf dem afrikanischen Festland – und sind doch vollkommen anders.

Vulkanschlote und Nebelwald

Die Insel ist vulkanischen Ursprungs und hat viele diese herausstechenden Felsformationen zu bieten. Wenn nach einem Ausbruch die Lava erkaltet, bleibt oft ein harter Korken im Vulkanschlot zurück. Durch Erosion wird das weiche Gestein drumherum abgetragen, übrig bleiben prägnante Felsnasen wie der Roque Agando.

Als dicke Wand treiben die Passatwinde Wolken von Nordwesten auf das Bergmassiv zu – die sich beim Überwinden des Grats wie von Geisterhand wieder auflösen:

Fast das ganze Jahr wabert dieser Nebel über die Anhöhen des Alto de Garajonay. „Der feuchte Atem Gottes“, so nennen ihn die Inselbewohner. Ohne ihn gäbe es hier kaum Leben.

Wo die Bäume Pelz tragen

Die Bäume tragen dicke grüne Pelze aus Moos und sehen aus wie Fabelwesen. Wie Geistergewänder hängen Flechten von ihren Ästen herab. Wir wandern auf weichem Waldboden, der unsere Schritte abfedert.

Der Nebel scheint zusätzlich jedes Geräusch zu dämpfen, selbst Vögel hört man hier kaum. Stille. Ab und zu unterbricht ein Tröpfeln aus den herabhängenden Flechten das Schweigen. Und manchmal knarrt stöhnt, ächzt und quietscht es in den Ästen der uralten Bäume, wenn der Wind hindurchstreift. Die Phantasie geht unweigerlich mit einem durch: Geistergewänder, Hexenstöhnen.

Dieser Wald könnte wunderbar als Kulisse für einen Fantasyfilm herhalten. Früher bedeckten Lorbeerwälder große Teile Europas, heute steht auf La Gomera das letzte große Waldgebiet dieser Art. Kein Wunder, dass die Unesco den Nationalpark Garajonay schon in den 1980er Jahren zum Weltnaturerbe erklärt hat. Nur selten durchbricht ein Sonnenstrahl die Nebelsuppe. Aber wenn dann doch einmal die Wolkenwand aufreißt, fallen die Strahlen wie Scheinwerferlichter auf den Waldboden und malen dort goldene Punkte.

Auch für diese eigenartigen Lichtstrahlen haben die Gomerer ein Wort: „Gottesfinger“. Tatsächlich sieht das aus wie ein Gemälde, ein spirituelles Werk alter Meister: Gott lässt aus einer Wolke Strahlen auf heilige Orte und Wesen fallen, irgendwie passt das. Der Wald wirkt wie nicht von dieser Welt. Und das ist nicht das einzig mystische daran.

Die Legende von Gara und Jonay

Auf La Gomera lebte einst die Prinzessin Gara, die den Häuptlingssohn Jonay von Teneriffa liebte, aber deren Familien verfeindet waren. Die beiden nahmen sich hier oben im Nebelwald das Leben, indem sie sich mit einem Lorbeerspeer durchbohrten. Eng umschlungen fand man das Paar, im Tode vereint. Seitdem heißt dieser Ort Garajonay.

Der Lorbeerwald mit seinem feuchten Getröpfel erscheint aber auch sonst wie ein kleines Wunder: „Von dem wenigen Regen, den es hier pro Jahr gibt, könnte kein Wald leben“, sagt Marina. Echten Regen gibt es hier kaum. Immerhin liegt La Gomera auf einem Breitengrad mit der Sahara. Aber die Nebeltröpfchen schlagen sich auf Ästen, Flechten und Moosen nieder und laufen am Stamm zum Boden.

Der Wald melkt die Wolken. Und es bleibt sogar noch etwas Wasser übrig, das die Quellen im Tal speist. „Der Nebelwald sichert die gesamte Wasserversorgung von La Gomera“, sagt Marina. Für eine so kleine Insel, die von Norden nach Süden nur gut 20 Kilometer breit ist und neben den Einwohnern auch viele Touristen beherbergt, ist das ganz erstaunlich. Er ist eben ein wahrer Wunderwald. Und wenn man ganz genau hinschaut, entdeckt man irgendwo im moosgrünen Dickicht vielleicht auch ein echtes Fabelwesen 😉

Tipps und Infos:

  • La Gomera ist zweitkleinste Kanareninsel und gilt als Wanderparadies: Auf der offiziellen Seite der Tourismusvertretung gibt es jede Menge Infos zu Übernachtungs-, Einkaufs-, Ausgeh- und Ausflugsmöglichkeiten auf der Insel.
  • Anreise: Üblicherweise buchen Urlauber ihren Flug nach Teneriffa Süd und setzen anschließend mit der Fähre nach San Sebastián über. Die beiden großen Fähranbieter sind Fred Olsen und Naviera Armas.
  • Diese Recherche wurde vom Wander-Reisespezialsten MITourA unterstützt. Dort lässt sich auch die Tour „La Gomera Insider“ bei Marina Seiwert buchen.
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Vom heimischen Bauernhof ins Chemielabor und raus in die weite Welt: Heute lebe ich als Journalistin und Autorin - back to the roots - im Weserbergland und darf die Reiselust mit der alten Leidenschaft für Naturthemen verbinden. In unserer binationalen Familie sind wir als Grenzwandler zwischen Deutsch und Spanisch unterwegs.

7 Kommentare

  1. Pingback: Blogbummel November 2018 – Nachschlag – buchpost

  2. Dieser Nebelwald ist so verzaubert und mysteriös, dass man es kaum in Worte fassen kann. Herzlichen Dank für das Wachrufen von wunderschönen Erinnerungen! Jetzt habe ich akute Gomera-Sehnsucht!

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