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Sturm! Schneechaos! Lawinengefahr! Ausrufezeichen!

Letzte Woche bin ich vom stürmischen Niedersachsen direkt in die Alpen gereist – und dann fast eingeschneit. Das Dramatischste an allem: die stakkatoartigen Schlagzeilen. Atemloser Erregungszustand. Wetterkapriolen ohne Ausrufezeichen, das geht ja gar nicht!

Sturmtief!

Donnerstag, 18. Januar um 6.30 Uhr in Niedersachsen: Friederike kommt! Nur der Mann am Bahnhofskiosk zuckt mit den Achseln: „120 Stundenkilometer Windgeschwindigkeit. Das hatten wir doch schon öfter, nix besonderes.“  Und tatsächlich komme ich gut weg, auch mein Anschluss-ICE ist pünktlich auf die Minute. Alles übertrieben? Nö, ich habe einfach nur Glück, dem Sturm rechtzeitig davongefahren zu sein. Später erfahre ich, dass der Zugverkehr in Niedersachsen ab Mittag lahm liegt, Bäume entwurzelt, Häuser abgedeckt. Das volle Programm. Und weil es auch mit den späteren Zügen bei mir wie am Schnürchen klappt, bin ich die einzige aus unserer Reisegruppe, die trotz Sturm pünktlich ankommt. Die anderen  stecken entweder im Flughafen fest oder müssen im Flieger auf dem Rollfeld ausharren. Oder in der Schweiz auf Schienenersatzverkehr umsteigen wegen: Lawinengefahr! Am frühen Abend sind zumindest die Zugfahrer gut im Ötztal angekommen und wir machen uns vom beschaulichen Hochplateau von Niederthai auf zu einer Nachtwanderung zum Stuibenfall. Der höchste Wasserfall Tirols wird nämlich nachts romantisch beleuchtet.

Laterne im Schnee

Die dunkle Laterne im Hintergrund hat eine Windböe von Sturmtief Friederike ausgepustet, gefährlich!

Friederike bläst hier zwar ab und zu mal eine unserer Sturmlaternen aus, aber im Vergleich zu Norddeutschland weht hier nur ein laues Lüftchen.

Lawinengefahr!

Am nächsten Tag kann unsere geplante Schneeschuhwanderung noch nicht stattfinden. Viele Alpentäler sind gesperrt. Lawinengefahr! Und unser Guide Michael Leiter erklärt uns auch gleich, warum: „Der Wind baut Lawinen.“ Verwehter Schnee verbindet sich schlecht mit der Unterlage und erhöht die Gefahr, dass Schneemassen ins Rutschen geraten. „Das Problem vieler Menschen in der heutigen Zeit ist, dass sie immer alles durchziehen wollen wie geplant. Das geht hier bei uns in den Bergen nicht“, sagt Michael, „aber das macht es auch gerade so interessant.“ Schnell wird umdisponiert und wir besuchen ein Schafwollzentrum (das war klasse, ist einen eigenen Blogbeitrag wert). Und am nächsten Tag klappt es dann mit der Schneeschuhwanderung.

Kurz hinter Niederthai weist schon ein Warnschild (oben) darauf hin, dass man lieber nicht wandern sollte, ohne sich bei Ortskundigen vergewissert zu haben, dass die Strecke begehbar ist. Alpine Gefahren!  Ausrufezeichen! 😀 Und als wir so marschieren in Richtung Larsigalm (wunderschöne Tour übrigens, auch einen Blog-Beitrag wert), taucht plötzlich das gelbe Schild unten auf dem Bild auf…

Alpen-Tsunami!

Nein, natürlich nicht! 🙂 Ganz klein unter dem „Gefahr – Danger!“ steht, dass der Wasserspiegel in diesem Bach jederzeit ganz plötzlich ansteigen kann. Das wird sicherlich zur Schneeschmelze oder nach Regengüssen ein Thema, momentan jedoch eher nicht…

Und zum Abschied droht weitere Gefahr:

Schneechaos!

In der Nacht vor unserer Abfahrt fallen dicke Schneeflocken. So dick, dass man die Zunge herausstrecken und damit fluffige Kristalle fangen kann. Im Dunkeln. Weiße Flocken fangen. Herrlich! Gegen morgen kommt dann auch noch Wind dazu und macht hübsche, große Verwehungen. Im Schneegestöber lassen sich die Berge gar nicht mehr erkennen. Alles, alles weiß.

Dann kommen die Nachrichten: Bahnstrecken gesperrt! Schneechaos! Lawinengefahr! Eigentlich wollen wir noch die Dorfschmiede von Niederthai besuchen, aber beim Warten vor der Schmiede klingelt das Handy, neuer Plan: Alle zurück ins Hotel Falknerhof, das Taxi kommt gleich. Wir müssen weg, bevor die Talzufahrt gesperrt wird! Ausrufezeichen!

Also ab in die Hotellobby und vorm warmen Kamin auf das Taxi warten. Draußen tobt das Schneegestöber – eigentlich ist es urgemütlich. Ich meine natürlich, gefährlich! Denn man hört die Leute raunen: Arlberg ist schon zu, Reschenpass ist zu… au weia.

Nur der Hotelhund liegt seelenruhig im Schneegestöber und möchte nicht reinkommen aus der Gefahrenzone in die sichere Lobby.

Und selbst die Leute, die draußen mit Schneefräse und Schieber  die Autos und Gehwege freiräumen, tragen ein Grinsen auf dem Gesicht.

Irgendwie will sich dieses Gefahr-Feeling nicht so richtig einstellen. Das Taxi kommt natürlich. Pünktlich. Auf die Minute. Schließlich hat es Schneeketten drauf. Und fährt dann durch dicken, weißen Pulverschnee ins Tal. Eine Winter-Zauberlandschaft mit überzuckerten Bäumen zieht an uns vorbei. Traumhaft!

Und als meine Reisefeder-Kollegin meint. Du warst doch unterwegs im Schneechaos. In Davos beim Wirtschaftsforum ist es doch auch ganz schlimm gerade. Schreib doch mal was drüber. Tja, das hab ich nun. Habt ihr die Gefahr gespürt? Ich nicht wirklich, aber gut, dass ich noch lebend rausgekommen bin!

Diese Recherche wurde unterstützt von Ötztal-Tourismus. Vielen Dank dafür!

Kollegin Anke war übrigens in der warmen Jahreszeit im Ötztal. Hier kommen ihre sechs Familientipps für den Sommer.

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Kategorie: nah dran, Reisen

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Vom heimischen Bauernhof ins Chemielabor und raus in die weite Welt: Heute lebe ich als Journalistin und Autorin - back to the roots - im Weserbergland und darf die Reiselust mit der alten Leidenschaft für Naturthemen verbinden. In unserer binationalen Familie sind wir als Grenzwandler zwischen Deutsch und Spanisch unterwegs.

10 Kommentare

  1. Vermutlich war es schon immer so, dass es da Gegenden gab, die im Winter von der Außenwelt abgeschnitten waren, ohne Ausrufezeichen, weil es weniger auffiel, weil nicht so viele Leute dort hinfuhren. Schöner Bericht und schöne Bilder. Ich freue mich schon auf den Bericht über das Schafwollzentrum.

    • Liebe Susanne,
      danke erstmal für das Lob! Ausrufezeichen! 🙂 Tatsächlich lebten die Leute in den abgelegenen Hochtälern ziemlich autark. Unser Guide hat erzählt, dass man an den Südhängen von Niederthai sogar Kartoffeln angebaut hat. Wenn es dann im Frühjahr nochmal schneite, taute der Schnee an diesen Hängen dank Sonne schnell wieder ab und die Pflanzen nahmen keinen Schaden. Also versorgten die Leute sich hier lange Zeit selbst mit dem Nötigsten. Aufs Einschneien waren die wahrscheinlich bestens vorbereitet. Auch das Besitzerpaar vom Falknerhof ging absolut gelassen mit der Situation um.
      Liebe Grüße
      Iris

  2. Danke für diesen unaufgeregten Beitrag!
    Mich nervt ehrlich gesagt sehr, dass bei drei Schneeflocken hier schon von Schneechaos gesprochen wird und wenn der Wind ein bisschen pustet, bricht der ganze Verkehr zusammen. Nun ja…
    Dort bei dir hat es mal ordentlich geschneit, aber ich dachte auch dazu schon (als ich darüber in den Nachrichten las), dass es in diesen Gebieten doch relativ „normal“ sein sollte, wenn man eine Weile im Winter abgeschnitten ist.
    Viele Grüße, Becky

    • Stimmt, Becky, nicht nur der Beitrag wirkt unaufgeregt, auch die Leute vor Ort waren es: Angefangen vom Guide, über Hotelbesitzer und -angestellte, den Taxifahrer, die Mitarbeiter der öbb, die mich in einem früheren Zug haben mitfahren lassen, trotz Ticket mit Zugbindung. Es war eben vieles ein wenig anders als sonst, aber null Katastrophenstimmung.
      Liebe Grüße
      Iris

  3. Almuth sagt

    Ein schöner Beitrag und auf das Schafwollzentrum freue ich mich auch schon 🙂 Das war sicher ein tolles Erlebnis (alles zusammen), aber auch der dolle Wintereinbruch!! Was fatal an diesen Medienhypes ist, daß man abstumpft und es irgendwann nicht mehr Ernst nimmt. So ging es mir letztes Jahr mit diesem Sturm Xavier oder wie er hieß. Als ich im Internet die Schlagzeilen las, dachte ich, die übertreiben doch wieder maßlos. Dann bin ich mit dem Rad raus, über eine Brücke und eine Sturmböe hätte mich fast auf die Straße vor ein Auto geschoben. Seitdem informiere ich mich genauer. Aber durch diese ständig aufgebauschten Berichte verkennt man irgendwann den Ernst der Lage. – Die Leute vor Ort kennen sich sicher bestens aus und können das auch einschätzen. Auf die sollte man auch stets hören 🙂

    • Das stimmt, Almuth, puh, das hätte böse enden können. Unterschätzen darf man einen Sturm auch nicht. Mein Mann schrieb mir unterwegs (als Friederike hier in Niedersachsen tobte): „Und jetzt einen SCHÖNEN Waldspaziergang!“ 😀 Es gibt schon Dinge, die man bei solchem Wetter nicht tun sollte. Aber dieses „Wir werden alle störben“-Erregungsszenario nervt auch.
      Übrigens, das Schafwollzentrum: In den nächsten zwei Wochen komme ich noch nicht dazu. Danach schreibe ich aber darüber und freue mich auch schon drauf. 🙂

      • Almuth sagt

        Da hast du recht. Heute wird fast alles „gehypt“ (wie sagt man das auf Deutsch?) Ach ja, gnadenlos übertrieben. Da muß man selber gucken und abwägen und ja, leichtsinnig sollte man nicht sein und bei so einem Wetter in den Wald gehen oder Brücken überqueren 😉 Man staunt doch, wie schnell bereits jemand in der Stadt von einem Baum erschlagen werden kann! Aber bei dir vor Ort ist das ja gut gelaufen. Wegen des Schafbeitags melde dich doch, wenn es soweit ist. Ich freu mich!

  4. Mensch, das liest sich so schön federleicht wie frischgefallener Schnee. Großartig geschrieben. Mit Ausrufezeichen. Wie Lawinengefahr! 🙂

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