Als ich den Beitrag von Silke gelesen habe, wurde mir wieder klar: Ich hatte verdammt viel Glück. Einen Bären in freier Wildbahn zu sehen, ist nämlich ein kleines Wunder, sogar im Bärenland Kanada. Und in Westeuropa? Da erst recht. Aber genau dort habe ich ihn erblickt, meinen ersten „Oso“ in freier Natur, in den Bergen von Asturien. Herzklopfen, Hochgefühl, Händezittern…unbeschreiblich.
Aber nun von Anfang an: Übernachtet haben wir zunächst in einem hübschen ehemaligen Kloster in Cangas del Narcea.
Von hier aus ging es dann später in die Berge, in das Dorf Tablado im Naturpark „Fuentes del Narcea, Degaña y Ibias“, einem UNESCO-Biosphärenreservat.
Dort treffen wir nun auf Victor und Vitorino Garcia: „Mein Onkel und ich, wir sind die beiden Verrückten in dieser Region“, sagt Victor. Sie sind nicht nur verrückt nach dieser Natur, bieten Bären- und Wolfsexkursionen an, sondern erhalten auch als letzte die 300 Jahre Tradition der „Cunqueiru“ am Leben, der traditionellen Holzschnitzer.
An den Wänden ihrer Werkstatt hängen auch Ziegenfelle für Trommeln, die sie selbst bauen. Nebenbei sind sie auch noch Imker und produzieren eigenen Honig und vermieten Zimmer. Aber heute sind sie als „Bärenverrückte“ gefragt. Wir erfahren, dass von den vier Dörfer der „Cunqueiru“ bereits drei verlassen sind. Und dass es überhaupt erst seit 50 Jahren eine befestigte Straße in diese einsame Gegend gibt. Heute ein Segen: „Weil die Natur hier noch so intakt und vielfältig ist, gibt es überhaupt Bären“, sagt Vitorino. Im Gegensatz zu den Pyrenäen, wo die Tiere bereits ausgestorben waren und nun wieder ausgewildert wurden, ist der Bestand hier in Asturien nie ganz verschwunden. Er war allerdings schon einmal auf rund 40 Tiere dezimiert, inzwischen haben sich die Bären wieder vermehrt, es gibt wieder rund 200 von ihnen. Trotzdem macht uns Vitorino wenig Hoffnung, dass wir tatsächlich einen der Petze erblicken werden. „Bären sind Einzelgänger – außer in der Paarungszeit – und das Revier eines Tieres umfasst sieben bis elf Quadratkilometer“. Aber eines kann er uns versichern: Dass wir auf jeden Fall Bärenspuren finden werden. Egal, denke ich, schon die Landschaft hier oben ist die Reise wert. Wir sehen eine Blindschleiche, Wildblumen und genießen die Sicht über die unendlichen Wälder und Bergkuppen:
Bei der Bärensuche teilen wir uns auf: Vitorino geht mit Fernrohr bergauf, um die gegenüberliegenden Berghänge abzusuchen. Und wir folgen Victor den Hang hinab ins Farndickicht und suchen Bärenspuren, die finden wir auch: Kratzspuren und sogar Haare, weil die Tiere sich an den Bäumen schubbern. Die spürt Victor mit der Lupe auf. Ein aufgebuddeltes Ameisennest zeigt, dass Meister Petz ganz verrückt auf die proteinreichen Insekteneier ist. Auch bei den Bienen ist es nicht vorrangig der Honig, der die Bären so anzieht, sondern deren Eier.
Victor erzählt uns auch, dass Bären bei den Menschen hier beliebter sind als Wölfe. Erstere sind Allesfresser, nehmen vor allem von pflanzliche Kost zu sich, während Wölfe als reine Jäger auf tierische Nahrung angewiesen sind – und damit in direkte Konkurrenz zum Menschen treten.
Und dann erschallt ein Ruf von oben. Vitorino hat etwas entdeckt, am gegenüberliegenden Hang. Wir marschieren in Windeseile bergauf. Weil leider meine Kamera kein Super-duper-Teleobjektiv hat wie es Tierfotografen besitzen, sieht man auf den Fotos so gut wie nichts. Aber dafür kann ich durch das Fernrohr dabei zusehen, wie sich der „Heidelbär“ (eine Wortschöpfung meines Journalistenkollegen Martin Wein) durch eine Lichtung mit, genau, Heidelbeerbüschen mampft. Und – Smartphone sei dank – am Ende gelingt dann tatsächlich noch ein Videoaufnahme von unserem jungen Bären (letzteres erkennt man daran, dass sein Fell im Nackenbereich noch einen weißen Fleck hat). Die findet Ihr am Ende des Videos, ein wenig verwackelt, weil durch ein Fernrohr-Objektiv gefilmt, aber ich bin trotzdem happy.
Und so sieht eine Reisefeder aus, nachdem sie bergauf und bergab gestiefelt ist und den ersten „Heidelbären“ ihres Lebens gesehen hat. Zerzaust – und einfach nur glücklich:
Später am Abend wird uns Victor noch erzählen, dass man die Wölfe oft in bis in sein Dorf heulen hört. Und dass er und Vitorino gern mit ihren Gästen auf einer Bergkuppe eine Aufnahme von Wolfsgeheul abspielen und dann die Rudel aus den umliegenden Tälern antworten.
„Einen Bär zu sehen, ist wunderschön. Aber nachts mitten in der Natur die Wölfe heulen zu hören, das ist einfach unglaublich.“ Hilft nix, da muss ich wohl wiederkommen.
Diese Recherche wurde unterstützt vom Spanischen Fremdenverkehrsamt Frankfurt und Turismo Asturias. Danke!
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