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Nikolaus in Peking

Dezember 1993: Ich lebte schon seit 10 Monaten im Studentenwohnheim des Beijing Language Institutes und lernte fleissig Chinesisch. Ich war mit meinen 38 Jahren sicherlich eine der ältesten Studentinnen. Manchmal kam ich mir allerdings vor, als wäre ich 10 Jahre alt und ginge zur Grundschule. So ähnlich war das Studium damals, komplett mit einer schrillen Pausenklingel, Frontalunterricht, Klassenarbeiten usw. Manchmal war das schwer zu ertragen. Das Heimweh packte mich. Besonders im Dezember, während der Weihnachtszeit sehnte ich mich nach Zuhause, nach Kerzen, dem Duft von Spekulatius und Lebkuchen, den Lichtern der weihnachtlich geschmückten Städte. Davon war in Peking nichts zu spüren. Öffentliche Weihnachtsdekorationen waren verboten. Nur ein paar der Luxus-Hotels hatten Weihnachtsbäume aufgestellt.

Als ich gerade glaubte, dass alles nur öde und dunkel sein würde während Weihnachten, als wir gerade erfahren hatten, dass wir ausländischen Studenten auch an Weihnachten Unterricht haben würden, da passierte es: Ich fand die Nachricht, dass ich ein Paket bekommen hatte. Aufgeregt rannte ich zum Postbüro: Ein Paket von meiner Mutter!

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Ach, meine liebe Mutter wusste genau, wie ich mich gerade fühlte, was ich jetzt brauchte! Auf meinem Zimmer packte ich aus: Diverse Konserven mit Leberwurst und Sardinen, Marmelade, ein kleiner Christstollen, Spekulatius, Lebkuchen, Aachener Printen und oben drauf ein grüner Tannenzweig mit einer Christbaumkugel und einer roten Schleife. Auch eine Kerze fehlte nicht!

Das tollste war aber eine Packung Glühfix. Ich traute meinen Augen kaum! Da würde es also möglich sein, Glühwein zu machen. Ja, doch, es gab einen ganz ordentlichen Rotwein in dem Kaufhaus in der Nähe zu kaufen! Hach, Glühwein!

Ganz begeistert erzählte ich dies anderen deutschen Studenten. Die machten große Augen! Glühwein! Was für ein eben noch fast unvorstellbarer Genuss hier im kalten Peking! Schnell war der Entschluss gefasst: Am nächsten Tag war der 6. Dezember – Nikolaustag! Den würden wir zünftig und ganz traditionell zusammen feiern!

So trafen wir uns am nächsten Nachmittag auf einem der kleinen Zimmer, zehn zwölf deutsche und deutschsprachige Studentinnen und Studenten. Jeder hatte etwas mitgebracht: Kekse, Wein, Kerzen. In der Mitte stand die kleine Kochplatte und in einem großen Topf brodelte der Rotwein. Schnell die Teebeutel mit dem Glühweingewürz hinein und schon zog ein köstlicher Duft von Anis, Zimt und Nelken durch den Raum! Der erste Becher lockerte die Stimmung. Das Heimweh brach sich Raum. Auch der coolste von uns sang mit feuchten Augen Weihnachtslieder.

Da auch ein ehemaliger Pastor unter uns war, rief bald jemand, dass er uns doch vom Heiligen Nikolaus erzählen möge. Hans zierte sich ein wenig. Doch dann begann er zu erzählen: Von dem Bischof in der fernen türkischen Stadt Myra, der im 3. oder 4. Jahrhundert vielen Menschen geholfen haben soll. Dabei sorgte sich Nikolaus besonders um die Kinder.

Eine feierliche Stimmung herrschte. Vergessen waren die Kälte und die Dunkelheit draußen. Was für ein schöner Nachmittag!

Dieser Gastbeitrag stammt von Ulrike Hecker, Jahrgang 1955. Sie schreibt auf ihrem Reiseblog www.bambooblog.de von ihren Reiserfahrungen. Besonders China hat es ihr angetan. Neben vielen Reisebrichten findet ihr Tipps, Sehenswürdigkeiten und Informationen zu diesem spannenden Reiseland.

5 Kommentare

  1. Hallo!
    Danke! Das ist sehr schön geworden. Insgesamt hebt sich Eure Adventskalender-Serie positiv von anderen ähnlichen Aktionen ab.
    Ich wünsch noch eine schöne Adventszeit
    Ulrike

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