Nein, Theodor habe ich in Husum nicht getroffen. Weder Storm noch einen anderen. Dafür Heinz, der nicht nur alle Gedichte seines „Busenfreundes“ Theodor Storm auswendig kennt, sondern mir auch viel Persönliches über den Autor erzählt hat. Zum Beispiel, dass Storm zwei Geburtstage hat und deswegen ziemlich sauer war.
Auf der Fahrt von Hamburg nach Husum platterte es aus alle Rohren. Grauer Himmel, graue Felder, grauer Deich – und die graue Stadt am Meer. Diesen wenig charmanten Beinamen verdankt sie ihrem berühmtesten Sohn Theodor Storm.
Aber von wegen nur grau. Stormkenner und Stadtführer Heinz Mühlenbeck erwartete mich zu einem guten Frühstück im Schlosscafe. Fing ja schon einmal gut an. Bei Kaffee, Kakao und Käsebrötchen brachte er mir den Dichter, Richter, Rechtsanwalt und Menschenfreund näher. Geboren wurde er um Mitternacht am 14. September 1817, im Taufregister steht allerdings der 15. September. Storm soll sich darüber ziemlich empört haben. „Ich trau da meiner Mutter mehr als den Pröbsten, sie war schließlich mit dabei.“ Klingt plausibel.
Später wandelten Heinz Mühlenbeck und ich auf Storms Spuren durch die Stadt:
Geburtshaus, sämtliche Wohnsitze und schließlich das Storm-Haus mit dem Poetenstübchen, einem in Ochsenblutrot gestrichenen Zimmer mit dunkler Holzdecke und dunklen Dielen. Etwas duster und bedrückend. „Ich brauche die räumliche Enge, um gedanklich in die Weite zu gehen“, glaubte Storm.
Husum ist auch ohne Storm ein super nettes Städtchen. Kleine Läden, Boutiquen und hübsche Restaurants. Wenn das Wetter mitspielt, kann man überall draußen sitzen und Menschen, Möwen und die Schiffe im Hafen beobachten. Hier gibt es sogar noch echte Krabbenkutter, die ihren Fang direkt von Bord verkaufen. Das konnten wir leider nicht, wegen Sturms blieben die Schiffe im Hafen.
Durchgepustet, mit rot gefrorenen Händen (selbst schuld, wer Ende Mai ohne Handschuhe das Haus verlässt) und mit vielen neuen Eindrücken habe ich Husum wieder verlassen. Ich komme wieder bei Sonnenschein oder spätestens zu Weihnachten, wenn es ein Storm-Essen und eine Lesung (von Heinz Mühlenbeck) gibt. Der gute, alte Theodor war bekennender Weihnachts-Freak, der selbst die Tanne mit bemalten Zapfen und Süßigkeiten geschmückt hat.
Zum Schluss das Gedicht Die Stadt, das wohl jeder Husumer kennt:
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.