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Island, 13 Weihnachtstrolle und gebackene Schneeflocken: Laufabrauð

Kalendertürchen 24, Sterndekoration

Hoch im Norden, wo die Nächte zurzeit noch länger sind als hier, verkürzen Islands Kindern die 13 Weihnachtstrolle samt Weihnachtskatze die Wartezeit bis zum Fest. Und die ganze Familie backt knuspriges Laufabrauð – hauchdünne Brotfladen wie Spitzendeckchen oder Schneeflocken. Dörte hat natürlich das Rezept mitgebracht. Warum sich mit einem großen, dicken Weihnachtsmann begnügen, wenn man doch 13 kleine haben kann? Die außerdem nicht nur zur Bescherung kommen, sondern schon zwei Wochen vorher – plus zwei Wochen nachher! – mit ihrem Schabernack für Abwechslung sorgen!

„Schuld“ an allem ist die gräßliche Hexe Grýla, eine böse Gesellin, die mit ihrem kaum  freundlicheren Trollmann Leppalúði im Hochland in einer verborgenen Felsenhöhle lebt. Sie geht zu Weihnachten um und sammelt die bösen und faulen Kinder in ihrem Sack, um sie in ihrem großen Topf fressfertig zu kochen. Die braven und fleißigen Kinder darf sie nicht anrühren – und wenn sich ein Kind schon im Topf rechtzeitig besinnt und brav wird, kann es noch entkommen. (Holzhammer-Pädagogik, ich hör‘ dir trapsen… Immerhin ist es Islands Eltern schon seit dem 18. Jahrhundert untersagt, ihre Kindern mit Schauergeschichten zu Erziehungszwecken zu erschrecken!)

 

Grýla hat aber nicht nur eine Weihnachtskatze (Jólakötturinn), die ihrerseits faule Menschen frisst, wenn die zum Fest zum Beispiel nicht alle Wolle von der Herbstschur versponnen hatten…

Grýla hat auch 13 Söhne – grobe Trolle, die sie um die Weihnachtszeit einen nach dem anderen zu den Menschen lässt. Den Rest des Jahres sollen sie in den trutzigen Lavaformationen der Dimmurborgir (Dunkle Burgen) leben, die östlich des Mývatn-Sees in Nordisland aufragen.

Vom 12. bis zum 24. Dezember kommt jede Nacht einer der Jólasveinar (Weihnachtskerle), um hier Streiche zu spielen, und danach verschwinden sie wieder Tag für Tag, der letzte dann am 6. Januar, pünktlich zum Dreikönigstag. Dabei hat jeder seine Spezialität, nach der er auch benannt ist. Heutzutage bringen sie den – braven! – Kindern auch kleine Geschenke mit, wie ein Adventskalender. Und tragen mancherorts sogar schon rotweiße Weihnachtsmann-Jacken. Die Globalisierung…?  Ihre Reihenfolge:

  • 12.12. Stekkjarstaurder Schafschreck oder Pferchpfosten, der den Mutterschafen die Milch abzapft
  • 13.12. Giljagaurder Schluchtentroll oder Schaumschuft, der im Kuhstall den Milchschaum stibitzt
  • 14.12. Stúfurder Knirps oder Kurze, der am liebsten Angebranntes aus der Pfanne kratzt
  • 15.12. Þvörusleikir der Löffelschlecker, säubert mit der Zunge Löffel, Kellen und Co.
  • 16.12. Pottasleikirder Kessellecker oder Topfkratzer, Spezialist für noch nicht ganz leere Kochtöpfe
  • 17.12. Askasleikirder Essnapf- oder Schüssellecker, vor dem kein Rest im Napf sicher ist
  • 18.12. Hurðaskellirder Türenzuschlager, der mit plötzlichen Krach-Attacken die Menschen erschreckt
  • 19.12. Skyrgámurder Skyrschlund, der ihnen den isländischen Quark (Skyr) wegfuttert
  • 20.12. Bjúgnakrækirder Rauchwurstklauer holt die Würste direkt aus dem Räucherofen
  • 21.12. Gluggagægirder kulleräugige Fensterglotzer hält, was sein Name verspricht
  • 22.12. Gáttaþefurebenso der Türschlitzschnüffler, mit besonders langer Nase
  • 23.12. Ketkrókurder Fleischklauer spitzt schon auf den nahen Weihnachtsbraten
  • 24.12. Kertasníkirder Kerzenschnorrer hat es selbst gerne hell – oder er futtert die Kerzen, wer weiß das schon so genau…

Aber à propos Futtern: die Isländer feiern nicht nur gerne, sie essen auch mit Vorliebe üppig. Das stammt wohl noch aus der Zeit, als die Wintermahlzeiten auf dem kargen Eiland vor allem aus getrocknetem Fisch und geräuchertem Fleisch bestand. Deshalb (s.o.) schnappten die Trolle die Reste auch den Kindern vor der Nase weg, denn eigentlich durften die die Töpfe auslecken.

Und Mehl, besonders wertvoll im dramatisch schönen, aber  an Äckern armen Land, wurde dann für besondere Leckerbissen gespart:

Laufabrauð – frittierte Schneeflocken

Man kann es verspeisen, aber auch – oder vorher – als Weihnachtsdekoration damit die Wohnung verzieren: das „Laubbrot“,  ausgesprochen [ˈløːivaprøiθ], also ungefähr „löiwabrödth“. Seit  Jahrhunderten wird es in isländischen Familien zu Weihnachten oder auch zu Silvester gegessen. Dabei liegt ein großer Teil des Vergnügens oft darin, dass schon ein paar Wochen vor dem Fest die erweiterte Familie zum Zubereiten zusammenkommt: Teigkneten ist üblicherweise Männerarbeit, Muster schneiden dürfen dann alle, bevor die Frauen die Fladen ausbacken. Der Teig muss so dünn ausgerollt werden, dass man hindurch eine Bibelseite lesen kann. Oder heutzutage eine Zeitungsschlagzeile…

 

Laufabraud-Muster Kerzenbogen, (c) A. MagnúsdóttirDas Rezept und mehr Informationen findet Ihr hier: „Weihnachtssterne-aus-Island“

Verspeist werden sie dann ganz traditionell mit Butter oder süßer Béchamelsauce. Oder mit geräuchertem Lammfleisch (Hangikjöt), gekochten Erbsen, Kartoffeln und Rotkohl.

Und vielleicht finden sich ja ein paar ruhige Stunden und das Laufabrauð gibt’s dann rechtzeitig zu Silvester…

Guten Appetit und Frohe Weihnacht !

oder

Gleðileg Jól !

 

Mehr Informationen  zu Island und seinen Bräuchen hat z.B. das Fremdenverkehrsamt Visit Iceland

 

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"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon" - so wahr! Also fuhr ich als Kind in Büchern um die Welt, bis nach Taka-Tuka-Land. Heute bin ich "in echt" unterwegs und schreibe manches Buch selber ;) Per Bahn, Pedale, Paddel und per pedes reise ich am liebsten, als Wissenschaftsjournalistin, Reiseautorin und Fotografin immer mit offenem Blick. Und einem Faible für Sprachen. In Bolivien und der Arktis, Australien, China oder Island. Slowenien, Polen. Finnland. Ach... Reisen!

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