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Ecuador: Mit dem Schamanen unterm Wasserfall

Um die Hüften nur ein samtweiches Jaguarfell gebunden, auf dem Kopf leuchten gelb-rote Tukanfedern, die schönsten seines Dorfes Tawasap – und um den Hals baumelt ein Amulett aus Anakonda-Leder. Andächtig steht der große Schamane vor den herabstürzenden Wassermassen und hebt beschwörend die Arme. Tzama ehrt den Wasserfall, die Natur – und reinigt leise murmelnd den feucht-schwülen Ort von allem Bösen. Ich hab‘ das Gefühl, ich bin mittendrin in einem Hollywoodfilm, und Tzama Naychapi ist ein guter Schauspieler. Doch nichts dergleichen. Wir befinden uns im Naturreservat Hola Vida – im Osten des südamerikanischen Landes Ecuador.


Ecuador, Schamanen

Der Urwald lebt

„Schon seit Jahrhunderten haben wir eine enge Verbindung zur Natur“, sagt der Heiler. Und in den nächsten Stunden macht er uns klar, wie wichtig die Natur doch für unsere Zukunft ist. Ein richtiger Umweltschützer – und irgendwie auch ein guter Tourismusvertreter von Ecuador. Um mich herum rufen Papageien und Sittiche. Der Urwald lebt. Ich schwitze und staune im Reserva de Bosque Tropical Hola Vida. Neben mir steht, im Dickicht von tief hängenden Lianen und Chontapalmen, der große Medizinmann mit ernster Miene. Aber ebenso auch Jäger mit Blasrohr und Speer.

Ecuador, Schamanen

Naturarzt gibt der neuen Kraft im Körper Platz

Jetzt mischt Tzama aber eine Mixtur aus wilden Dschungelkräutern zu einem Saft zusammen, und wir ziehen das grünlich Befremdliche durch die Nase. Es schmeckt schleimig, nach Kräutern. „Ich hole die schlechte Energie aus deinem Körper, damit neue Kraft Platz hat.“ Auf diese Weise heilt der Naturarzt auch körperliche Gebrechen oder Grippeerkrankungen. Schon als kleiner Junge lernte der heut 50-Jährige von seinem Vater, dem Dorf-Chef, alles über Heilpflanzen und Rituale.

    Ecuador, Schamane

Shuar leben im ärmsten Gebiet von Ecuador

Doch er ist bei Konflikten auch Vermittler zwischen 27 Shuar-Gemeinden. Tzama ist Schamane der Shuar, eines indigenen Volkes im Amazonastiefland östlich der Anden.  Sein Volk lebt im ärmsten Gebiet von Ecuador und ist für die Schrumpfköpfe der Feinde aus dem Peru-Krieg bekannt. Sie sind die zweitgrößte Gruppe aller Indigenas im Lande: Die Shuar haben es als vielleicht einzige verstanden, ihre Unabhängigkeit und Kultur seit der spanischen Kolonisation weitgehend zu erhalten. Tzama ist wie sein Vater ein Heiler, „der alle Geheimnisse kennt“. Am Wasserfall predigt er auf Shuar, der gleichnamigen Sprache seines Volkes, von gegenseitigem Respekt und Akzeptanz der Andersartigkeit.

Seelenreinigung unter dem Wasserfall

Er führt mit mir, mit uns eine innere Reinigung durch, um die Seele zu reinigen. Dann brüllen wir laut in den Dschungel hinein. „Das ganze Universum kann dich hören, wenn du unter einem Wasserfall schreist“, meint Tzama, „das gibt viel Energie“. Eine magische Stimmung liegt über der Zeremonie – und ich fühle mich hinterher tatsächlich gestärkt. Mit dem schwarzen Saft der Suwa-Frucht werden unsere Gesichter noch mit Tierzeichen verschönert. „Damit wir uns eines Tages wiedersehen“, schmunzelt der charmante Schamane.

Ecuador, SchamaneEcuador, Schamane

Ecuador, DorfMadeleines Kraft der Kräuter 

Ganz in der Nähe des Naturreservats liegt inmitten einer verwunschenen Bananen-Plantage das winzige Dorf Vencedores – die „siegreichen Menschen“. Doch die Quechua-Gemeinde ist nicht reich: Die Großfamilie lebt in Holzhütten mit Palmendächern und Plumpsklo, das Trinkwasser kommt aus Quellen. Und doch ist Mutter Madeleine glücklich, mit neun Kindern und 20 Enkeln.

Die zierliche Kräuterfrau zeigt mir ihren winzigen Garten im Lianen-Urwald. Es riecht wunderbar frisch, nach Zitronen, Mangos und außergewöhnlichen Thymian-Arten. Madeleine weiß alles über die heilende Kraft von Pflanzen und Wurzeln.

Baumrinde als Antibabypille

Barfuß gehen wir von Baum zu Baum. Am Chiricaspi bleibt sie stehen: Seine Rinde ist der Grund, warum die 51-Jährige „nur“ neun Kinder hat. Die hat sie übrigens ganz alleine auf die Welt gebracht. Ganz ohne medizinische Hilfe aus dem zu Fuß mehrere Stunden entfernten Puyo. Als Saft zubereitet funktioniert die Rinde des Chiricaspi wie eine Antibabypille. Ich staune. Zum Abschied probiere ich Madeleines frisch zubereitete Humitas: süßer Maisteig mit Eiern, eingepackt in Bananenblätter. Lecker!

Unter anderem bietet Diamir eine 14-tägige Erlebnisreise durch Ecuador mit einer Regenwald-Tour im Tiefland und Kreuzfahrt auf den Galapagos-Inseln an.

Wenn ihr mehr zu Ecuador lesen wollt, hier die elf Tipps meiner Kollegin Iris zu dem vielfältigen Land

9 Kommentare

  1. kariwana sagt

    Hi Sandra, da bist du den Menschen ganz schön nahe gekommen, dass sie ihre Rituale mit dir geteilt haben. War sicher eine sehr beeindruckende Erfahrung…

    • Hallo Karin, ja das war toll! Und der Schamane und seine Söhne waren sehr interessante Menschen. Hast du auch schon einmal ein Ritual mit einem Schamanen erleben dürfen? LG Sandra

      • kariwana sagt

        Hi Sandra, nein, habe ich noch nicht erlebt. Ich stelle mir das ähnlich intensiv am Baikal-See oder im Altai-Gebirge in Sibirien vor, da gibt es wohl auch Schamanen. Natürlich gehört eine tolle Natur zum Erlebnis dazu. Schaun mer ma, ob das irgend wann mal klappt… Liebe Grüße Karin

  2. Sven Schneider sagt

    Starker Text, Sandra! Schön, mal wieder was zu lesen! Beste Grüße

    • Danke, Sven! Das ist lieb. Liebe Grüße zurück, hoffe, es geht dir gut und wir sehen uns vielleicht auf der ITB.Ich bin Donnerstag-Freitag da. Und du? Lg

  3. Roberta Kupper sagt

    Toller Text!!! Ich bin auch grade in Ecuador und würde das auch gerne mal machen. Gibt es eine Möglichkeit zur Kontaktherstellung oder wie geht man am besten vor?
    Liebe Grüsse,
    Roberta

    • Hallo Roberta, danke dir vielmals. Ja am besten wäre es, du würdest ihn über Facebook kontaktieren. Unter Tzama Naychapi. Ich hab leider derzeit keine aktuelle email-Adresse parat. Versuchs doch erstmal so. Wenns nicht klappt, meld dich nochmal. Eventuell hätte ich eine tel.
      LG Sandra

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