Mitten zwischen den Feldern, auf dem Rad von Dorf zu Dorf in Niedersachsen, Sommer in der Luft… Da schlich sich ein Thema in meinen Vorderkopf, bei dem man sich kräftig in die Nesseln setzen kann. Oder zwischen alle Stühle… Frage: Was sind Windräder in der Landschaft – Verschandelung oder Naturschutz? Vogelmord oder Klimarettung? Krachmacher oder Spritgeber für leise Elektroautos? Gegen verhärtete Fronten…… hilft eigentlich nur eins. Also zwei. Reden und Zuhören… Und selber gucken gehen, um sich eine Meinung zu bilden. Also, raus in die Natur — in der Stadt sind Windkraftanlagen ja eher selten. Obwohl, auch da stehen sie schon auf manchen Dächern, zuletzt gesehen in Hamburg…
Aber die großen Masten finden sich dann doch „draußen“ auf den Feldern und Wiesen. „Verschandelung der Landschaft“, heißt es gerne. Da geht man schon mal wandern, die Natur genießen, und da stehen dann diese künstlichen Dinger und versperren den Blick… Stimmt. Die Strommasten und -leitungen sind schon mindestens ein halbes Jahrhundert älter, sieht man die gar nicht mehr?
Nein, das wäre unfair, eins gegen das andere aufzurechnen. Beides ist künstlich. Auch wenn die Strommasten meistens ganz schlicht und dunkel da stehen, während wenigstens versucht wird, Windräder mit Farbschattierungen am Mast ein bisschen mehr in die Landschaft einzubinden… Es hilft nichts, die großen Masten sind weithin sichtbar. Anders als ganze Felder von Solarpanelen, wie sie Bayern gerne über die Landschaft verteilt. Das stimmt, die schwarzglänzenden Technikfelder stören dann nicht den Blick auf die Berge. Aber wandert man zwischen ihnen „natürlicher“? Oder ist das nur ein „Was-ich-nicht-seh-ist-mir-egal“-Prinzip? Und wenn man dann von den Bergen runterguckt – sind das dann nur einfach schwarze Felder statt grüner? Man gewöhnt sich an alles?
„Verschandelung der Kulturlandschaft“ ist sogar zu lesen. Moment, Kulturlandschaft: War das nicht das, wo keine ursprünglichen Wälder und Wiesen mehr stehen, sondern oft schnurgerade abgesteckte Ackerflächen das Bild prägen?! Dörfer und Städte sowieso? Das, wo die Natur weichen musste, damit der Mensch Platz hat? Na gut, die Lüneburger Heide war auch mal ein dichter Wald, bevor die Bäume alle abgeholzt und zu Schiffen und Hausbalken verarbeitet waren… Man könnte sagen, die Natur hat sich die Fläche über die Jahrhunderte hin zurückgeholt. Jetzt ist sie wieder „schön“. Und geschützte Naturlandschaft. Dort jedenfalls, wie in den Nationalparks auch, stehen keine Windräder. Mit der ein oder anderen umstrittenen und meist hoch diskutierten Ausnahme – aber das wär‘ jetzt eine eigene Diskussion…
Was ist denn die Alternative? Zentral ein paar große Kohlekraftwerke – oder Atommeiler – an einige wenige Stellen zu stellen, damit der Blick an anderen Orten frei ist? Was sollen da erst die Menschen im Westen und Osten sagen, wo der Boden kilometerweit der Boden aufgerissen ist, um Braunkohle abzubauen. Also: Nicht schön unsichtbar untertage, nicht sichtbar in der Landschaft, sondern _statt_ Landschaft…
Nein, alle Landschaften flächendeckend zu verspargeln ist sicher auch nicht Sinn der Sache. Und mancherorts herrscht zurzeit auch Wildwuchs, nicht zuletzt, wenn damit Geld zu machen ist. Eine großräumige Planung ist nötig. Wie immer auch eine Frage der Dosis: Allzuviel ist ungesund. Und dann auch unschön. Und wie wär’s, wenn man die Masten alle in Ortsnähe setzt, wo die Natur eh schon vom Menschen bebaut ist? Das stört wieder die Menschen. Manche mögen das Geräusch nicht. Andere sind vom drehenden Schatten genervt (obwohl die Sonne wandert).
Nicht zuletzt deshalb sind so viele Offshore-Windparks im Kommen. Weit im Meer, um den Horizontblick nicht zu beeinträchtigen… Aber dort könnten dann gehäuft Vögel von den Rotorblättern getötet werden. Und andere Meerestiere gestört werden. Also gar keine Windparks im Meer? Lieber Ölfrachter über die Ozeane schicken oder Pipelines durch Alaskas wilde Einsamkeit? Wie viele Vögel sterben durch das Licht der Großstädte? Wieviele Biotope gingen durch Tagebergbau flöten? Wie entscheidet man sich für das kleinere Übel?
Mamma mia, Fragen über Fragen! Warum kann das Leben nicht einfacher sein?
Also, das moderne Leben, wo man Strom nicht missen will…
Ein positiver Ausblick ist, dass die Windgeneratoren immer höhere Wirkungsgrade erzielen – also mehr Strom mit den gleichen Masten. Oder weniger Masten in der Landschaft – die künstlichen Spargel lassen sich auch ganz schnell wieder abbauen. Anders als so ein Atomkraftwerk zum Beispiel…. Und zudem entwickeln sich Alternativen – Kleinanlagen auf dem Dach in Städten. Oder vertikale Windkraftanlagen, die nicht so hoch sein müssen. Oder oder oder…
Gibt’s ein Fazit? Leider nein, das muss jeder selber ziehen.
Vielleicht ist es ein Trost, dass Lebewesen sich an so gut wie alles gewöhnen können. Nicht nur Vögel und Robben, auch der Mensch. Wer definiert denn eigentlich, dass die Landschafts-Spargel hässlich sind? Wer damit aufgewachsen ist, findet sie „normal“. Manche sogar ganz hübsch, besonders als Kontrapunkt in der Natur. Man denke nur an den Eiffelturm, als der vor 125 Jahren mitten nach Paris gepflanzt wurde: „Tragische Laterne“, „Schandfleck“, „lachhaftes Skelett“ hieß es da bei den Alteingesessenen. Heute sind sie stolz drauf. Oder finden es nur „normal“?
Ein schlechter Vergleich, weil das in einer Stadt war? Na gut, ein letztes Argument für die Windrad-Befürworter: Vor Jahrhunderten „poppten“ in Mitteleuropaüberall große Bock- und Holländerwindmühlen aus der Landschaft. Und waren genauso schnell „monströs“, „hässlich“, „bedrohlich“. Heute sind sie ein Pluspunkt in der Landschaft, die, die noch da sind. Weil sich die Technik weiterentwickelt hat. Vielleicht ist das die Lösung: Schnell bessere Windkraftanlagen entwickeln. Dann weniger davon brauchen. Und die verbliebenen einfach schön finden….
Was meint Ihr?
Hi Dörte, ja, das Thema ist wirklich ein heißes Eisen, und da schlagen auch bei mir ach zwei Herzen in der Brust… Aber so oder so: Das mit dem steigenden Energieverbrauch, das hat keine Zukunft, da steigt die Erde über kurz oder lang einfach aus.
Hallo Karin,
stimmt – weniger verbrauchen, da kann man bei sich selbst ansetzen. Und es macht ’nen schlanken ökologischen Fußabdruck…. 😉
Dann muss nur noch der Rest der Welt mitmachen…
Ein ästethischer Maßstab an die Energieversorgung wird mE nach etwas überbewertet, hauptsache manche haben was zu meckern. Wenn man an die Folgen der fossilen + atomaren Energiewirtschaft denkt, bin ich froh über jedes Windrad, was die ewig gestrigen zerstörerischen Technologien obsolet werden lässt. Leider ist mangels vernünftiger Planung in manchen Gegenden zuviel Windstrom zugebaut worden , dass Leitungskapazitäten nicht reichen und/oder in „Stoßzeiten“ gar nicht alles abgenommen werden kann. Aber im Grundsatz ist die Idee der dezentralen Energieversorgung das einzig sinnvolle gegenwärtig. Im Norden sinds es Windräder, hier in Bayern eher Biomasse, Solar und Wasserkraft, was halt lokal Sinn macht. Dank unseres Wirtschaftssystems werden wir überall , wo Geld zu machen ist , mit fragwürdigen Projekten konfrontiert. Aber lieber Windräder, die man rückstandslos wieder abbauen kann, als irgendwas, was Treibhauseffekt und/oder Atemwegskrankheiten verursacht und sonstwie unseren Planeten verändert und verschandelt (SUV-Panzer-Abgase, Tagebaue, Plastikwirbel, Artensterben und und und…) . Da kann man sich noch endlos drüber auslassen , schließlich zeigt es die Kleingeistigkeit mancher Leuter, die nicht über den Horizont ihrer Erdscheibe gucken wollen.
Hallo Stefan,
danke für Deinen Input.
Mit das wichtigste Argument ist wahrscheinlich „rückstandslos wieder abbaubar“.
Dann können die schönen Landschaften auch Reiseziele bleiben…