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Waffeln wie im alten Island – Reisen in Rezepten

Es fallen einem ja tausend Dinge ein, die man immer noch mal angehen wollte, wenn man aus dem Alltag so raus ist wie zurzeit gerade. Zum Beispiel das mit dem historischen Waffeleisen im Reykjavíker Freilichtmuseum.. Wo im Eisen selbst gleich das Rezept verewigt war. Oder war das überhaupt ein Rezept? Eine kleine kulinarische Recherche…

Heute reisen wir also mal ein bisschen anders – erstens lecker und zweitens auch zurück in die Zeit. Ich stelle mir vor, wie da eine Isländerin vor 200 Jahren am Ofen steht und schwitzt. Und die Basis legt für heutige Traditionen und Genüsse. Denn die heutigen Isländer lieben ja heiße Waffeln, am liebsten mit Rhabarber- oder Blaubeersauce und mit Sahne obenauf. Schokolade geht natürlich auch…

Und was sie außerdem lieben, ist ihre Geschichte: Noch heute spricht man auf der Nordmeerinsel fast wie die Wikinger vor mehr als tausend Jahren. Kennt seine Familiengeschichte oft bis ein Jahrtausend zurück. Und moderne Design-Tempel wie schwungvolle Betonkonstrukte gehören ebenso dazu wie die kleinen alten Grasdach-Kirchen.

Da hatte ich jetzt quer durch Island alle möglichen Gebäude gesehen – Höfe, Hütten, Gotteshäuser, Elfenbehausungen – und wollte nochmal richtig eintauchen „ins Früher“. Am Rand von Reykjavík gibt’s dafür das Arbaer Open Air Museum, wo man rund um den einstigen Bauernhof Árbær alte Gebäude aus dem ganzen Land wieder aufgebaut hat. Von der Schmiede und der Knechte-Kate bis zum adretten Bürgerhaus. Im Sommer „lebt“ das Museum richtig, mit Schauspielern, die die Heuernte oder andere Traditionen vorführen.

Blitzidee in der Küche

Jetzt im Februar gab’s immerhin Führungen am Wochenende, wo man ein bisschen was erzählt bekam. Aus der alten Kirche (in der man heute noch heiraten kann)… Über die Fleisch- und Fischkonservierung mit gegorener Molke (schüttel), wovon jeder Hof früher ein großes Fass vorrätig hatte – und manch einer soll ein Farmfeuer überlebt haben, weil er sich in dem Fass versenkte…. Oder vom Einfluss der Dänen, deren schicken Wohnzimmern die reichen Bürger nachstrebten und deren Back-Künste Islands Küche bis heute beeinflusst…

In einer Küche der alten Häuser dann stand ein eiserner Kochherd, der mich neugierig machte. Der hatte nämlich nicht nur eine typische Kochplatte, sondern daneben auch eine komisch beschriftete eherne Klappe. Buchstaben in Gusseisen, halb verwittert. Und beim Öffnen der Klappe zeigte sich – tataaa! – ein Waffeleisen!! Dachte ich mal so, sah es doch innen genauso aus wie Mutters elektrisches zuhause, mit fünf Herzen… Noch mal hingeguckt, extra Fotos gemacht, Neugier auf später verschoben

Waffeln, jetzt

Also, ich wollte Waffeln backen wie vor Jahrhunderten. Zum Glück haben wir heute Fotobearbeitung und Internet… (Hier folgen jetzt die ganzen Details der Rezeptsuche, für alle, die auch Spaß dran haben – alle anderen bitte ganz nach unten scrollen, da steht die finale Anleitung.) Ich jedenfalls weiß jetzt ganz viel über Dänemarks und Norwegens Waffeln – und Schweden (und inzwischen wohl auch Rest-Skandinavien) gibt’s sogar einen Waffeltag als Feiertag!! (25. März, irgendwie ist man von Marias Verkündigungstag bei Waffeln gelandet…)

Zum Rezept: Was auf Anhieb zu lesen war, oder wenigstens nach Kontrastverstärkung etc.:

2 P... Meel
6... Eg
2 Pot ... Mælk
... Pd. Smør
1 Skef. Gjær

Okay, offenbar ist es ein aus Dänemark importierter Ofen, denn auf Isländisch würde es (Danke an Online-Wörterbücher, Google Translate und rudimentären Sprachkenntnissen) ja Mjólk und Smjör heißen. Es ist also tatsächlich ein Rezept, die Zutaten sind Mehl, Eier, Milch, Butter und Hefe. Was ist ein Skef. ? In dänischen Rezepten ein Spiseskefuld, ein Esslöffelvoll.

Aber die verwitterten Leerstellen? Über die Bildersuche im Web finden sich einige ähnliche, besser erhaltene Waffeleisen mit Rezept, etwa hier oder hier oder hier…  Also vervollständige ich P… = Pd. = Pfund, 6-8 Eier, 2 Pot Milch (mit langer Lücke) und 1 Pd Butter (auf 2 Pd. Mehl).
Allerdings steht auf anderen Deckeln oft Zucker dabei. Und manchmal süße Sahne statt Milch….

Quelle Dänemark

Ich lerne mehr auf der Webseite des dänischen Schlosses Selsø, die auch ein historisches Waffelrezept liefern, aus dem Buch Hurtige kok, Der Schnelle Koch, von 1759 (“Sæt en liter sød fløde til ilden og…” ausführlich in Textform und mit süßer Sahne). Demnach enthielt Waffelteig traditionell tatsächlich keinen Zucker (war wohl auch noch zu teuer damals?), sondern erst beim Servieren aufgestreut wird. Und, dass Waffeln im Norden traditionell warm gegessen werden “ebenso wie Pfannkuchen und Apfelscheiben (in Teig)

Praktischerweise steht da auch eine Tabelle mit historischen Kochmaßen, quasi nochmal zur Bestätigung: 1 Pund = 500 g, 1 Pot = 0,97 Liter. Damit wären wir bei 1000g Mehl, 6-8 Eier, 1,92 l Milch, 500g Butter, 1 Esslöffelvoll Hefe.

Und à propos Hefe: “Bis zum 19. Jahrhundert wurden Waffeln meistens mit Hefe hergestellt. Dieser Typ ist dem sehr ähnlich, was wir heute belgische Waffeln nennen.” Seither hat man meist zu Backpulver gewechselt, ist ja auch einfacher ohne Gehenlassen…

Aber Hefe… Früher frische Hefe natürlich, nix mit der gefriergetrockneten Trockenvariante – wieviel sind ein Esslöffelvoll? Gestrichen oder gehäuft? Irgendwo finde ich, dass ein heutiger Esslöffel 15 ml bedeutet, ein historischer aber 20 ml. Sind Esslöffel heute kleiner? Und was helfen mir Milliliter bei Würfelhefe?? Ich einige mich mit mir selbst auf moderne Anleitungen: 1 Würfel (42g) ist gut für 500g Mehl, ein Pfund.

Mehl-Fragen

Und welches Mehl jetzt? In Dänemark wuchsen alle Getreidearten, aber in Island? Ursprünglich (zu Wikingers Zeiten) konnte man dort Gerste und Hafer anbauen, aber ab dem 14. Jahrhundert, mit der Kleinen Eiszeit, schrumpfte das Anbaufenster auf nur rund drei Monate, das reichte nicht mehr. Korn und Mehl mussten fürderhin importiert werden, das wusste ich schon, denn erst vor einiger Zeit bauten die ersten isländischen Biobauern wieder Gerste an, allen voran im Osten am großen See Lagarfljót, und versuchten sie, den Einheimischen wieder schmackhaft zu machen.

Denn vorherrschend in Island ist bis heute Roggen, zu erkennen am noch immer allgegenwärtigen Rúgbrauð, auch sehr lecker, vor allem in Fladen, gefüllt mit Schinken, Käse usw…. Oder Rúgbrauð im warmen Vulkanboden gebacken – aber das ist eine andere Geschichte… Roggen bauten die Isländer jedenfalls ab dem 18. Jahrhundert wieder an, etwas wärmer war es geworden, während Weizen teuer und unter Monopol aus Dänemark importiert werden musste. So teuer war es sogar, dass man es gern mit getrockneten, gemahlenen Algen oder Flechten streckte. Roggen eignet(e) sich übrigens auch hervorragend als Basis für Brennivín, den noch heute typischen Akvavit/Branntwein, den man – warum das denn wohl? – auch “Schwarzer Tod” nennt…

Langer Zwischenrede kurzer Sinn: Am besten, am “echtesten”, ist wohl Roggenmehl im Rezept. Gerste eher nicht, die war zur Zeit des alten Ofens gerade “out”. Oder Weizenmehl, damals importiert, Vollkorn natürlich. Ob Ihr mit Algen oder Flechten strecken wollt, könnt Ihr selbst entscheiden. Algenpulver als Superfood ist ja heutzutage gar nicht so weit hergeholt….

Damit wären die meisten Zutaten geklärt. Bei Milch empfiehlt sich die vollfette Variante – oder hätten die Menschen damals erstmal Skyr gemacht und die Molke genommen? Nee, dann stände ja nicht Milch im Rezept. Und Eier? Eher die L-Größe, weil damals Bio-Verhältnisse und freilaufende Paradiesverhältnisse herrschten? Oder eher S, weil das Leben wohl auch für Hühner eher karg war?? Wahrscheinlich deshalb steht da 6-8 Eier

Ran an die Schüsseln!

Schloss Selsø verrät mir außerdem mehr über die Zubereitungsweise, nämlich erst Sahne/Milch und Butter warm machen und mischen, nicht heiß!, dann Mehl und dann Eier dazuschlagen. Vorher aber etwas warme Milch abzweigen und “so viel Hefe wie eine große Walnuss hinein”. Also eine Walnussgröße für ein Pfund Mehl, passt ja. In der warmen Milch auflösen und dann in den Teig rühren.

Und dann, danke Schloss Selsø-Team, noch der Tipp: “Machen Sie es am Abend, wie Sie es am Morgen verwenden werden, oder am Morgen, wenn Sie es am Abend verwenden möchten.” Hm, klar, Hefeteig gehen lassen, und ohne Zucker als Kraftfutter für die Hefe dauert’s natürlich länger… Früher war es sicher nicht ganz so einfach, zwischen Ofenhitze und Hauskälte die richtige Temperatur zu finden – heute stelle ich’s einfach in den Ofen bei 50°C. Fünf Stunden lang statt eines halben Tages, das müsste doch reichen?

Ooops…. Ging doch schneller und und voll über den Rand, vielleicht wärs auf der Heizung mit Tuch drüber besser gewesen? Egal, alles einmal umrühren, fühlt sich immer noch an wie ein dickflüssiger Waffelteig…

Mengenlehre

Ach, noch was. Es gibt ein dänisches Online-Lexikon für Madhistorie, Essens-Geschichte von A bis Å – mit einem eigenen Waffelkapitel von Else-Marie Boyhus, die auch von Schloss Selsø zitiert wird. Stand es dort, dass nordische Waffeleisen bis runter nach Deutschland die 5-Herzen-Form hat? Oder anderswo? In Belgien und bis in die USA sind stattdessen die Rechteck-Formen verbreitet.

Und dort findet sich auch ein flämisches, also belgisches Hefe-Waffelrezept (Gaufres flamandes) mit nur EINEM Pfund Mehl und ähnlichen Mengen wie in “meinem” Rezept – und der Angabe “Für 20 Personen”!!! Äh…. Was bedeutet das genau? Wieviele Waffeln verspeist eine Person??

Ich habe also schnell nochmal auf die Hälfte der Menge herunter geschraubt, damit hatte ich

Das finale Rezept:

500g Mehl
3-4 Eier
1 L Milch
250g Butter
½ Würfel Hefe (21g)

Milch erwärmen, ca. eine halbe Tasse abnehmen 
und darin die Hefe auflösen. Die Restmilch mit 
der weichen/flüssigen Butter verquirlen. 
Erst Mehl, dann Eier einrühren. Schließlich die 
Hefemilch hinzugeben, es ergibt sich ein 
dickflüssiger Brei. Gehen lassen, bis das 
Volumen sich etwa verdoppelt hat (2-5 Stden).

Und fertig ist der Teig (Der, der eben schon mal im Ofen über den Rand gequollen war…)
Jetzt wie gewohnt in ein Waffeleisen schaufeln und normal ausbacken.

Die Waffeln sind anfangs recht fest oder steif, wer sie weicher mag, lässt sie eine Weile auf dem warmen Stapel liegen. Ach, und es wurden 10 Stück. Das beantwortet die Frage von vorhin: Jeder nur eine Waffel…!

Fazit

Vom Geschmack her sind die historischen Waffeln echt ganz lecker, knusprig, wenn auch – wie zu erwarten – nicht süß. Das macht aber gar nix, schließlich kann man gleich mit Puderzucker nachstäuben, mit Zimt & Zucker bestreuen, zu gesüßter Sahne greifen oder eben zu Blaubeer- oder Rhabarber-Sauce. Oder eher solche Marmelade, wie es die Isländer mögen. Oder man macht ne herzhafte Variante, etwa mit Kräutern im Teig oder mit würzigem Frischkäse o.ä. Bestrichen. Oder was fällt Euch noch so ein?

Gut zu wissen

für wenn wir dann wieder reisen dürfen:

  • Alles über Árbæjasafn, das Arbaer Open Air Museum: https://reykjavikcitymuseum.is/arbaer-open-air-museum
  • Noch mehr frühe Grasdach-Häuser inklusive Wikingerfeeling und ein cooles Café bietet an der Nordküste das Glaumbær Open Air Museum in Varmahlið: www.glaumbaer.is
  • Und das Skogasafn, ein tolles Heimatmuseum in Skógar an der Südküste: www.skogasafn.is
  • Zuguterletzt natürlich auch Visit Iceland, für alle allgemeinen Fragen: https://de.visiticeland.com/

 

Wollt Ihr ein anderes Rezept mit Geschichte probieren? Wie wär’s dann mit vorweihnachtlichen Trdelníks aus Prag?

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"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon" - so wahr! Also fuhr ich als Kind in Büchern um die Welt, bis nach Taka-Tuka-Land. Heute bin ich "in echt" unterwegs und schreibe manches Buch selber ;) Per Bahn, Pedale, Paddel und per pedes reise ich am liebsten, als Wissenschaftsjournalistin, Reiseautorin und Fotografin immer mit offenem Blick. Und einem Faible für Sprachen. In Bolivien und der Arktis, Australien, China oder Island. Slowenien, Polen. Finnland. Ach... Reisen!

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