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1000 Jahre Töpferdorf: Der Herr der Tonkrüge

Tontöpfe beim Trocknen

Sie sind der Fluch eines jeden Bauern: Tonböden lassen sich nur schwer mit Gerät bearbeiten und wasserdurchlässig sind sie schonmal gar nicht. Doch genau das ist für manche Menschen ein Segen, zum Beispiel Johannes Klett-Drechsel im Töpferdorf Fredelsloh am Solling. Er holt sein Rohmaterial aus der eigenen Tongrube – Grundstoff für filigrane Unikate.

Wenn ich diese Töpferwerkstatt betrete, nach ein paar anstrengenden Arbeitstagen, ist das, als würde ich in eine andere Welt eintauchen, eine Welt der Ruhe und Gelassenheit. Die Nachmittagssonne wirft ihr goldenes Licht durch die weißen Butzenfenster, keltische Harfenmusik läuft im Hintergrund. Und unter dem Tisch, an dem Janne Klett-Drechsel ganz in sich versunken arbeitet, schläft ein schwarzer Hund, dessen Schnarchen ab und zu die Harfenmusik übertönt. Vielleicht muss ich deshalb meist lächeln, wenn ich an diese Töpferei denke?

Hinzu kommt, dass Töpfermeister Johannes Klett-Drechsel und seine Tochter Janne, die Diplom-Designerin, Menschen sind, die vollkommen in ihrem Beruf aufgehen. Er sprüht vor Begeisterung, wenn er von den Ursprüngen der Töpferei in dieser Region erzählt. Welches Dorf kann schon mit einer durchgängigen, fast 1000 Jahren währenden Töpfergeschichte aufwarten? Und wer wissen will, wie man in dem alten Lehmofen vor dem Museum „Keramik.um“ (das übrigens auch unter Federführung von Johannes Klett-Drechsel entstanden ist) einen echten mittelalterlichen Holzbrand in Gang setzt, kommt an dem Töpfermeister nicht vorbei. Hier vor Ort erkundet er gemeinsam mit Forschern der experimentellen Archäologie von den Unis in Halle und Göttingen die praktischen Grundlagen des mittelalterlichen Töpferhandwerks. Noch heute steht in seiner Werkstatt nicht nur ein moderner Töpferofen, sondern auch ein Holzofen. „Das ist schwieriger, aber auch spannender, denn je näher die Töpferwaren am Holzfeuer stehen , desto höher die Temperatur. Damit verändert sich auch die Farbe der Glasur“, sagt er, „Wir wissen vorher nie genau, welche Farbe herauskommt, das macht es so interessant.“

Und noch eine alte Tradition hält der Töpfermeister in Ehren: Jede Töpferei im Dorf hat von alters her eine eigene Tongrube. Dieser Betrieb ist der einzige, der noch den originalen Fredelsloher Ton benutzt: „Dieser Ton lässt sich nicht gießen oder auf andere Weise industriell verarbeiten“, erklärt der Klett-Drechsel. Dafür hat er ganz andere Vorteile: Tochter Janne formt auf der rotierenden Töpferscheibe eine zarte Tasse mit filigranen Wänden. „Das macht so einen Spaß, so dünne Wände können sie mit anderem Ton gar nicht hinbekommen“, sagt sie. Und weil dieser spezielle Ton auch viel höhere Temperaturen aushält als üblich, kann die Töpferfamilie auch die Farbspiele der Glasuren weit treiben. Auch die stellt Klett-Drechsel übrigens selbst her, mit einer Glasurmühle aus dem 19. Jahrhundert – original aus echtem Sollingsandstein:

Wer Lust hat, selbst einmal zu töpfern wie einst, hat dazu bei einem Mittelalter-Töpferseminar vom 19. bis 21. Juni im Gelegenheit. Das Seminar im Töpferdorf findet in dieser Zeit täglich zwischen 10 und 17 Uhr statt.
Anmeldungen im KERAMIK.UM oder unter 05555-416

Am 27. Juli soll außerdem mit dem Bau eines Schwarzbrandofens ein weiteres Stück Mittelalter erforscht werden. Anmeldung siehe oben.

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