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Drei Tage Nordsee: Alle Zugvögel sind schon da!!?

Möwen überall, kreischen, picken, trippeln, Angriffe auf mein Brötchen fliegen – das geben meine Kindheitserinnerungen an die Nordsee her. Ein paar Enten im Sand. Plus ein komischer Austernfischer. Offenbar war ich mit anderen Sachen beschäftigt, denn auch damals müssen schon Unmengen an Zugvögeln herumgeflattert sein, im Frühling und Herbst. Und gerade veranstalten die Orte entlang Niedersachsens Wattenmeerküste schon zum 11. Mal ihre „Zugvogeltage“. Mit vollem Programm, noch bis kommenden Sonntag. Zeit, sich das mal näher anzugucken…

Ganz früh aufstehen heißt’s schon am ersten Tag: Morgens um sieben geht es aufs Wasser, halbwach erst. Die „Jens Albrecht“ startet vom Außenhafen Hooksiel ins Nationalparkgebiet – eine „Sonnenaufgangsfahrt zu den Gänsen“. Klingt super, noch ist draußen alles stockduster, aber während der Motor zu brummen anfängt, gibt es unter Deck schon mal belegte Brötchen und erste Informationen. Die Banknachbarin ist voriges Jahr schon mitgefahren und schwärmt von dem traumhaften Sonnenaufgang, vor dem lange Gänsescharen vorbeizogen…

Sinfonie in grau

Doch das wird wohl nix werden heute, wie sich schnell zeigt: Es wird heller, ein Horizont wird erkennbar, der färbt sich im Osten einen Hauch rosa – und danach wieder grau in grau. Aber es nieselt nicht mehr, also trockenes Schietwetter. Und alle stehen an Deck und suchen nach gefiederten Objekten der Begierde. Dabei sind Viele gut ausgerüstet mit großen Ferngläsern oder wirklich langen Objektiven an der Kamera.

Viele sind „Ornis“, wie sie sich selbst nennen – Hobby-Ornithologen, die ihren Urlaub rund um die Welt meist auf der Jagd nach Vögeln verbringen. Pseudojagd natürlich, denn „erlegt“ wird nur im Auge des Betrachters oder mit der Kamera. Aber auch allgemeine Vogelfans oder Naturfreunde wie wir sind an Bord: Mal gucken, was man hier so zu sehen kriegt…

Informationen kommen von allen Seiten: Von den Nachbarn, die sich auskennen – von den vier Vereins- oder Nationalparkvertretern an Bord, die auch ihre dicken Bücher mithaben – und aus dem Lautsprecher von der Brücke, wo jemand nochmal Interessantes von Deck wiederholt, was vielleicht nicht alle hören konnten. Schon bei der ersten Brötchenhälfte hab ich gelernt, dass Lachmöwen eigentlich Süßwasservögel von Flüssen, Teichen und Wasser-Lachen(!) sind. Die sich aber längst auch an der Küste etabliert haben.

Wat Zugvögel am Watt finden

Wir hören, wie wichtig der Nationalpark Wattenmeer für die Zugvögel ist, die aus Sibirien oder Nordnorwegen kommen und hier entweder schon bleiben – oder Kraftfutter für den Weg nach Afrika aufnehmen. Dass der Knutt etwa, ein relativ kleiner Matz, jetzt hier statt an der niederländischen Küste rastet, weil er hier noch sein Futter findet – ohne Herzmuschelfischerei.

Auch wie die Trauerente aussieht, wissen wir jetzt: fast komplett schwarz, daher der Name. Dieses Jahr ist sie „Zug-Vogel“ der 11. Zugvogeltage des Nationalparks Wattenmeer in Niedersachsen. Und wieviele Gänsearten hier vorbeikommen; und dass inzwischen auch Löffler typische Gäste sind, sie mögen es gern wärmer….

Nur Zugvögel lassen sich keine blicken…

„Voraus ein paar Schweinswale“, heißt es von der Brücke – und sind ungesehen schon wieder weg. Dafür liegen vor der Insel Mellum ein paar Robben faul auf der Sandbank. Und der einzelne Fleck könnte ein Austernfischer sein. Gern lassen die Anderen mal durch ihre lange Optik gucken.

„Weg!!!“ höre ich und denke, ich stehe jemandem beim Gucken in der Sichtachse – es hieß aber „Heck!!!“, denn da ist nach anderthalb Stunden endlich die ersten Gänsezug zu zusehen! Zugvögel gucken ist ein Gemeinschaftserlebnis: Jeder hilft Jedem, gefiederte Freunde zu erblicken, und sofort schwenken jetzt alle Ferngläser nach hinten.

Dann doch mehr Vögel

Und es werden tatsächlich mehr – als wir nach vier Stunden wieder landen, haben wir tatsächlich eine ganze Reihe Gänse gesehen: Graugänse, Nonnengänse, Ringelgänse und andere. Mit hellem oder dunklem Unterbauch, weißen Wangen oder nur halb umlaufenden Halsringen?

Haubentaucher in Flutformation. Eine Trauerente sogar, heißt es – vielleicht als wir gerade unter Deck waren und das ausgestopfte Exemplar betrachtet haben? Schwarz bis in die Flügelspitzen. Dabei noch mehr Informationsmaterial über Zugvögel und etwa die lange Liste zum Ankreuzen der eigenen Sichtungen, die uns dieser Tage immer wieder begegnen wird.

Die Stimmung an Bord ist gut, wie unter Freunden, trotz grauen Schietwetters und fehlender Vogelschwärme. Sonst sind sie dieser Tage zu Tausenden hier, sagt Ralf Sinning, Leiter des Nationalpark-Hauses Wangerland – aber gerade herrscht wohl die falsche Windrichtung. Warme Luft kommt von Süden, aber Zugvögel fliegen nicht gerne gegen den Wind. Kann man nix machen….

Als Bonbon warten beim Einlaufen in den Hafen wieder Möwen zuhauf und sogar ein paar Kormorane.

 GUT ZU WISSEN

Wer gerade an der Nordseeküste ist, zwischen Emden und Wremen, von Aurich bis Zetel, kann bis zum Sonntag noch allerorten einige Veranstaltungen mitmachen:  von Märchenstunden und Zugvogelpoesie bis zu Fotoausstellungen und Touren mit dem Ranger. Das große Abschlussfest steigt am Sonntag in Horumersiel. Oder sonst wieder im nächsten Jahr!

 

P.S.:
Einen richtigen Brackvogel kriegten wir übrigens doch auch noch zu Gesicht – am Nachmittag im liebevoll eingerichteten Naturparkhaus Wangerland…

 

Diese Recherche wurde in Teilen unterstützt von „Die Nordsee“ und Wangerland-Tourismus.

Fortsetzungs“roman“:
Und so erging es uns an  Tag 2 und Tag 3 mit der Zugvogel-Suche…

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