Reisen, Städtetrip
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Herzlichen Glückwunsch Nunavut! 15 Jahre Land der Inuit (+Tipps)

ʺʺInuit PowerkindKein Aprilscherz: Sie können es! Ureinwohner regieren erfolgreich ihr eigenes Land. Das haben die Inuit im Norden Kanadas jetzt anderthalb Jahrzehnte lang bewiesen. „Nunavut“ heißt ihre eigener Bundesstaat, wortwörtlich „Unser Land“. Kanadas jüngste Provinz. Ganz schön kalt, meistens, das kann ich bestätigen…  Aber auch schön offen und herzlich!

Dabei hatten so viele vorher geunkt, vor allem andere Kanadier, im fernen Süden, dass das nie klappen würde. Dass sie auf ganzer Linie scheitern würden… Weil die InuitTiefe Spalte im Eis -- wenn im Juni die Bucht aufbricht... zum Beispiel ein gaaaaanz spezielles Verhältnis zur Zeit haben, aus alter Tradition. Das hat wohl jeder schon mal erlebt, der nördlich des 60. Breitengrads unterwegs war: Da hat man ein Treffen oder soll wo übernachten — und kein

Flughafengebäude Iqaluit

Der quietschgelbe Flughafen von Iqaluit – selbst im Schnee-Sturm noch zu erkennen!

Mensch ist da. Weil jemand Wale in der Bucht gesichtet hat und alle plötzlich zum Jagen weg sind. Da hab‘ ich schon Geschichten gehört von Unterkünften draußen in den kleinen Orten, wo drei Tage lang kein Personal kam – aber es war warm und die Gäste hatten auch so viel Spaß…

Und ja: Tatsächlich sind einige Inuit entwurzelt und arbeitslos und können dem Alkohol schwer widerstehen. Aber andere sind Juristen, Politikerinnen, Ein herzhafter Sprung auf dem Eis, wenn man die Frühlingspfützen nicht umlaufen will...Filmemacher Inuitkinder im Hightech-Klassenzimmer(Atarnajuat, der nackte Läufer, hat’s doch 2001 sogar in unsere Kinos geschafft), Geschäftsfrauen, Hundetrainer, Designerinnen, bunt gemischt. Nachdem sie lange gekämpft hatten für einen eigenen, selbstverwalteten Bundesstaat, weg vom langen Arm der Zentralregierung in Ottawa, wurde am 1.4.1999 erstmals die Flagge Nunavuts gehisst:

Flaggenparade

Drei Flaggen, drei Identitäten: Iqaluit, Kanada, Nunavut

Iqaluits Parlamentsgebäude, Nunavut, GründungssteinDas Parlament sitzt in der Hauptstadt Iqaluit – dem „Ort der vielen Fische“ – die langsam weiter wächst, mit inzwischen03Sasse-Nunavut--1380625_800 fast 7000 Einwohnern. Zunehmend ziehen auch Nicht-Inuit hierher, für Verwaltung, und immer mehr Bergbau (die Arktis taut auf, Bodenschatz-Alarm!). Trotzdem sind rund 85 Prozent im Land Inuit – in Iqaluit noch knapp 60 Prozent. Und weil immer die eigene Bevölkerung kandidiert, ist das Parlament mehrheitlich indigen und Nunavut somit „von Ureinwohnern selbst verwaltet“. Wo gibt’s das sonst noch auf der Welt?
Kids - bunt und neugierig wie überallDie „Elders“, die erfahrenen Ältesten, haben hier übrigens ein ganz besonderes Mitspracherecht – im schicken Parlamentsgebäude, das wie die anderen Häuser hier oben auf Stelzen steht und dessen Sessel mit Seehundsfell bezogen sind.Stop auf Inuktitut - wie durcheinanderkugelnde Männchen...
Es gibt viele Geschichten zu erzählen aus Iqaluit, aus Cape Dorset (Kinngait), aus Rankin Inlet , Pangnirtung, Sanikiluaq und wie sie alle heißen. Alle haben heute einen Namen auf Inuktitut, der seltsamen, melodischen Silbensprache mit durcheinander purzelnden Schriftzeichen wie Ein Inukshuk bei Cape Dorsetbei den Cree-Indianern. Übrigens heißt „Inuit“ wortwörtlich „Menschen“. Und einer von ihnen ist ein „Inuk“. „Inukshuk“ die wegweisenden Steinmännchen, die sich auch auf der Flagge Nunavuts – oder als Wahrzeichen der Winterolympiade in Vancouver – wiederfinden. Plural: natürlich „Inukshuit“.

.Ach ja, Geschichten erzählen. Von Schulen ohne FensterHaus auf Stelzen mit rosa Jeep Iglu-Kirche Iqaluitund von Facebook-Protesten gegen die hohen Lebensmittelpreise. Von Taxifahrern aus Ghana und dem Auto, in dem schon die Queen gesessen hat. Von Häusern auf Stelzen, die mit Tankwagen „be- und entwässert“ werden – Leitungen im Permafrostboden sind leider unmöglich. Von Friedhof IqaluitIqaluits Kino und SchlittenhundeSkidoo (Motorschlitten)- Ritten über baumstammdicke Spalten im Eis. Über Schneesturm im Juni und Iglu-förmige Kirchen. Über Teenager-Selbstmorde (ein trauriger Rekord…) und Kinder in der Kapuze…. Von erzählfreudigen Kehlkopfsängerinnen auf Diät. Und von großartigen Natur-Erlebnissen mit und ohne Eis unter weitem Himmel.

Forschend auf dem Eis in Cape Dorset

An der Bucht von Iqaluit kümmert sich Kiviaq um seine Schlittenhunde. Der Über-80-Jährige war einst der erste studierte Rechtsanwalt unter den Inuit und hat viele Dinge erstritten, Skidoo-Touren übers weite Eisdie später den Weg zu Nunavut ebneten. Zuletzt hat er sich das Recht erstritten, wie früher – bevor „die Weißen“ ihre Regeln auch dem hohen NordeInuit-Frau mit Kind in der Kapuzen überstülpten – statt Vor- und Nachnamen nur einen einzigen Namen zu tragen. Mehr brauchte ein Inuk früher nicht.

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Tommy Takpanie mit fast fertigem Eisbär aus Speckstein

Und immer wieder Künstler! Statistisch soll es nirgends so viele Künstler pro Kopf geben wie in Nunavut. Oft schnitzen sie draußen vor dem Häuschen am Speckstein, mit Feilen oder Elektrowerkzeug, obwohl es heftig kalt ist. Zum Beispiel in Cape Dorset oder Pangnirtung, wo besonders viele Kreative wohnen. Immerhin ist die Kunst ein Weg, hier oben Geld zu verdienen – vor den Zeiten der Digital-Globalisierung gab es ja nicht viel, nachdem der Staat das Nomadenvolk in den 1960ern sesshaft gemacht hatte. Immerhin schickte er Lehrer in den Norden, die die traditionelle manuelle Geschicklichkeit in neue Bahnen lenkten: die Natur in Speckstein wiedergeben, die alten Mythen in graphischen Steindrucken erzählen oder auch in kunstvoll fein genähten Collagen-Decken und Wandbehänge – aus Filz oder auch mehrere Fellsorten… Eigene Kooperativen sorgen für faire Bezahlung und dafür, dass die Inuitkunst bis heute ohne Zwischenhändler nach Kanadas Süden gelangt.

Auf jeden Fall gibt es viel zu erkunden im hohen Norden!
Nunavut: Herzlichen Glückwunsch!!!

Wer es selbst erkunden will, hier meine Tipps zu Aktivität und Unterkunft:

Spalten im Eis unter strahlendem Himmel Blick über Iqaluit

Nachtrag: Danke für den Kommentar zum Stoppschild, wieder was gelernt:

Die roten Achtecke in Nunavut können verschieden beschriftet sein – denn Inuktitut hat etwa 6 verschiedene Texte für „Stopp“.
Z.B. „Dies ist die Stelle zum Anhalten“ oder „Haltet alle an!“ oder „Ich halte an“… 🙂

Panorama Sonnenuntergang über dem Eis Eisfläche aus der Luft gesehen, Nunavut

4 Kommentare

  1. Iris sagt

    Ach Dörte, ich liebe Deine Nunavut-Geschichten. Bitte, bitte mehr davon!… „Stopp“ heißt dann also laut Deinem Alphabet-Link: Nu-qi-ka-ri-ta ? Richtig?

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