Schwedens größte Insel Gotland ist wie ein riesiges Freilichtmuseum: mit Kirchen und Häusern aus dem Mittelalter, Zeugnissen der Wikingerkultur und 147 Naturreservaten.
Überall Schafe. Bei den Stadttoren, am Hafen und auf dem Marktplatz von Visby stehen sie, die steinernen Widder mit ihren kräftigen, gebogenen Hörnern. An der dreieinhalb Kilometer langen Ringmauer aus Kalkstein, die den mittelalterlichen Kern der Hansestadt einmal komplett umschließt, scheinen die Figuren die Eingänge zu bewachen – und genaugenommen stimmt das ja auch, sie sorgen dafür, dass kein Auto hindurchfährt und auch in der Stadt an bevölkerten Ecken kein motorisierter Verkehr den Menschen schadet. Und auch das Wappen der Provinz zeigt das Lamm Gottes. Da passt es ja, dass in Gotlands Hauptstadt zwölf Kirchenruinen im romanischen und gotischen Stil erhalten sind… Die schönste und am besten erhaltene darunter ist St. Katarina am Stora Torget, dem großen Marktplatz. Sie wird auch St. Karin genannt. Bis heute stützten sich die steinernen Gewölbebögen, nur dass inzwischen blauer Himmel zwischen ihnen hindurchblitzt.Im Sommer finden hier öfter mal Theaterauffühungen und Konzerte statt, im Winter soll man darin auch schon eine Schlittschuhbahn eröffnet haben. Skaten in schönem Ambiente.
Profan wird heute auch die Ruine St. Hans genutzt: Man sitzt man bei schönem Wetter im Grünen zwischen Mauerresten bei einer Fika, trinkt Kaffee und schmaust Zimtschnecken. Irgendwie atmet hier alles Geschichte, man wähnt sich fast in einem Freiluftmuseum (vor allem, wenn die Kreuzfahrtschiffe anlegen und die Passagiere die Stadt entern). Die Unesco-Welterbestadt blickt jedenfalls auf eine lange Geschichte zurück, im Gotland-Museum sind archäologische Funde noch aus der Wikingerzeit zu besichtigen.
Die Vergangenheit zelebriert man hier geradezu: Jeden August versammelt sich zur Mittelalterwoche ein buntes Völkchen in der Inselhauptstadt, dann laufen in Walkfilz und Leder gekleidete Schauspieler und Mittelalterfans umher, Trommeln ertönen und Ritterspiele bringen wie einst das Publikum zum Johlen.
Die Insel als Freilichtmuseum
Aber was sage ich, Visby ein Freilichtmuseum? Nein, die ganze Insel! Hier gibt es Runensteine, rund 350 Schiffssetzungen aus der Wikingerzeit und 92 mittelalterliche Kirchen, die bis heute genutzt werden. Zu den schönsten gehört die Kalksteinkirche von Fröjel, einst einer der wichtigsten Wikingerhäfen Gotlands. Besonders gefallen hat mir der Taufstein mit seinen Reliefs, die Drachen und andere gehörnte Fabeltiere (oder sind es vielleicht einfach Schafe?) zeigen.
In der Inselmitte überdauerten in Roma Kungsgård auf einem historischen Thingplatz die Überreste eines Zisterzienserklosters aus dem 12. Jahrhundert die Zeit. Manche Gebäude nutzten später ganz pragmatisch die Inselbauern als Unterstand für ihre Tiere. Der Botaniker Carl von Linné beschrieb die Kirchenruine im Jahr 1741 als „den prächtigsten Schafstall Schwedens“.
Heute dient sie als Freiluftbühne und Roma Kungsgård ist zu einem zentralen Kulturtreffpunkt geworden. Neben all dem historischen Erbe beeindruckt immer wieder auch die abwechslungsreiche Natur der „Perle der Ostsee“, wie Gotland auch genannt wird: Ganze 147 Naturlandschaften sind geschützt, darunter Moore, Steppen und Wälder.
Auf der Insel leben auch 80 halbwilde Gotland-Ponys im Waldgebiet Lojsta hed und deutlich mehr Schafe als die rund 57.000 „Gutar“, wie sich die Inselbewohner selbst nennen. Die wolligen Vierbeiner gehören meist einer von zwei Rassen an, Gotlandschaf oder Guteschaf. Bei letzteren tragen beide Geschlechter Hörner, weshalb sie bei den Einheimischen auch „Hornlambi“ heißen.
Die meisten Guteschafe weiden auf Lilla Karlsö, einer baumlosen, unter Naturschutz stehenden Insel mit reicher Vogelwelt westlich von Gotland. Im Sommerverkehren dorthin Ausflugsboote, Naturfreune gehen hier gern wandern. Aber Achtung, es gibt keine Gastronomie auf der Insel.
Lammgerichte und Safranpfannkuchen
Bei den vielen Inselschafen wundert es nicht, dass die Restaurants Gotlands zahlreiche Lammspezialitäten auf der Karte haben. Nichts für mich als Vegetarierin. Aber im Herbst trumpft ein anderes Lebensmittel auf: der Trüffelpilz. Den kann man auf Trüffelsafaris mit speziellen Hunden selbst suchen und sich anschließend getrüffelte Gerichte in guten Restaurants wie dem Smakrike im alten Seebad Ljugarn schmecken lassen – das gefällt mir doch schon besser. Das offizielle Nationalgericht Gotlands verlangt hingegen nach Früchten, und hier bin ich voll dabei: Für Safranpfannkuchen mit Salmbärssylt und halb aufgeschlagener Sahne kocht man aus den dunkelblauen Salmbär-Früchten eine schmackhafte Marmelade. Die Pflanze ist mit der Brombeere verwandt, wächst wild als Bodendecker auf der Insel und heißt bei uns Kratzbeere. Und ist so als Marmelade echt lecker.
In Etelhems Töpferei
Besonders stilecht lässt sich so ein leuchtend gelber Safranpfannkuchen von einem getöpferten Teller aus Etelhems Krukmakeri futtern. Inhaber Torleif Solberg stellt in seiner Werkstatt im Südosten Gotlands auf der ganzen Insel beliebte Gebrauchskeramik her. Selbstverständlich gibt es hier auch Becher, auf denen Schafe abgebildet sind… Und man kann selbst Hand anlegen in einer kleinen Gäste-Werkstatt. Wer danach Lust auf noch mehr Getöpfertes hat, folgt der „Keramikrundan“ mit sechs regionalen Werkstätten.
Fast jede Gotlandreise endet schließlich wieder in Visby, wo es auf die Fähre oder zum Flughafen geht. Vorher noch einen letzten Rundgang durch die kleinen Gassen mit ihren hübschen Lädchen machen, ein paar Erinnerungen oder wahlweise auch etwas aus Wolle einsammeln…
… und noch ein paar Infos zu Gotland
Gotland liegt zwischen Schweden und Finnland in der Ostsee und ist 3000 Quadratkilometer groß. Die Hanse- und Inselhauptstadt Visby ist Unesco-Weltkulturerbe mit komplett erhaltener mittelalterlicher Ringmauer und Innenstadt.
Die beste Reisezeit für die Sonneninsel Gotland ist zweifelsohne der Sommer. Mitte August schließen viele Attraktionen, Restaurants und selbst manche Hotels. Man kommt stilecht auf dem Meer oder per Flugzeug auf die Insel: Nach Visby verkehren Fähren von Oskarshamn und Nynäshamn, Flüge gehen meist über Stockholm-Arlanda. Die Fährüberfahrt dauert rund drei Stunden.
Schafwolle-Fans finden auf Gotland bestimmt einen neuen Lieblingspullover, z.B. im Laden Kvinnfolki in Visby mit handwerklichen Produkten nur von Frauen, www.kvinnfolki.se. Etelhems Krukmakeri: www.etelhemskrukmakeri.se
Mittelalterlich Schäfchen zählen im Design-Hotel Fårösunds Fästning: Man schläft in der alten Festung wahlweise in modernen Räumen oder urigen Gewölben.
Im vielfach ausgezeichneten Restaurant Smakrike im alten Badeort Ljugarn locken mittags günstige Lunchangebote. Im Herbst gibts Trüffelsafaris mit speziellen Hunden und hinterher ein Trüffelmenü.
Mehr Informationen
www.visitsweden.de/gotland
www.destinationgotland.se/de
Die Recherche wurde von Visit Sweden und Destination Gotland unterstützt.
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