Meilenweit nur grüne Felder, rote Bauernhöfe und zwischendrin alte Pferdewagen, die über Schotterpisten rollen. An den Zügeln Männer mit Strohhüten, langen Bärten und schwarzen Hosen mit altmodischen Hosenträgern. Ich habe das Gefühl, mitten in einem Film zu sein, über das amerikanische Farmer-Leben vor 200 Jahren. Mädchen in langen Kleidern mit weißen Schürzen laufen oder fahren auf riesigen Rollern am Straßenrand entlang. Nur die lauten Autos und Lastwagen stören. Ich bin auf dem Weg zu Sara Fisher und ihrer achtköpfigen Familie – Amische. Sie leben in Bird-In-Hand, mitten in Lancaster County im amerikanischen Pennsylvania, mit ihnen rund 35 000 andere Mitglieder dieser täuferisch-protestantischen Glaubensgemeinschaft. Es ist die zweitgrößte Siedlung in den USA.
Sara bewirtschaftet mit ihrem Mann seit 13 Jahren eine kleine Rinderfarm – ihr Elternhaus, in dem sie geboren wurde. Sie baut Tomaten, Bohnen, Kartoffeln, Salate, Kräuter und viele Obstsorten selbst an in ihrem großen Gemüsegarten gleich hinter dem weißen Bauernhaus.
Ihr Ehemann Jonas pflanzt Gerste und Mais auf den Feldern in der Nähe an. Sie haben fünf Töchter und zwei kleine Jungs. Die Mädels helfen Sara kräftig in der Küche mit, einmal die Woche lädt sie ein paar Gäste in ihr Haus ein. Dann wird lecker gekocht, meistens Frisches aus ihrem Gemüsegarten, alle sitzen zusammen an einer langen Tafel – und Sara und ihre Töchter erzählen aus ihrem (amischen) Leben. Für uns hat die Familie heut Hühnchen, Bohnen, Kartoffelpüree, Pasta und Barbecue-Fleischbällchen gekocht.
„Mit Kindern und Teenagern unsere Kultur zu leben, ist oft schon eine Herausforderung“, erzählt die 39-Jährige offen. Dennoch scheinen alle wirklich glücklich zu sein, ausgeglichen und die Ruhe und Gelassenheit in sich. Unser Baby nimmt eine der Töchter liebend gerne, direkt als wir zur Tür herein kommen. Ein paar Minuten später sehe ich unseren Sohn fröhlich jauchzend auf dem Trampolin mit ihr – und eine halbe Stunde später selig schlafend auf der Hollywoodschaukel.
Familie und der Glaube sind das Allerwichtigste für amische Gemeinden. „Unsere Gottesdienste, meist draußen auf der Wiese, werden oft auf Deutsch gehalten, aber wir haben es auch in der Schule gelernt“, erklärt die Mutter des Hauses. Da kommt Jonas zur Tür herein und entschuldigt sich, dass er nicht mit uns zu Abend essen könne. Ein Termin in der Stadt. Jonas ist bei der Freiwilligen Feuerwehr. Doch gar nicht so außerhalb der Gesellschaft, eigentlich fast mittendrin, denke ich mir.
Doch so manch Modernes wird eher abgelehnt: Sie hätten keinen Fernseher, berichtet Sara, der Ofen und Kühlschrank wird über Gas betrieben, ein Holzofen wärmt das ganze Haus im Winter. Nur ein paar Solarpanels geben etwas Strom für Lampen oder Eismaschinen. „Handys oder Facebook brauchen wir nicht“, sagt Emmalyn lächelnd, eine der Teenagertöchter.
„Ich lese viel und arbeite als Kellnerin und auf dem Markt, um dort unser Brot, die Marmelade oder die Bohnen zu verkaufen – da habe ich genug zu tun und vermisse Handys absolut nicht.“ Bis zur achten Klasse besuchte die 15-Jährige eine amische Ein-Raum-Schule, jetzt habe sie nur noch einmal die Woche Englisch- und Deutschunterricht, wobei letztere Sprache schon sehr schwierig sei für sie, gibt sie zu. Und wie sieht es mit der Liebe aus? Verliebt man sich nur in Jungs aus der amischen Gemeinde? „Ist schon eher selten, dass jemand nicht in der Community ist“, sagt Emmalyn und schmunzelt. Ein interessanter Abend geht leider zu Ende – und ich nehme so manche Lebensanschauung mit auf den Heimweg. Ein Dankeschön an die Fishers!
Wer auch einmal Einblick in die amische Kultur in den USA bekommen möchte, kann sich gern melden bei Sara Fisher, 115 A Black Horse Road in Paradise bei Bird-In-Hand (Pennsylvania), Tel. 717-327-5010.
Und wer noch eine andere Geschichte aus den Staaten lesen möchte, hier gibt’s mehr.