Nahezu allein den Fluss hinab paddeln, Biberburgen am Ufer, abends brennt vorm Zelt das Lagerfeuer – eine Kanutour auf dem schwedischen Svartälven ist Outdoorromantik pur.
Helle Nächte, lange Tage
Draußen dämmert es schon wieder. Um 3.47 Uhr geht im Frühsommer die Sonne auf, hier in Schweden auf der Höhe von Stockholm. Davor war es aber auch nicht wirklich dunkel. Ab 23 Uhr, als die Sonne hinter dem Wald verschwunden war, hat es über dem Svartälven gedämmert, irgendwann gegen ein Uhr nachts war es einigermaßen dunkel. Um schon bald wieder heller zu werden.
Ich liebe diese langen, hellen nordischen Tage. Das Gefühl von Sommer, das einem die weite Natur hier oben gibt. Windstill, wie es heute Nacht ist, scheint jedes Geräusch außerhalb des Zeltes extra laut zu sein. Ein Knacken im Unterholz, vielleicht ein Fuchs? Die ersten Vögel, die nachts um drei anfangen zu singen. Ein lautes Platschen im Wasser, wenn ein Fisch springt. Zapfen, die vom Baum fallen. Oder werfen Trolle sie? Alleine mit den Kräften der Natur, in der überwältigenden Stille der Nacht und später im Zwielicht, scheint alles möglich.
Regentag
Schon bald werde ich mich nach der Stille zurücksehnen, wenn der Wind dunkle Wolken vor sich hertreibt und der Regen so gnadenlos herabprasselt, so dass wir, statt weiter zu paddeln, lieber einen Pausentag einlegen. Und so jetzt mit der ganzen Familie unter dem aus einer schlichten, scheußlich blauen Baumarktfolie gebastelten Tarp sitzen und Karten spielen. Oder im Unterstand aus Holz hocken und versuchen, das Feuer in Gang zu halten. Feuer und Wasser, hier gehören sie untrennbar zusammen. Tagsüber bestimmt das Wasser das Fortkommen, abends prasselt ein Lagerfeuer, hält uns warm und die Mücken einigermaßen fern. Denn die nerven echt. Die Kinder laufen ganzkörpervermummt durch den Wald, aber die Biester – allen voran die Knott, die kleinen, fiesen Gnitzen – finden trotzdem immer einen Weg, Blut saugen zu können. Wenn es juckt, können auch die gegrillten Marshmallows, die jeden Abend noch besser gelingen, nicht die Laune heben. Sonst aber schon.
Fern von allem
Tagsüber auf dem Wasser sind die Insekten zum Glück kein Problem. Wir paddeln den träge dahin fließenden Svartälven hinab, der sich mal zu einem See weitet, mal ein Wehr hinab stürzt. Wehr bedeutet Arbeit: Dann ist umtragen angesagt. Auf kleinen Inseln machen wir Rast, schaukeln in der flugs aufgehängten Reisehängematte zwischen hohen Bäumen. Da schaukeln wir dann allein, denn: Wir treffen während der mehr als einen Woche auf dem Fluss kaum eine Menschenseele.
Die Jugendgruppe auf dem Platz während unserer Regenpause ist eine willkommene Abwechslung vom Alleinsein. Schon sind wir zu Chili con Carne und Kaffee eingeladen und hören uns an, welche Abenteuer die Gruppe erlebt hat, als sie medizinische Versorgung brauchte – nicht ganz einfach hier in der Abgeschiedenheit, wo die nächste Krankenstation schonmal hundert Kilometer entfernt ist. Und wenn der einzige Krankenwagen der Region sich weigert, jemanden mit Bauchkrämpfen mitzunehmen, um für echte Notfälle bereitzustehen. Was ja auch irgendwie verständlich ist. Wir schlucken trotzdem und nehmen uns vor, noch vorsichtiger beim Hantieren mit dem scharfen Messer und beim Feuermachen zu sein. Und die Horrorszenarien, die gerade vor dem inneren Auge abgelaufen sind, schnell wieder zu vergessen.
Eine Woche Auszeit vom Alltag
Aber bis auf die vielen Insektenstiche sind keine Blessuren zu beklagen, als wir schließlich zurück sind im Hällefors Vandarhem och Kanotcenter, das der ausgewanderte Niederländer Sico mit seiner Familie betreibt. Hier sind wir vor acht Tagen gestartet, haben ein großes Kanu und ein wendigeres Kajak und wasserdichte Ausrüstung bekommen und wurden rund 50 Kilometer flussaufwärts gefahren. Abends hat uns Sico immer mal wieder mit Infos per SMS versorgt, etwa, wenn eine Gewitterfront nahte. Sonst blieb das Handy aus, Strom sparen. Musste ja reichen für die gesamte Zeit, denn Infrastruktur gab es wirklich keine. Inzwischen haben die Ferien in Schweden begonnen und viele Kanus sind verliehen. Gerade ist wieder eine Jugendgruppe gestartet. Ganz einsam dürfte es nun also nicht mehr sein auf dem schwartezn Fluss. Aber wirklich voll wird es trotzdem nie, beteuert Sico. Dafür gibt es hier oben einfach genug Natur für alle.
Mehr Schwedeninfos: Visit Sweden
Die Reise habe ich komplett selbst bezahlt. Wäre es anders, stände hier, wer sie unterstützt hat.