Reisen, Städtetrip
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Inferno: Dan Brown in Istanbul

Wer vorhat, in den nächsten Wochen im Kino Dan Brown´s „Inferno“ zu sehen, sollte nun besser nicht weiterlesen. In Istanbul habe ich den Mann kennengelernt, der den Bestsellerautor zu seinem grandiosen Finale inspiriert hat… und natürlich die Filmschauplätze gemeinsam mit ihm erkundet.

Es war im Jahr 2009, als Dan Brown als Stargast zum Jubiläum seines türkischen Verlages in die Stadt am Bosporus eingeflogen wurde.

Serhan Güngör

traf damals das große Los: Er durfte den Autor während seines Aufenthaltes durch Istanbul führen. „Ich habe schon gehofft, dass er meine Stadt in seinen nächsten Roman einbauen würde – allerdings nur gehofft, nicht gewusst.“ Serhan ist auch stolz auf das Erinnerungsfoto und die von Dan Brown geschriebene persönliche Widmung.

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Damals begleiteten die beiden immer zwei Bodyguards. Dan Brown hat sich mit seinen vergangenen Romanen viele Feinde gemacht, unter anderem auch die katholische Kirche. „Ich habe ihm gesagt, vor der katholischen Kirche muss er in Istanbul keine Angst haben“, sagt Serhan Güngör augenzwinkernd. „Außerdem bin ich Ex-Marineoffizier.“ Nicht nur sein Englisch klingt very british, auch sein Humor ist oft so trocken, dass wir nicht wissen: Hat er das jetzt gerade ernst gemeint oder nimmt er uns wieder auf den Arm? Erst wenn er kurz danach ein verschmitztes Grinsen aufsetzt, wird alles klar.  Er ist schon ein echter Typ. (Meine Erfahrungen mit den türkischen Guides sind sowieso sehr gut: Auch unser deutschsprachiger Fremdenführer Ertan, siehe unten neben Serhan, hat ein unglaubliches Wissen über die Symbolik in den Kirchen, weiß Geschichten und Geschichte mit einer Begeisterung rüberzubringen, dass es eine Freude ist, ihm zu lauschen – und er spricht obendrein akzentfrei deutsch.)

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Serhan und der deutschsprachige Guide Ertan.

Serhan inspirierte den Autor zu einer Romanfigur in Inferno

Dass Serhan ein toller Typ ist, muss wohl auch Dan Brown damals gedacht haben. Als ein türkischer Journalist später den Autoren bei einer Pressekonferenz in Italien darauf anspricht, ob die Figur Mirsat in Inferno an Serhan Güngör angelehnt ist, gibt Dan Brown es offen zu: Mirsat, der Mann mit dem schütteren Haar, dessen Brille ihm einen Anflug von Gelehrtheit verleiht und der vor Begeisterung nur so sprüht, wenn er von den kulturellen Schätzen Istanbuls spricht. Dieser Mirsat ist Serhan. Aber wieso beschreibt Dan Brown ihn als schmächtigen Mann? „Nun ja, 2009 war ich noch viel schlanker“, sagt Serhan. „Reiseführer gehen viel häufiger essen als Marineoffiziere, und wir Türken nehmen das Essen sowieso sehr ernst.“ Und dann grinst er wieder. Mehrere Tage lang durfte Serhan dem Autor die Wunder Istanbuls zeigen – und daher haben es auch so einige dieser Schauplätze ins Buch und in den Film geschafft.

Zum Beispiel der Große Basar in der Altstadt. Das Menschengewimmel und die vor Waren überquellenden Läden gehören zu einer Stadtführung unbedingt dazu: Blankpolierte Kupfertöpfe stapeln sich in einem Geschäft, orientalischer Goldschmuck, gleich daneben bunt verzierte Lampen. Die Menschenmengen und das Gewirr bietet das perfekte Setting für eine wilde Verfolgungsjagd in „Inferno“. Auch der Topkapi Palast und die Blaue Moschee finden im Buch Erwähnung, die haben wir natürlich auch besucht.

Aber einer der beeindruckendsten Orte für mich – offenbar damals auch für Dan Brown – ist die Hagia Sophia.

Hagia Sophia

Heute ist sie ein Museum, davor war sie Moschee und davor tausend Jahre lang die größte Kirche der Welt. „Die Hagia Sophia war von solch gewaltiger Größe, dass sie ihren Besuchern meist im ersten Moment die Sprache verschlug“, schreibt Dan Brown. Dem kann ich nur zustimmen. In meinen Fotos kann ich kaum die Ausmaße dieser Kuppel erfassen, wie mögen erst die Menschen vor 1500 Jahren diesen gigantischen Bau empfunden haben?

Weil in Moscheen keine menschlichen Abbildungen erlaubt sind, waren die Mosaike lange Zeit mit Putz verdeckt. Nun ist die Hagia Sophia ein Museum, die Abbilder von Maria und dem Jesuskind in trauter Einigkeit mit islamischen Symbolen haben etwas Friedliches, Versöhnliches. Den Robert Langdon im Roman treibt es allerdings nur zu einem versteckten Ort oben auf der Empore: das Grabmal von Henricus Dandolo:

Im Roman hört die Hauptfigur Robert Langdon ein Plätschern, davon merken wir nichts, weil es draußen nicht regnet. Aber das führt ihn an die nächste Station von Inferno. Und auf diesen Ort war ich am neugierigsten, weil ich ihn mir allein aus der Beschreibung nicht vorstellen konnte:

„Aus dem Wasser ragten in scheinbar unendlichen Reihen Hunderte mächtige dorische Säulen acht Meter in die Höhe. Rote Scheinwerfer strahlten die Säulen von unten an, sodass sie wie ein surrealer Wald wirkten, der sich weit in die Dunkelheit erstreckte.“

Yerabatan Sarayi

Damit sind die unterirdischen Zisternen aus der byzanthinischen Herrschaftszeit gemeint: Yerabatan Sarayi, der Versunkene Palast. Ich konnte mir überhaupt nicht bildlich vorstellen, wie die ehemalige Wasserzisterne der riesigen Stadt Konstaninopel heute ein Veranstaltungsort sein kann. Und wo man dort den „Ground Zero“ des Romans, das verdrehte Haupt einer Medusa finden soll. Und doch ist es genauso wie im Buch:

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Betonstege führen durch die geheimnisvolle Säulenlandschaft, auch die kleine Konzertbühne ist auf Streben erbaut. Im Wasser zu unseren Füßen schwimmen gefleckte Koikarpfen. Schon vor mehr als 1500 Jahren ließ Kaiser Justinian die Zisterne im damaligen Konstantinopel anlegen – als Wasserspeicher für seinen Palast. Noch immer ist das Wasser, das aus dem bewaldeten Hochland von Istanbul stammt, kristallklar. Und ganz am anderen Ende sind sie versteckt, die beiden geheimnisvollen Medusenhäupter, das Ziel von Robert Langdon. Allerdings ist der Grund für ihr Dasein wohl eher Zufall und von den Erbauern kein beabsichtigtes Spiel mit der Symbolik: Die Erbauer unter Justinian haben Reste aus antiken Ruinen für die Zisterne verwendet – und da waren auch die beiden Medusenhäupter dabei, die als Basis für zwei Säulen recycelt wurden. Aber warum man sie liegend oder auf dem Kopf stehen verwendet hat? Das wird wohl doch ein Rätsel bleiben…

 

Und hier liegt auch der mögliche „Ground Zero“ für eine Epidemie, die die Menschheit bedroht. Ob die Wissenschaftlergruppe noch rechtzeitig in die Zisterne kommt, wird dann doch nicht verraten. Vielleicht möchte der eine oder andere Inferno doch noch anschauen…

2 Kommentare

  1. Iris, das ist ja echt klasse. Jetzt hast Du einen ganz anderen Bezug zum Film, wenn Du im Kinosessel sitzt. Mir ging es ähnlich, als ich Aung San Suu Kyi in Burma persönlich kennenlernte, bei ihr zuhause war und dann, Jahre später, im Kino „The Lady“ sah …

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