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Drei Tage Nordsee II – Zugvögel vielleicht, Schlammkühe und Fischefüttern

An Tag zwei versuchen wir unser Glück am anderen Ende des Jadebusens, nordöstlich davon an der Wurster Nordseeküste – auf dem Deich mit einem Nationalpark-Ranger. Ob das hilft…?

Das Wichtigste vorweg: Das Wetter ist gut heute. Und „gestern war hier noch hier alles voll, Hunderte von Gänsen, ich hab‘ extra nochmal geguckt vor der Tour“, sagt Nationalpark-Ranger Frank Penner. Hm – heute sind die Gänse jedenfalls weg. Wahrscheinlich war wieder Nordwind und sie sind jetzt wohl in Hooksiel, wo gestern keine waren… Supa!!!

Was der Ranger so weiß

Aber falls doch einzelne Zugvögel zu finden sind, sollte Renner sie entdecken, schließlich führt er die Tour an den Salzwiesen entlang. Und schleppt ein mächtiges Spektiv mit sich, um die Entdeckten richtig groß zu machen. Dazu will er noch so Einiges über sein Leben als Ranger verraten. Also allemann hoch auf den Deich!

Von oben hat man den besten Überblick über die feuchten Salzwiesen, das Renaturierungsgebiet bei Cappel-Neufeld. Sieht erstmal unspektakulär aus: eine riesige matschige Wiesenfläche mit großen Wasserlachen drin und schwarzbunten weidenden Kühen im Schlamm. Und ein paar fernen Vögeln, jawoll!

Zum Meer hin scheint der niedrige Sommerdeich wohl nicht mehr zu halten, jedenfalls dringt dort Wasser durch eine breite Lücke – und das ist Absicht, erklärt Penner: 2008 hat man den vorderen Deich an mehreren Stellen durchstochen und Priele angelegt. So kann die salzige Flut die breite Grasfläche immer schön regelmäßig wässern und feucht halten. Salzwiesen sind es jetzt. Und die machen sich offenbar nicht nur gut als Brutgebiete für gefährdete Säbelschnäbler oder Kiebitze, sondern auch den Nationalpark ein Stückchen größer.

Als Ausgleich dafür, dass damals der Containerhafen Bremerhaven ein Stück erweitert wurde. Sogar die seltenen Stelzenläufer sollen neuerdings hier brüten: zierliche Wat-Vögelchen mit absurd langen Beinen (siehe hier, hier) und hier). Ihr ahnt es wahrscheinlich schon – in echt waren leider gerade keine da… 🙂

Von Rindern und Deich

Die Kühe sind übrigens was Besonderes. Sehen zwar so aus wie „stinknormale“ schwarzbunte Holstein-Friesen, die hier zu Millionen im Norden herumstehen. Aber dies sind schwarzbunte Niederungsrinder – eine alte, robuste Rasse, die mit ihren Hufen bestens durch den Schlamm kommt, ohne tief einzusinken.

Natürlich stehen sie auf den Salzwiesen nicht so dicht wie ihre Kollegen auf der Bauernweide. Es gibt auch nur ein paar Tausend in Deutschland. Und „natürlich“ sind sie weniger produktiv in Sachen Milch und Fleisch – aber dafür genügsamer, lerne ich, langlebiger und ein „Zweinutzungsvieh“.

Obendrein helfen sie, das gesalzene Gras kurz zu halten, denn aus irgendeinem Grund mögen Zugvögel keine langen Gräser zum Landen. (Vielleicht gibt’s bald in hiesigen Restaurants auch „Salz-Steak“, so wie das „Salzlamm“ zu Ostern?)

             Wer nich dieken will, mutt wieken

Und Sturmfluten? Auch da helfen die überfluteten Flächen vorm Deich, sie können sie abmildern, wie die moderne Wissenschaft zeigt. „Aber sowas ist den Alteingesessenen nur schwer zu vermitteln“, sagt Penner, „wenn jahrhundertelang die eherne Regel galt, dass es ohne feste und immer höhere Deiche nicht geht.“ Deshalb das alte Küsten-Sprichwort: Wer nicht deichen will, muss weichen…

Und der Ranger erzählt, dass so Mancher hier selbst noch einen dramatischen Deichbruch erlebt hätte und offene Flutungsflächen als Bedrohung empfindet. Darum umfasst Penners Job nicht nur Touristenführer und Aufpasser, sondern auch den Mittler zwischen Einheimischen und Naturschützern. Er versteht beide Seiten, sagt er, schließlich ist er hier aufgewachsen.

Zwei, drei Kilometer weiter sind wir um Einiges schlauer, haben vom flugstarken Knutt gehört und sogar einige einzelene Entenarten, Austernfischer und Co. durchs Spektiv gesehen. Außerdem ist ein Gänseschwarm über den Himmel gezogen. Aber „laut sicherer Quelle“ sollen sich noch ein Stück weiter wirklich viele Gänse aufhalten.

Doch die Kids machen schlapp und so kehren wir schon mal um. Auf der anderen Seite vom Deich übrigens schwärmen Unmengen von Möwen – Moment, unten links, drei große Klopse, was ist das? Ha! Eine graue Gans und zwei Schwäne! Manche Höckerschwäne sind auch Zugvögel! Gesehen!!!

Der Rest der Gruppe hat am Ende tatsächlich eine Menge rastende Gänse gesehen. Aber an den Schwänen vorbeigeguckt…

P.S.: Fischefüttern

Das Naturpark-Haus vor Ort ist zwar klein und fein, aber das älteste der 18 Häuser in Niedersachsen. Es hat ein echtes kleines Ebbe-Flut-Modell, samt Wattwürmern, Muscheln und mehr – die offenbar gut damit klar kommen, dass die Gezeiten alle 6 statt alle 12 Stunden wechseln. Und hier gibt es ein ganzes Netz an Aquarien:

Anders als anderswo stehen sie im fensterhellen Raum verteilt und teilen sich alle einen Wasserkreislauf. Zur Fütterung werden Garnelen und Fliegenlarven per Zange serviert. Da kommt es schon vor, dass die Fische und Krebse ganz kribbelig werden, weil der Geschmack im Wasser schon angekommen ist, bevor ihr eigenes Futter da ist…

 

GUT ZU WISSEN

Die Zugvogeltage 2019 sind zwar vorbei, aber das wissen ja die Zugvögel nicht – da flattert noch so Einiges bis zum Ende der Zugzeit. Vielleicht habt Ihr mehr Glück, falls Ihr gerade an der Nordseeküste seid  – oder sonst wieder im kommenden Jahr.

 

 

Diese Recherche wurde in Teilen unterstützt von „Die Nordsee“ und der Kurverwaltung Wurster Nordseeküste.

Fortsetzungs“roman“:
Und so erging es uns an  Tag 1 und Tag 3 mit der Zugvogel-Suche…

 

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