Bei norddeutschem Winter denkt man vor allem an viel Grau und Regen – ja, gab es beides zur Genüge. Aber auch überraschend viele Farben: auf Wangerooge im Winter.Silvester feiern war noch nie so mein Ding. Vor allem der stundenlangen Knallerei würde ich inzwischen am liebsten jedes Jahr wieder entfliehen. Und so ging es zum Jahreswechsel endlich mal wieder weg – mit der ganzen Familie auf die Insel. Wir haben in Niedersachsen ja gleich sieben bewohnte Ostfriesische Inseln zur Auswahl (und dazu kommen ein paar unbewohnte Sandplaten). Die Wahl fiel auf das autofreie Wangerooge im Osten der Inselkette, nachdem ich zuletzt auf Borkum ganz im Westen war. Doch da war Spätsommer – wie würde es wohl im Dezember auf Wangerooge sein?
Wangerooges Dünen im Osten
Wer bei Winter an schneebedeckte, sonnige Hänge à la Alpen-Skiurlaub denkt, kennt den original norddeutschen Schmuddelwinter nicht: grau, nebelig, regnerisch, windig, ab und zu Sonne – so muss das hier. Und so war auch unsere Wangerooge-Woche: Zeitweise prasselte stundenlang Regen auf das Dach der Ferienwohnung – super gemütlich mit Tee und Buch.
Und sobald es trocken war, raus! So führte die erste lange Tour in den Osten der Insel, durch Dünen am später gefühlt endlosen Strand und bis zum alten Schiffsanleger. Die erste große Insel-Überraschung: Schickte die Sonne ein paar Strahlen durch die Wolken, strahlte die Dünenlandschaft in unzähligen Farben. Nicht nur Gelb- und Braunschattierungen, auch Orange, Hellgrün und Olivtöne mischten sich da vor dem Grau und Blau des Himmels. Von wegen Braundüne (wie diese bewachsene Form der Düne korrekt heißt)! -Buntdüne!
Wenn man genauer hinschaute, eröffneten sich im Mikrokosmos der Dünenlandschaft ganz eigene Welten. Da gab es trockene Stranddisteln, die an Weihnachtssterne erinnerten, überraschend quietschgrüne Moose und kleine graugrüne Flechten mittendrin. Ab und zu erinnerten Schilder daran, dass die Dünen geschützt sind und nicht betreten werden dürfen. Warum auch: Die Kleinode fanden sich alle direkt am ausgewiesenenen Weg. Und für den Weitblick gab es die Jever-Plattform mittendrin. Fernglas nicht vergessen!
Über den Oststrand zum alten Schiffsanleger
Wer heute nach Wangerooge kommt, betritt die Insel im Westen. Dort befindet sich der Hafen, an dem die Schiffe von Harlesiel kommend tidenabhängig anlegen. Die Inselbahn zuckelt die Besucher von dort ins Inseldorf. Doch das war nicht immer so. Im Jahr 1903 errichtete man ganz im Osten der Insel einen weiteren Anleger, den die Schiffe unabhängig von Ebbe und Flut anlaufen konnten. Eine gut fünf Kilometer lange Bahnlinie verband auch hier den Hafen mit dem Inselbahnhof. Doch als nach dem Zweiten Weltkrieg Helgoland wieder für Besucher geöffnet wurde, zogen diese die Hochseeinsel dem beschaulichen Wangerooge vor. Das ständige Ausbaggern der Fahrrinne oder Reparaturen nach Sturmflutren lohnten sich für die wenigen Fahrgäste schon bald nicht mehr; 1958 gab man den Hafen auf. Seitdem versandet er weiter, heute sind nur noch lange Reihen von ins Watt gerammten Holzpflöcken zu sehen.
Ein Spaziergang hierher lohnt sich aber weiterhin allemal, vor allem bei Ebbe. Denn der Oststrand von Wangerooge ist unfassbar weit. Auf der einen Seite der Dünenkamm, auf der anderen in weiter Ferne die Nordsee, fegt der Wind Sand über den Boden und tupfen mancherorts Muscheln bunte Punkte hinein. Andere Menschen trifft man kaum. Hier kann man einfach meditativ durch den Sand stapfen, die gesunde, salzhaltige Luft atmen und dem Wind lauschen.
Zurück ins Inseldorf sind wir dann auf der anderen Seite von Wangerooge gewandert, an Watt und Salzwiesen entlang und begleitet von einem vielstimmigen Piepen und Zwitschern: Austernfischer, Rotschenkel, Lachmöwen, Brachvögel, Alpenstrandläufer und viele mehr suchen bei Ebbe im fruchtbaren Watt (das zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und zum UNESCO-Biosphärenreservat Niedersächsisches Wattenmeer gehört) nach Würmern und Muscheln. Und auf der anderes Seite des Weges, am Fuße der Dünen zeigten sich einmal sogar drei stattliche Fasane im Gras.
Wangerooge bei Nacht
Im Dezember sind die Tage in Norddeutschland kurz. Gegen 16 Uhr beginnt es schon wieder dämmrig zu werden. Also muss man auch im Dunkeln raus. Während vor dem Inseldorf am Strand noch einiges los ist, Hundebesitzer ihre Tiere laufen lassen und hier und da eine Taschenlampe aufleuchtet, wird es nur wenige hundert Meter weiter schön ruhig. Und dunkel. Ohne Lichtverschmutzung kann man jetzt super Sternbilder anschauen. Oder versuchen, die Leuchttürme und Bojen der Umgebung einzuordnen. Hilfe dabei bietet Wangerooge bei Nacht, einer Veranstaltung des Nationalparkhauses Wangerooge. Begleitet von zwei jungen Mitarbeiterinen haben wir dabei zwar leider keine Sterne gesehen, aber einiges über die Leuchtfeuer der Umgebung gelernt. Und über den Schiffs- und Frachterparkplatz gestaunt: In der Fahrrinne vor Jadebusen und Wilhelmshaven lagen die Schiffe nachts wie Perlen auf der Schnur. Ein echter Verkehrsknotenpunkt.
Tagüber informiert das Nationalparkhaus Wangerooge mitten im Ort über die Natur im Schutzgebiet, insbesondere über die Vogelwelt. Das kleine Info-Zentrum am Park ist kaum zu übersehen, denn davor ist das Skelett eines im Jahr 2016 vor Wangerooge gestrandeten Pottwals ausgestellt.
Nach Westen ins Sanddorntal
Wangerooges Wahrzeichen ist das Café Pudding. Das kreisrunde Café steht auf einer Düne an der Stelle, an der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Seezeichen, eine Bake, der Schifffahrt den Weg wies. Schon damals umrundete man sie gern bei einem Spaziergang einmal, ging (eine norddeutsche Redensart) „einmal um den Pudding“. In Zweiten Weltkrieg stand hier dann ein Bunker, anschließend wurde nach einem Kuchen- und Eiskiosk das runde, komplett verglaste Café Pudding errichtet. In dem schmaust man nun bei Panoramablick hausgebackenen Kuchen (Pudding gibts natürlich auch).
Folgt man vom Café aus der Promenade nach Westen, endet diese nach ein paar Kneipen am Gesundheitszentrum und Meerwasser-Erlebnisbad Oase. Am Strand davor toben Hunde im Sand und drehen Drachen Kreise im Wind.
Geht man nun weiter nach Westen und ein wenig ins Inselinnere, kommt man ins Sanddorntal. In der Ferne zeichnen sich der Leuchtturm Wangerooge mit seinem bei Nacht roten Lichtsignal und der Westturm ab, in dem die Insel-Jugendherberge untergebracht ist. Wie im Osten erstrecken sich auch im Westen Braundünen, die später in weite Salzwiesen übergehen. Und im Sanddorntal wachsen, zwischen die Dünen geduckt, die namensgebenden Sanddornsträucher. Jetzt im Winter tragen sie natürliche nicht ihre kleinen orangefarbenen, sehr gesunden Früchte (aber man kann in den Cafés oder in der Ferienwohnung natürlich trotzdem leckere Sandornschorle trinken. Oder sich bei einer Massage mit Sanddornöl in der Oase verwöhnen lassen).
Und auch hier: Das ganze Tal strahlt plötzlich in warmen Farben, als die Sonne für einen Moment durch die Wolken bricht. Der Wind fegt unbeeindruckt weiter in Böen über die Landschaft. Inselwinter at its best und einfach ein Moment zum Genießen. Denn schon fünf Minuten später prasseln die nächsten Tropfen zu Boden.
Infos zu Wangerooge
Hier findet ihr alle Infos der Kurverwaltung Wangerooge. Und hier die Öffnungszeiten des Nationalpark-Hauses Wangerooge.
Hinkommen: Mit der Fähre und dann weiter mit der Inselbahn. Tickets könnt ihr hier buchen. Wangerooge ist autofrei, man fährt Rad oder geht zu Fuß.
Tipp: Ganz Harte baden natürlich auch im Winter in der Nordsee. Wer es lieber wohlig warm hat, kann im Meerwasser-Erlebnisbad Oase in kuschelig warmem Salzwasser planschen. Besonders entspannend ist dort die Sanddorn-Inselzeit mit Wohlfühlmassage und warmem Meerwasser-Wannenbad mit Sanddornöl und -extrakten.
Noch ein Tipp: Wer es ruhig haben möchte (und keine schulpflichtigen Kinder hat), meidet am besten die Zeit zwischen Weihnachten und Anfang Januar. Dann herrscht nämlich Hochsaison auf der Insel. Danach wird es aber sehr ruhig. Achtung, auch einige Cafés und Restaurants machen nun Winterpause bis Ostern.
Mehr Nordsee? Haben wir. Zugvögeltage, das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven und Herbst in Nordjütland.
Danke an die Kurverwaltung Wangerooge für die Einladung zur Sanddorn-Inselzeit in der Oase und zur Teilnahme an der Veranstaltung Wangerooge bei Nacht des Nationalpark-Hauses Wangerooge!
Sehr gut geschrieben. Informativ!
Der Artikel macht große Lust, auch mal die ostfriesischen Inseln zu erkunden.
Auf jeden Fall! Ich kenne auch noch nicht alle… 🙂
Wunderschöne Bilder! Herzlichen Dank fürs Zeigen! 🙂