Der Fussball-Zwerg mit dem Wikinger-Schlachtruf: Bei der EM haben sich die Isländer rundum Freunde gemacht – die Spieler, aber auch die mitgereisten Fans. Sympathische, ’n bisschen schräge Typen, die man sich gut als Nachbarn vorstellen könnte 😉
Vielleicht wollt Ihr ja auch nach dem Fußballfest Kontakt aufnehmen? Hier Wissenswertes und ein paar Tipps zum „Wo“:
1) in der ganzen Welt
Abgesehen davon, dass sich halb Island zurzeit in Frankreich aufhält: Dafür, dass die große Insel am Rande Europas nur rund 325.000 Einwohner hat – ähnlich viele wie Bielefeld oder Wuppertal – stehen die Chancen gut, einem Isländer auch auf dem Rest des Globus‘ zu begegnen. Überall da, wo’s interessant ist. Schließlich waren die Nordmänner von Anfang an Entdecker und Weltenbummler. Lange vor Kolumbus hat Leif Eriksson (oder korrekt: Leifur Eiríksson) die Küste Amerikas erreicht, um das Jahr 1000. Als erste Europäer hat seine Besatzung „Vinland“ betreten und erforscht, heute Neufundland – die Überreste der Siedlung von damals sind heute noch zu finden. Moderne Isländer treibt es genauso in die Welt: zum Studieren, ein bisschen Arbeitserfahrung sammeln und vor allem Reisen. Fremde Länder sehen. Und danach immer wieder nach Hause auf die Insel…
2) beim Handball
Sorry, Fußballfans, aber eigentlich ist Island ein Land der Handballer. Das Rennen und Werfen hat lange Tradition, lässt es sich doch rund ums Jahr in der Halle spielen. Rund 40 Vereine hat das kleine Land, Frauen- und Männerteams, jede Woche fiebern die Menschen mit – und auch mit Handball kommt man raus in die weite Welt. Spielen in Europas Top-Ligen mit, Alfreð Gíslason trainiert seit 1997 deutsche Handball-Vereine, Dagur Sigurðsson die deutsche Nationalmannschaft. Enthusiastische Fussballspieler und -fans gibt’s aber natürlich – ganz offensichtlich – auch!
3) beim Baden
Warmes Wasser kommt in Island allerorten aus dem Boden und Isländer entspannen gerne in diesen „heißen Quellen“: Mitten im Nichts, abseits vom Ort, liegt oft ein Badeplatz und man begegnet schon mal Menschen im Bademantel auf dem Weg dorthin. Manche Quelle wärmt einen Bach (wie bei Hveragerði), andere das Meerwasser (wie bei Nautholsvík), oder groß angelegt die „Blaue Lagune“ (nahe dem Flughafen Keflavík) und die „Blaue Lagune des Nordens“ (am großen Mývatn-See). In den Orten fließt das Wasser einfach in die städtischen Schwimmbäder. Oder in die eigenen kleinen Bade-Wannen auf der Terasse, die „heitur pottur“. Einfach mal baden (mehr Infos findet ihr hier: „Baden in Island“)
4) NICHT bei McDonald’s !
Ja, auf Island gab’s auch mal zwei Filialen mit dem „goldenen M“. Sechzehn Jahre lang. Doch als die Isländische Krone in der Weltwirtschaftskrise abstürzte, wurde das Importieren der ganzen Zutaten einfach zu teuer. Im Oktober 2009 schloss die letzte McDonald’s-Filiale, doch eins der letzten „Happy Meals“ lebt weiter: Hjörtur Smárason wollte es für die Nachwelt aufbewahren. Inzwischen sind Burger und Pommes im „Bus Hostel Reykjavík“ zu beobachten – oder per Livestream (der leider nicht immer funktioniert…). Sie haben sich kaum verändert…
5) ganz vorn in der Demokratie
Als im Rest Europas noch Kaiser, Könige, Grafen oder die Kirche herrschten, begann auf Island die Demokratie. Das älteste noch noch immer regierende Parlament der Welt gründete sich im Jahr 930 (Griechenland hat mit der Demokratie zwar begonnen, aber zwischendrin „geschwächelt“…). Damals tagte die Volksversammlung Alþingi zum ersten Mal – im Tal Thingvellir, damals einmal im Jahr – und rief den Staat Island aus. Und auch heute regeln die Isländer ihre Dinge demokratisch. Nach der Finanzkrise arbeiteten Bürger aller Art im „Crowdsourcing“-Verfahren an einer Verfassungsreform – leider liegt sie seit 2013 auf Eis, ausgebremst durch die langjährige Regierungspartei. Andererseits ist das Thema noch in den Köpfen. Und seit im April der Landeschef Gunnlaugson und ein Teil der Regierung über die Panama-Papers stolperte, könnte das Eis irgendwann wieder tauen…
6) bei der Runtur in Reykjavík
Freitag und Samstag abends geht es rund in der Hauptstadt: Die Menschen ziehen in Feierlaune durch die Bars und Kneipen und spätestens ab Mitternacht kreisen im Schritttempo schicke Autos hupend, mit aufgedrehten Lautsprechern und aufgekratzten Insassen durch die Gassen rund um den Laugarvegur in der Altstadt. Angesagte Lokale sind an den Warteschlangen zu erkennen, gute Gelegenheit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
7) auf den Bestsellerlisten
Lange Winter, alte Sagen – die kleine Insel hat eine große literarische Tradition: Im 13 Jahrhundert schrieben Isländer die „Sagas“ auf, eine Sammlung historischer Geschichten, die von den ersten Siedlerfamilien und ihrem Kampf-, Liebes- und Gesellschaftsleben erzählen. Jedes Kind kennt die Sagas, Lesen ist beliebt, die Nonni-Bücher von Jón Svensson waren vor fast hundert Jahren auch bei deutschen Kindern ein Renner. Halldór Laxness bekam für seine Epen 1955 den Literatur-Nobelpreis. Und heute boomen nicht zuletzt Island-Krimis, von Arnaldur Indriðason, Yrsa Sigurdardóttir und wie sie alle heißen…
8) auf dem Pferd und bei den Schafen
Das zähe, nicht gerade großwüchsige Island-Pferd – bloß niemals „Pony“ sagen!!! – ist quasi seit den Anfängen der Besiedlung „des Menschen bester Freund“. Mit seiner Hilfe kamen sie auch quer durchs lebensfeindliche Hochland der Insel. Und durch schwere Zeiten (nicht zuletzt ernährungstechnisch…) Doch lieber reiten die Menschen das Pferd, das immerhin zwei „Gänge“ mehr hat als das typische Festlandpferd: Neben Schritt, Trab und Galopp kann es auch den Tölt und den Pass (selber nachgucken!). Zum Beispiel im Frühjahr und Herbst zum Schafauf- und -abtrieb. Denn selbst wenn sie in der Stadt wohnen (und zwei Drittel der Bevölkerung lebt tatsächlich in und um Reykjavík), besitzten viele Isländer noch das ein oder andere Schaf daheim bei Muttern. Oder wo Muttern einst wohnte. Und sie immer mal wieder hinfahren, „nach Hause“. Die Schafe leben den ganzen Sommer über halbwild im Hochland, kommen im Herbst aber wieder in den Stall. Ein Volksvergnügen, sich zum „Rettir“ im September aufs Pferd zu schwingen (oder auf den Quad), die Schafe zusammen- und ins Tal zu treiben und sie dann in „Sortierkreisen“ wieder ihren Besitzern zuzuteilen.
9) eher nicht im Gefängnis
Kaum zu glauben bei den vielen Island-Krimis, aber die Kriminalitätsrate ist legendär niedrig auf der Insel. Vielleicht auch, weil fast jeder jeden kennt? (Was aber die alten Recken in den Sagas auch nicht von Mord und Totschlag abhielt…) Jedenfalls trägt Islands Polizei keine Waffen. Und die sechs Gefängnisse des Landes bieten zusammen gerade mal 121 Plätze! Die Hälfte davon sind „offene“ Anstalten, wo die Insassen zu arbeiten und sich quasi selbst zu versorgen haben. Angesichts des Platzmangels gibt es eine Warteliste. Und auch das neue Gefängnis bei Reykjavík , das ab Herbst zwei der alten ersetzen soll, dürfte nicht sooo viel ändern an den Gepflogenheiten. Interessant übrigens, dass im historischen Gefängnis Stjórnarráðhúsið in der Hauptstadt heute der Sitz von Präsident und Premierminister zu finden ist…
10) beim Trockenfisch und in der Eisdiele
Isländer lieben Leckeres. Und das ist nicht unbedingt „Hákarl“, der fies müffelnde vergorene Hai, oder die versengten Schafsköpfe, die den Touristen gerne mal angeboten werden. Aber an trockenem (krossen) Stockfisch namens „Harðfiskur“ knabbern sie gern mal wie wir hierzuland am Knusperkeks. Ansonsten gilt: gerne Quark – „Skýr“ – und Kuchen, gerne mit Karamell, Schokolade oder extrem süßer Glasur… Ach ja, Lakritze ist ein Renner wie in allen Nordländern, gemeinsam mit Kaffee. Tolles Eis gibt es rund ums Jahr. Und Hotdogs – „Pylsur“ – allerorten, an Tankstellen, Kiosks und in Reykjavík bei „Bæjarins Beztu“.
11) in der Tradition
Ob Sagas, Demokratie oder Namensgebung: Isländer sind stolz auf ihre Herkunft. Fast alle können auf direkter Linie zurückverfolgen, von welcher der ersten Siedlerfamilien sie abstammen. Und trotzdem gehören sie zu den digitalen Vorreitern in der Welt. Vernetzung ist wichtig, klar, man muss ja Kontakt halten – ob in dünnbesiedelten Gegenden oder am Rand des Globus. Raus in die Welt und zu Weihnachten wieder zurück zur Familie. Oder zum „Rettir“. Oder anderen Feiertagen. Es gibt ja auch so schöne Traditionen, siehe nur die Sache mit den 13 Trollen und der Weihnachtskatze…
Langer Liste kurzer Sinn:
Fahrt hin nach Island, schaut Euch selber um und sprecht die Menschen an! Am einfachsten ist es natürlich beim Entspannen und Feiern (s. 3, 6 oder 8). Denn so heißblütig-emotional wie Südländer sind Isländer im Alltag nun nicht. Aber freundlich. Und hat man erstmal Freundschaft geschlossen…
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