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Eiserner Vorhang: Spurensuche im Grenzgebiet Tschechien-Österreich

30 Jahre Mauerfall. Vor dreißig Jahren schlug auch das letzte Stündlein für den Eisernen Vorhang. Die Grenzgebiete zwischen Ost und West erwachten aus dem Dornröschenschlaf, so auch die Grenzregion zwischen Tschechien und Österreich. Wie sieht es heute aus entlang einer der ehemaligen europäischen Ost-West-Linien, und welche Spuren findet man noch aus dem Kalten Krieg? Fragt man Svatava Holubová, was das Beste am Verschwinden des Eisernen Vorhangs sei, so antwortet sie: „Dass ich meine Freunde und Verwandten besuchen kann, wann immer ich will.“ Teil der Grenzanlage mit Info-TafelSvatava Holubová lebt in Čížov in Tschechien, an der Grenze zu Österreich. Während des Kalten Krieges war es kompliziert, Freunde und Verwandte zu besuchen. Eigentlich wohnten sie bloß ein, zwei tschechische Dörfer weiter, aber ans Ziel kam Svatava Holubová nur mit vier Passierscheinen, beim Gang durch vier Kontrollstationen. Jede Bewegung der Menschen im Grenzgebiet wurde registriert und dokumentiert.

Grenz-Dokumentation am E13-Radweg bei Mikulov

Heute liegt Čížov im Nationalpark Podyjí, und Svatlana Holubová arbeitet dort im Nationalparkzentrum. Vor der Tür führt der europäische Fernradweg EuroVelo 13 vorbei, bekannt als Iron-Curtain Trail. Er folgt  dem früheren Verlauf des Eisernen Vorhangs von der Barentssee im Norden bis zum Schwarzen Meer (unglaublich, wie lang diese Grenze war!)

Original des Eisernen Vorhangs

Wir besuchen in Čížov das  Nationalparkhaus, aber das eigentliche Highlight steht draußen vor der Tür, ein Original des Eisernen Vorhangs: Zwei, mehrere Meter lange, parallel verlaufende Reihen Stacheldrahtzäune. Dazwischen liegt ein breiter Grünstreifen. Die Anlage wurde 1952 errichtet, und man hielt den Boden zwischen den Zäunen stets fein säuberlich gerecht, erzählt Svatava Holubová, so waren Fußspuren darauf leicht zu erkennen. Und sie fügt hinzu: „Der Eiserne Vorhang war mit tödlicher elektrischer Spannung versehen, erst nach internationalen Protesten schaltete man den Strom 1965 wieder ab.“

Panzerkreuze sicherten die Grenze

Zu den Grenzbefestigungen mit Todesstreifen gab es noch einige Kilometer  Sperrgebiet. Teils Niemandsland, in dem sich die Natur ungestört entfalten konnte. Manche dieser Landstriche wurden dann in den neunziger Jahren unter Schutz gestellt. So geschah es auch um Čížov, dort entstand 1991 der Nationalpark Podyjí. Fast zehn Jahre später erweiterte man das Schutzgebiet grenzüberschreitend, es kam ein kleines Gebiet unter dem Namen „Nationalpark Thayatal“ auf der niederösterreichischen Seite hinzu.

Der kleinste Nationalpark Tschechiens

Blick ins Tal der Thaya

Podyjí ist der kleinste Nationalpark in Tschechien. Er liegt zwischen Znojmo und Vranov, zählt rund 63 Quadratkilometer. Podyjí schützt das Flusstal der Thaya, auf Tschechisch Dyje, sie bildet die Grenze zwischen beiden Ländern.

Znojmo: Tor zum Nationalpark

Die Thaya windet sich durch die Schluchten im Nationalpark, ein verträumtes Flüsschen mit dichtem Waldteppich an den Ufern. Wanderwege führen durch Eichen- und Buchenwälder, in den Flussauen leben Schwarzstorch, Fischotter und Siebenschläfer. Weiter oben an den Hängen verläuft der EuroVelo 13. Da öffnet sich der Wald, er macht Platz für die Weinberge.

Tschechiens ältester Weinberg

Weinausschank am Sobes

Bei Tschechien denke ich zuerst an Bier, nicht an Wein. Tatsächlich hat bei unseren osteuropäischen Nachbarn der Weinanbau eine lange Tradition, dabei gilt Mähren als größtes Anbaugebiet. Hier liegt auch der älteste Weinberg, der Šobes, er erhebt sich über dem Tal der Thaya. Zu Fuß oder mit dem Rad kann man nahe dem Ort Podmolí diesen Südhang mit bester Weinlage überqueren. Wir radeln zum Probierstand, da wird „Ryzlink rýnský“, der tschechische Rheinriesling, ausgeschenkt. Ein seltener Genuss, denn kaum ein Tropfen aus Mähren wird exportiert, fast alles wird in Tschechien selbst konsumiert.

Weinfass im Barockschloss

Das gut erhaltene Schloss in Mukulov

Umgeben von Wald und Weinbergen thronen über dem Tal der Thaya etliche Burgen und Schlösser. Europäischer Adel gab sich hier früher die Klinke in die Hand. Wir folgen weiter der Linie des Eisernen Vorhangs in Richtung Slowakei und erreichen das schöne Städtchen Mikulov. Die Stadt überragt ein Barockschloss, in dessen Kellergewölbe ein riesiges Weinfass  aus dem 17. Jahrhundert lagert.  Mikulov war ein bedeutender Ort auf der Handelsroute zwischen Wien und Brno, erzählt die Stadtführerin, ein Herrschaftszentrum der Liechtensteiner, dann residierten dort die Grafen von Dietrichstein. Mikulov hat eine wechselvolle Geschichte erlebt, geprägt von der Zeit des Nationalsozialismus, Zweitem Weltkrieg und schließlich die Jahre kommunistischer Herrschaft,  in denen die Stadt an den Rand gedrängt wurde. Ins Niemandsland zwischen Ost und West.

Heute ist der alte Glanz zurück, es strahlen die barocken und mittelalterlichen Fassaden, und die  renovierte Synagoge zeugt davon, dass Mikulov einst Zentrum der mährischen Juden war.

Tor zur Freiheit am EuroVelo 13

Außerhalb der Altstadt verläuft eine Eisenbahnlinie. Sie lag früher direkt an der scharf bewachten Grenze Tschechiens. Parallel zur Bahnlinie radeln wir wieder auf dem EuroVelo 13, und am Rande dokumentieren Schautafeln die Grenzgeschichte, berichten von verzweifelten Fluchtversuchen. Dann kommt das „Tor zur Freiheit“, ein Mahnmal, das an die Grenztoten erinnert: Insgesamt 53 Eisen-Stelen ragen in den Himmel, für 53 getötete Menschen. Doch manche hatten auch Glück, ihnen  gelang die Flucht. Wie etwa den vier jungen Männern, die einen Tunnel unter dem Eisernen Vorhang hindurch gruben und so den Westen erreichten.

 

Ein Dankeschön für die Unterstützung der Reise geht an Czech Tourism.

Noch mehr Infos über die Region findet ihr hier: www.suedmaehren.info

Ein Tipp, wenn ihr vor Ort seid: Im kleinen Museum des Eisernen Vorhangs in Valtice (www.muzeumopony.cz) gibt es  viele Originalstücke aus dem Alltag der Grenzschützer zu sehen.

… und einen Beitrag zu Federweißem aus Tschechien von Dörte gibt´s hier.

Über Karin Kura

Draußen ist es am schönsten. Egal, ob als Reisejournalistin oder privat, unterwegs in der Natur bin ich am liebsten. Aber bloß nicht frieren!

So klingt es vielleicht komisch, dass ich von Haus aus Skandinavistin bin, in Norwegen habe ich gelebt. Und dann die Himmelsrichtung gewechselt.

Jetzt würde ich gerne Spanisch lernen. Wenn mal Zeit dafür bleibt. Vielleicht ja auf meiner Lieblingsinsel: La Gomera.

3 Kommentare

  1. Ein sehr schöner Beitrag mit tollen aussagekräftigen Fotos. Diesen Teil des eisernen Vorgang kannte ich noch nicht. Ich bin den ehemaligen Kollonenweg ( Grünes Band ) von Bayern bis zur Ostsee gewandert . Eine Tour die viel Nachdenklichkeit weckte, die aber sehr zu empfehlen ist.
    LG Werner

  2. kariwana sagt

    Lieber Werner, danke für deinen Kommentar! Das Grüne Band klingt auch sehr verlockend, gibt es da einen durchgängig beschilderten Wanderweg – oder hast du dir die Strecke selbst zusammengepuzzelt? Steht auf jeden Fall auch auf meiner To-Do-Liste… LG Karin

  3. Es gibt für diese Strecke auch Infomaterial . Schau mal im Net unter “ Wandern Grünes Band“ . Die Strecke erklärt sich auch zum Teil von allein . Es ist der ehemalige Kontrollweg der DDR Grenzsoldaten.. Er führt vorbei an viele Gedenkstätten und durch einmalige Natur. Es gibt auch eine Filmdoku ,Der Naturfotograf und Filmer Anderas Kieling ist diese Strecke auch gelaufen, es gibt einige kleine Filmchen darüber im Net.
    LG Werner

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