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Die Sache mit dem Plastikmüll

Paradiesische Strände, grüne Wälder, kristallklares Wasser. Eigentlich wollen wir von unseren Reisen am liebsten schöne Bilder mitbringen. Doch der Plastikmüll der Welt schwappt auch an die letzten Paradiesstrände, eigentlich kann man ihm nirgendwo am Meer entkommen. Was kann man tun? Es gibt hoffnungsvolle Initiativen – zum Beispiel in Ecuador…

Als ich in diesem Sommer nach langer Zeit mal wieder am Pazifik unterwegs war, konnte ich bei Ebbe ganz deutlich die Flutlinie am Strand erkennen, und zwar nicht nur dort, wo eine kräftige Welle Seetang, Holz, Muschelschalen – oder auch Müll – hinterlassen hat (das gab es auch früher schon). Heute zieht sich am gesamten Strand eine feine dunkle Linie entlang. Die besteht nicht nur aus Naturmaterialien , sondern ist mit winzigkleinen, bunten Plastikkügelchen durchsetzt. Wie groß das Plastikmüllproblem inzwischen ist, zeigt auch der größte, stetig wachsende Müllstrudel im Pazifik, der Great Pacific Ocean Garbage Patch. Überall auf der Welt verenden Meeresbewohner inzwischen qualvoll an Kleinstmüll und in herumtreibenden Geisternetzen.

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Was können wir tun?

Gerade haben wir Reisefedern auf einem Workshop zum Thema Nachhaltigkeit in Hamburg inspirierende Vorträge gehört. Darunter den Wissenschaftler und Science-Slammer Simon McGowan, der an biologisch abbaubaren Kunststoffen forscht. Aber auch er sagt, dass man nicht sämtliches Plastik auf der Welt durch solche Kunststoffe ersetzen kann – schon jetzt werden die wachsenden Mais-Monokulturen, die den Rohstoff für dieses Bioplastik liefern, zu einem ökologischen Problem. Wir können in unserem persönlichen Leben Plastikverpackungen vermeiden, dazu lieferte die Bloggerin Nadine Schubert viele Ideen. Aber können wir hier in Deutschland damit die Meere retten? Dazu sind auch internationale Projekte notwendig.

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Denn Hauptursache ist der so genannte „mismanaged plastic waste“ in den Ozean-Anreinerstaaten, weil die Verwaltung der wachsenden Müllberge nicht Herr wird und der Müll einfach in Meeren und Flüssen landet. Gerade in ärmeren Ländern steht die Entsorgung nicht unbedingt an erster Stelle auf der Prioritätenliste. Und ein Teil des Plastikmülls landet dann wieder an den Stränden.
Aber es gibt auch dort Hoffnung, am Pazifik haben sich vielerorts Initiativen gegründet von Menschen, denen das Meer am Herzen liegt. In Ecuador zum Beispiel. Das ist nicht nur das sympathische, kleine Land, das auf seinem Staatsgebiet die wohl größte Artenvielfalt der Welt beherbergt oder das dem Wikileaks-Gründer Julian Assange Asyl in seiner Londoner Botschaft gewährt. Hier hat sich vor zwei Jahren „Mingas por el Mar“ formiert.

Eine Minga, was ist das überhaupt? Es geht hier um einen uralten Brauch, der noch aus Inka-Zeit stammt und sich über die Jahrhunderte fest in vielen Gemeinden Ecuadors verankert hat: Eine Minga ist Ehrensache und wenn dazu aufgerufen wird, helfen alle mit – denn es geht darum, die Gemeinschaft voranzubringen, Dinge, die für alle wichtig sind, auf die Reihe zu bekommen. Wasserrohre für alle verlegen, ein neues Gemeindehaus bauen, die Stadt für das bevorstehende Fest herausputzen? Man wartet nicht auf staatliche Hilfen, sondern ruft auf zu einer Minga, das hat Tradition in den Communities, ist gewissermaßen eine alte Inka-Version von Sharing Economy. Ich finde es eine schöne Idee, den Namen der neuen Organisation an diese alte Tradition anzulehnen.

Unsere Fragen an Isabel Romero und Cecilia Torres:

Wie waren die Anfänge von Mingas por el Mar?

Cecilia: Wir sind eine gemeinnützige Organisation, die 2014 von zwei Personen gegründet wurde, die das Meer lieben: Isabel Romero und Michael Warwick. Isabel stammt aus Ecuador und lebt seit elf Jahren mit ihrem Mann in Australien. Sie und ihr Mann hatten seitdem mehrere Male Ecuador besucht, aber im Jahr 2014 waren der Schock und die Frustration über die Menge an Müll an den Stränden so groß war, dass sie beschlossen, etwas zu tun.

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Isabel: Zuerst haben wir damit begonnen, Plastikflaschenverschlüsse zu sammeln und fertigten daraus Matten, um die Aufmerksamkeit auf das Problem der Plastikverschmutzung in unseren Ozeanen zu lenken. Wir wollten mit den Menschen darüber sprechen, woher all dieser Müll kam und haben einige Schulen besucht und aufgeklärt.

Wie habt Ihr es geschafft, freiwillige Helfer zu finden?

Isabel: Im Jahr 2015 beschlossen wir, eine Facebook-Seite mit Informationen zu starten und eine noch größere Aufklärungskampagne in Ecuador zu ermöglichen. Mit dieser Kampagne versuchen wir, die Menschen zu motivieren, damit sie mithelfen und sich des Problems bewusst werden. Im Januar 2016 hatten wir an jedem Wochenende Reinigungsaktionen an verschiedenen Stränden und parallel eine Vortragsreihe an Schulen. Wir haben das große Glück, dass Cecilia Torres und ihr Freund Ricardo Plaza mithelfen. Ich kannte Cecilia aus der Schule. Auch andere Leute fingen an, uns zu kontaktieren, darunter Luis Gustavo Viteri und seine Freundin Maria Gracia Gonzalez, die für uns die Seite bei Instagram aufgebaut haben. Luis hat Infotafeln für verschiedene Dörfer und Städte entworfen, die wir im Januar besucht haben. Die Tour war ein Erfolg für Mingas. Wir waren nicht nur in der Lage, mehr als zwei Tonnen Müll vom Strand aufzusammeln, sondern auch die Aufmerksamkeit der Regierung sowie der Medien auf das Problem zu lenken – und haben es so geschafft, viele Menschen zu erreichen.

Cecilia: Zusätzlich zu unseren Aktivitäten in sozialen Netzwerken sprechen wir auch an Universitäten und Hochschulen. Normalerweise kontaktieren uns die Freiwilligen über Facebook, unsere Website oder sprechen uns an, wenn wir Bildungseinrichtungen besucht haben, um Vorträge zu halten. Es war nicht einfach, eine stabile Gruppe aufzubauen, aber jetzt haben wir es geschafft. Wir veranstalten inzwischen alle ein bis zwei Monate ein Treffen um zu hören, was jeder Freiwillige macht, und um die Rolle festzulegen, die jeder bei der nächsten Strandsäuberung übernimmt – und auch um Fundraising-Veranstaltungen zu organisieren .

Wozu braucht Ihr das Geld?

Isabel: Das Geld brauchen wir, um Materialen für die Infostände zu besorgen, außerdem Lebensmittel für die Helfer. Bisher konnten wir das durch Gofundme finanzieren, das Geld kam fast ausschließlich von unseren Freunden sowie von Familienmitgliedern. Bisher haben wir nur 500 Dollar für diese Arbeit ausgegeben und damit schon sehr viel erreicht.

Jedes Jahr nimmt die Menge an Plastikabfällen im Meer drastisch zu. Habt Ihr das auch zu spüren bekommen?

Cecilia: Ja, leider, und wir wissen auch, dass die Strandreinigungsaktionen allein das Problem nicht lösen können. Viel von dem Müll, den wir finden, stammt aus den großen Städten. Auch die handwerkliche Fischerei bildet ein wichtiges Problem dabei. Darum ist es auch unser Hauptziel, über Bildungsprogramme darauf aufmerksam zu machen – und das nicht nur in den Küstengemeinden, sondern auch in Städten wie Guayaquil.
In diesem Jahr verschaffen wir uns einen Überblick und bestimmen, wie wir in den Gemeinden im nächsten Jahr arbeiten werden, nicht nur, um den Strand sauber zu bekommen, sondern auch, um Workshops und Vorträge über Umweltbildung zu halten. Unser Hauptziel ist, durch „Mingas por el Mar“ für jede Gemeinde einen Botschafter auszubilden, damit unsere Arbeit auch nachhaltig Wirkung zeigt.

Was macht Ihr mit dem gesammelten Müll?

Cecilia: Während wir den Strand säubern,  klassifizieren wir den Müll in recycelbar (Kunststoff in gutem Zustand, Glas etc.) und in das, was wir nicht recyceln können. Anschließend setzen wir uns mit einem Recycler in der Umgebung in Verbindung. Den Rest nimmt ein Müllwagen mit.
Wir sammeln derzeit zudem Mikroplastik und Kronkorken, weil wir die im kommenden Jahr nutzen möchten, um daraus Wandbilder und Skulpturen zu fertigen.

Was motiviert Euch?

Isabel: Was uns am meisten motiviert, ist, dass die Verschmutzung des Meeres mit Plastikmüll Millionen von Lebewesen beeinflusst. Unsere Aufgabe ist es, etwas zu tun, um die Situation zu verbessern. Wir denken, es ist Zeit, dass wir alle diese Verantwortung übernehmen und verstehen, dass das Problem der Plastikverschmutzung aus unseren Häusern kommt  – auch wenn wir viele Kilometer vom Meer entfernt wohnen; Wie wir jeden Tag leben, was wir verbrauchen, das ist das, was sich ändern muss. In dieser Zeit, in der wir leben, in der wir so viel Lebenszeit hinter unseren Bildschirmen verbringen, denken viele, dass wir schon allein durch die Berührung einer Taste Aktivisten sind. Aber es ist Zeit für mehr Taten und für mehr Verständnis dafür, dass der Wandel von unserem Handeln abhängt.

Kategorie: nachhaltig

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Vom heimischen Bauernhof ins Chemielabor und raus in die weite Welt: Heute lebe ich als Journalistin und Autorin - back to the roots - im Weserbergland und darf die Reiselust mit der alten Leidenschaft für Naturthemen verbinden. In unserer binationalen Familie sind wir als Grenzwandler zwischen Deutsch und Spanisch unterwegs.

4 Kommentare

  1. Karin sagt

    Endlich wird dieses Thema aufgegriffen, das passiert viel zu selten – und jede/r Reisende, die/der mit wachen Augen durch die Welt zieht, SIEHT den ganzen Plastikmüll. Es ist eigentlich zum Verzweifeln, denn es wird ja munter weiter produziert und weggeworfen. Und doch machen solche Initiativen wie in Ecuador Mut. Im Nachbarland Peru, im Amazonasgebiet, ist mir gerade ein einheimischer Guide begegnet der jeden, der vom Boot aus Plastik in den Amazonas schmeißt (und das tun einige Menschen!), anspricht und auffordert, die Tüte doch bitte wieder einzusammeln. Er glaubt fest an den Erfolg der kleinen Schritte…

    • Liebe Karin, ich fand auch toll, dass diese Initiative sich nicht nur auf das Einsammeln beschränkt, sondern auch in Schulen und anderen Bildungsinstitutionen Aufklärungsarbeit leistet. Dein Guide hat vollkommen Recht, es sind die kleinen Schritte, die den Wandel voranbringen.

  2. stimme mit Karin überein! sagt mal was hat denn der Mann auf dem Foto in der Hand? ein überdimensional großes „Vier gewinnt“? 🙂

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