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Ganz weit draußen: Auf den Wetterinseln


Westlicher geht es nicht in Schweden: Die Wetterinseln in Bohuslän sind eine karge Inselgruppe weit draußen in der Nordsee. Hier zu sein ist ein besonders intensives Erlebnis.

Am Horizont braut sich am Abend dunkel ein Sturm zusammen, in der kommenden Nacht soll er die Wetterinseln erreichen. Der Wind bläst schon jetzt kräftig, aber noch ist der Himmel über uns strahlend blau. Aber es liegt eine fast greifbare Unruhe in der Luft. Wie hingetupft ducken sich im Abendlicht eine Handvoll falurote Holzhäuschen zwischen den grauen Fels. Es sind Bootshäuser und die früheren Wohnhäuser der Lotsenfamilien, die hier bei Wind und Wetter, sommers wie winters ihren harten Job erledigten und vorbeifahrende Schiffe vor dem Auflaufen schützten.

Rechts leuchtet gelb ein größeres Gebäude, das Väderöarna Värdshus, das Wirtshaus der Inseln. Hier und im benachbarten Lotsenhäuschen kann man übernachten, 16 Zimmer gibt es derzeit, weitere sind in Planung. Das hauseigene Restaurant serviert, was das Meer gerade hergibt, oder etwas aus saisonalem Gemüse – immer lecker. Und danach eine Tasse Kaffee.

Nackter Fels im Meer

Die Lotsenhäuschen im Abendlicht

Nicht ein Baum wächst auf den kargen, ja teilweise nackten Inseln, die aus Gneis, nicht aus Granit wie sonst in Bohusläns Archipel bestehen. Oft ist der Stein glattgeschliffen vom früheren Inlandeis, an manchen Stellen erkennt man die Rinnen, durch die sich die Gletscher schoben oder in denen ihr Wasser ablief. In geschützten Nischen klammern sich Blumen und Moose an den Untergrund, selbst höchst empfindliche Flechten leuchten dank unglaublich sauberer Luft gelb und orange, grau und grün auf den Felsen.

Leben in der kleinsten Nische

365 Inseln und kleine Holme sollen es insgesamt sein, sagt man, für jeden Tag im Jahr eine – die Wetterinseln, Väderöarna auf Schwedisch, sind ein ganz eigenes und auch sehr eigenwilliges Fleckchen Land. Sie sind Schwedens westlichster Ausläufer und haben ein bemerkenswertes Klima: Dank des nahen Golfstroms ist es hier draußen erstaunlicherweise oft sogar wärmer als auf dem Festland. Wind weht eigentlich immer, selten sanft, oft ruppig. Und die Blautöne des Himmels und des Wassers sind unglaublich vielfältig. Überhaupt, das Wasser: Es ist so klar, dass man sich an manchen Stellen in der Karibik wähnen könnte. Wäre es nur nicht so kalt…

Wirtshaus weit draußen

Pia Hansson und ihr Mann Mikael führen das Väderöarna Värdshus seit rund zwölf Jahren. Sie haben es im Jahr 2005 gekauft und renoviert und freuen sich heute auf jeden einzelnen Gast. Die Besucher wiederum schätzen die besondere Atmosphäre, kommen zum traditionellen Krebsessen oder um Silvester zu feiern. Bis 2026 sei der Jahreswechsel ausgebucht, erzählt Pia. Schlüssel für die Zimmer gibt es nicht. „Hier draußen gehören alle zur Familie.“

Pia Hansson und Elsa

Immer mit von der Partie ist Elsa, eine wuschelige Berner Sennenhunddame mit gutmütigen braunen Augen, die sich mit Vorliebe zwischen die Beine von Pia oder den Gästen drängt, um dort dann offenbar geborgen zu verharren. Nicht zu verwechseln mit der Hündin mit den eisblauen Augen, Vera: Sie gehört zur Crew des Insel-Katamarans, der die Besucher aus dem rund 40 Minuten entfernten Hamburgsund abholt und in einer wilden Fahrt über das Meer zu den Inseln bringt.

Mit dem Katamaran zu den Wetterinseln

Tief eintauchen in die Natur

„Man ist hier draußen ganz nah dran an der Natur. Man muss sich an sie anpassen und kann dann ihre Balance ein wenig mit nach Hause nehmen“, sagt Pia. Eine reiche Vogelwelt – die hier draußen keine natürlichen Feinde wie Ratten, Mäuse oder Schlangen hat – und eine der größten Robbenkolonien des Landes tragen zu den intensiven Eindrücken auf den Eilanden bei. Mehr noch: „Man fühlt die Natur und ihre Kräfte hier draußen besonders stark, zum Beispiel mit nackten Füßen auf dem runden Fels, der die Sonnenwärme des Tages gespeichert hat. Das lässt einen irgendwie das Innere der Erde spüren.“

Auch alles von Menschen Gebaute ist hier an die Vorgaben der Natur angepasst, etwa die Häuser, die sich zwischen die Felsen schmiegen, oder die Holzstege, die exakt so abgesägt und angepasst sind, wie die Felsen es eben zulassen. Die Natur bestimmt alles. Der Mensch wird ganz klein. Aufs Elementare reduziert. Und so lautet das ebenso einfache wie schwierige Motto in Pias Wirtshaus, mit Kreide auf eine Tafel geschrieben: Atme ein – atme aus – genieße.

Felseinritzungen und Inselhonig

Und was tut man hier draußen? Wer mag, wandert auf einem Rundweg über die Hauptinsel. Entdeckt dabei vielleicht die Bienenstöcke, die der Naturschutzverein „Nordens Ark“, Arche des Nordens, hier aufgestellt hat und deren Bienen den einzigartig würzigen Inselhonig liefern. Der ist nämlich garantiert nur aus hiesigen Blüten: Das Festland ist zu weit weg, das können die Insekten nicht erreichen.

Rätselhafte Felseinritzungen

Mit etwas Glück stößt man bei seiner Runde auch auf einige der bemerkenswerten Felseinritzungen, die es an mehreren Stellen auf der Insel gibt. Es sind wohl die Initialen der Lotsen, schlichte Bilder und, oben auf dem Berg, Kompasse. Die, erzählt Pia, hätten die Lotsen irgendwann eingeritzt, weil die normalen irgendwann einfach nicht mehr korrekt die Richtung gezeigt hätten.

Hummersafari für Seefeste

Noch eine Idee für eine passende Aktivität: Freunde von Seafood können von den Wetterinseln zu einer Hummersafari starten. Dazu bekommt man einen wetterfesten Overall an und los geht’s. Kaum sind wir raus aus dem Naturhafen, an dem das Wirtshaus liegt, schaukelt das Boot immer heftiger in den Wellen. Schnell ist klar, die Sache ist definitiv nur etwas für Seefeste… ich bin da leider raus. An der richtigen Stelle angekommen, werden die Fangkisten mit Hilfe langer Schüre und einer Kurbel vom Meeresgrund geholt, geleert und mit ziemlich stinkendem Fisch als Köder wieder hinabgelassen.

Möwen haben den Vorgang sofort bemerkt und umkreisen das Boot, um sich blitzartig auf etwaigen über Bord geworfenen Beifang wie kleine Krabben zu stürzen. Zurück am Holzkai der Wetterinseln, kochen wir dort die gefangenen Langusten in einem mit Meerwasser gefüllten Pott und essen die Delikatesse auf den Holzbänken in der Sonne. Das heißt, ich schaue nur zu, denn ich kämpfe noch mit den Nachwehen der Seekrankheit.

Vom Hot Pot ins Meer

Am Abend bin ich wiederhergestellt und sitze, irgendwie ja ein wenig den Langusten ähnlich, ebenfalls in warmem Nordseewasser. Das ist allerdings nicht kochend heiß, sondern nur angenehm temperiert und befindet sich im hölzernen Hot Pot vor der Sauna. Der Wind bläst immer kräftiger, beim Spaziergang eben war am Horizont bereits eine dunkle Wolkenwand zu erkennen, Vorbote des angekündigten Sturms, der heute Nacht über die Inseln fegen soll.

Mutig wagen wir sogar einen kurzen Sprung ins Meerwasser, das hier draußen so salzig wie sonst nirgends in Schweden ist. Dennoch trinkt man es auf den Wetterinseln dank einer hochmodernen Entsalzungsanlage. Und es schmeckt richtig gut!

Ein Sturm zieht auf

In der Nacht kommt er dann tatsächlich, der Sturm. Und ich höre nichts davon. Sondern schlafe wie ein Baby, während draußen die Elemente toben.

********* Gut zu wissen *********

Mehr Infos zu den Wetterinseln: https://vaderoarna.com/

Hummerpaket inklusive Abendessen und einer Nacht im Doppelzimmer: 2895 SEK pro Person

Infos Westschweden: https://www.vastsverige.com/de/

Die Reise wurde von Westschweden und Visit Sweden unterstützt. Ganz herzlichen Dank dafür!

Lust auf mehr Geschichten aus Westschweden? Hier gibt es einen Beitrag zu Fjällbacka zu lesen, dem schmucken Küstenort, in dem Camilla Läckbergs Krimis spielen und in dem Ingrid Bergman ihre Sommer genoss. Ach so, der Kult-Kinderfilm Ronja Räubertochter wurde hier in Teilen auch gedreht… Meine Erfahrungen mit dem Seekajak ganz in der Nähe könnt ihr hier lesen. Und 11 Tipps zu meiner Lieblingsstadt Göteborg findet ihr hier.

7 Kommentare

    • Danke! Über so tolle Orte wie die Wetterinseln zu berichten, macht immer einen Riesenspaß. In Gedanken bin ich dann nochmal ganz intensiv dort…
      Liebe Grüße
      Anke

    • Danke, Stefanie! Und das sind nur Bilder und Worte… Ich zumindest muss da nochmal hin, mehr als eine Nacht…
      Liebe Grüße
      Anke

  1. Stephan Bär sagt

    Hallo Anke! Vielen Dank für Deinen tollen Bericht! Wir möchten dort wahrscheinlich Anfang Juni auch hin. Bisschen unsicher bin ich, trotz nachforschen im Internet (deshalb bin ich jetzt bei Dir) und einer E-Mail an den Betreiber der Bootstour auf die Wetterinseln die bisher unbeantwortet blieb, ob wir 1. unseren lieben Eurasierrüden mit auf die Hauptinsel nehmen können und 2. ob die Überfahrt sehr heftig ist (da ich Probleme mit Reiseübelkeit habe, aber auch SuperPep dagegen 😉 )?! Die Hummersafari mache ich jedenfalls schon mal nicht 😉 !
    Vielen Dank für eine evtl. kurze Antwort hier oder per E-Mail)!
    Viele Grüße
    Stephan

    • Hallo Stephan,
      hast du die Mailadresse genommen, die auf dieser Seite unten steht? https://vaderoarna.com
      Sonst würde ich es da nochmal versuchen oder ggf. anrufen, die sprechend da alle gut Englisch. Was Hunde angeht, kann ich nichts sagen, würde aber vermuten, dass das gehen sollte. Die Überfahrt war bei uns tatsächlich anfangs auch ziemlich schaukelig, aber da der Katamaran dann Gas gibt, geht es. Und wir hatten auch echt ziemlichen Wind. Die Hummersafari würde ich dir wirklich nicht empfehlen, aber im Juni kommst du ohnehin nicht in Versuchung, Hummersaison ist erst im frühen Herbst.
      Ich hoffe, eure Tour auf die Wetterinseln klappt. Es lohnt sich auf jeden Fall! Und liebe Grüße an Pia (auch wenn sie sich sicher nicht mehr erinnert)!
      Anke

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