Mit den Ferienstraßen ist das so eine Sache. Entweder, man bucht im Vorhinein Zimmer an unterschiedlichen Stationen und muss einen Zeitplan streng einhalten oder sucht sich Campingplätze raus. Aber halt, da lockt ja noch die dritte Lösung – das Wohnmobil. Stellplätze gibt es – fast – überall. Und so war für uns das 60. Jubiläumsjahr der Burgenstraße ein willkommener Anlass, um sie mit Wohnmobil zu erkunden.
Sieben Meter lang und gut zwei Meter breit ist das Gefährt. Die Kinder finden es sofort klasse, probieren das Bett aus, öffnen Schubladen und Schränke und setzen sich an den Tisch. Währenddessen verrät uns ein Mitarbeiter des Wohnmobilverleihers die Geheimnisse unseres neuen Zuhauses, denn jedes Wohnmobil ist anders. Wir erfahren, dass wir das zweite Doppelbett über dem Esstisch herunterklappen müssen, wie wir Frischwasser in den Tank füllen („bitte auf keinen Fall die Tanköffnung für Frischwasser mit der für Diesel verwechseln, ist alles schon passiert!“) die Toilettenspülung bedienen, wie wir Schmutzwasser ablassen, den Toilettentank leeren und, und, und…
Die Burgenstraße
Sie ist lang, führt von Mannheim über Heilbronn, Nürnberg, Coburg und Bayreuth bis in die goldene Stadt Prag. Für uns bietet sich der Abschnitt zwischen Heilbronn und Bamberg an, weil wir ihn vom Wohnmobilverleih aus in einer Rundtour befahren können.
(Die Karte als PDF: AZ Burgenstr 190x82mm-ohne Hotels-ZW)
Ihren Namen verdankt die Straße der Tatsache, dass hier ungewöhnlich viele Burgen und Schlösser stehen: über 90 säumen die Ferienroute.
1. Station, Heilbronn, die Stadt am Neckar.
Wir übernachten auf dem Wohnmobilstellplatz im Grünen, eine Allee mit uralten Bäumen führt von hier aus direkt in die Innenstadt. Gleich nebenan liegt ein Schwimmbad, nur leider spielt das Wetter heute nicht mit. Also auf ins Museum, langweilig? Keine Spur, die „Experimenta“ macht ihrem Namen alle Ehre. (Den ausführlichen Blogbeitrag dazu findet ihr hier)
Zurück auf dem Stellplatz erzählt man uns von den typischen Heilbronner „Besenwirtschaften“. Hier bieten Winzer Hausmannskost und Wein aus eigenem Anbau, das alles zu sehr günstigen Preisen: Maultaschen mit Kräuterfüllung und Röstzwiebeln und dazu ein typischer Heilbronner Trollinger, zünftig und lecker. „Weil es hier die Besenwirtschaften gibt, haben klassische Gasthäuser kaum eine Chance“, erklärt man uns. Verständlich: Die gemütliche Atmosphäre hat etwas von einem Biergarten, nur mit der typischen Heilbronner „Weinseeligkeit“. Und dann erleben wir unsere erste Nacht im Wohnmobil. Wir haben die Stützen am hinteren Ende nicht ausgefahren, weil alle sagen, dass es eigentlich unnötig ist. War es eigentlich auch. Aber im ersten Moment dieses Gefühl: War das heute Abend vielleicht ein Glas Trollinger zu viel? Niemand hat uns erzählt, dass das Ding immer, wenn ein Erwachsener sich im Schlaf dreht, anfängt zu schaukeln.
2. Station: Rothenburg ob der Tauber
Am zweiten Tag geht es weiter in Richtung Osten. Angeblich ist Rothenburg ob der Tauber die romantischste Stadt Deutschlands. Einen wohnmobiltauglichen Parkplatz finden wir in unserer Wohnmobil-Burgenstraßenbroschüre gleich in Altstadtnähe. Und tatsächlich, nach nur wenigen Gehminuten treten wir durch das Stadttor in eine andere Welt: Ein überdachter, hölzerner Steg zieht sich die Stadtmauer entlang, auf einer schmalen Treppe geht es hinauf. Die Schritte klingen hohl auf den Holzbohlen, während die Kinder den Gang entlanglaufen. Eigentlich ist die Stadt fast zu romantisch, um wahr zu sein, manchmal schon fast kitschig: Ob Buchhandlung, Bäckerei, Friseur oder Café – über allen Eingängen baumelt ein schmiedeeisernes Schild mit Schnörkeln dran statt Neonreklamen.
Obwohl es trüb ist und nieselt – wir teilen uns das romantische Rothenburg mit Touristen aus der ganzen Welt. An den Stadttoren, auf dem Marktplatz – überall erklingen englische, japanische und chinesische Wortfetzen. Wie mag es hier dann erst bei schönstem Sonnenschein zugehen?
4. Station: Wolframs-Eschenbach
Während wir zum Geburtsort des Parzivaldichters fahren, sitzen die Kinder am Tisch, malen und spielen. Übrigens noch ein Pluspunkt für die Familienreise mit dem Wohmobil. Deti hat Glück und darf nun auf einem der modernsten Stellplätze der Burgenstraße parken, frisch gebaut, nicht nur mit Strom und Wasseranschluss, sondern sogar blitzschnellem Wlan-Netz. „Schauen Sie sich auf jeden Fall die Altstadt an, das lohnt sich“, rät uns das Paar auf dem Nachbarstellplatz. Die meterdicke Stadtmauer zieht sich um den Ortskern mit alten Fachwerkhäuschen, ein Storchenpaar klappert auf einem Dach. Und natürlich muss es in der Heimat des Parzivaldichters auch einen echten Ritterspielplatz geben. Den Trubel von Rothenburg sucht man hier vergebens. Kein Wunder, dass in dieser Kleinstadt-Idylle der Kinderfilm „Räuber Hotzenplotz“ entstanden ist.
Zum Essen empfiehlt man uns das Landhotel Gary mit Fleisch aus der eigenen Metzgerei. Hier gibt es preisgekrönte Bratwürste, eine absolute Probierempfehlung! Laut meinem Mann „die besten, die er je gegessen hat“. Und auch heute schaukelt uns Deti bei jeder Drehung wieder in den Schlaf.
5. Station: Nürnberg
Nun wird es endlich Zeit für die erste Burg. Und was für eine! Nur wenige Orte in Deutschland bringen so eine große Geschichte mit wie die Kaiserburg in Nürnberg. Aber vorher erwarten uns noch die Tücken der Großstadt, fluchend manövriert mein Mann den dicken Deti an parkenden Autos vorbei, mit Gegenverkehr, Ampeln, Fußgängern, Radfahrern, das komplette Stadtprogramm eben. Wir parken deshalb doch lieber etwas außerhalb (Burgenstraßen-Wohnmobilbroschüre sei dank) und nehmen von hier aus die Buslinie direkt in die Innenstadt. Auf ausgewaschenen Felsen thront sie da – die Kaiserburg. Unsere Jungs sind fasziniert von den riesigen mittelalterliche Waffen und den schweren Ritterrüstungen. Nicht nur die Burg hat eine große Geschichte, als Zentrum des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“. Später war die Region auch Spielzeugland, von hier aus ging Nürnberger Blechspielzeug in die ganze Welt, heute macht vor allem der Hersteller Playmobil von sich reden – und natürlich die größte Spielwarenmesse der Welt. Deshalb ist auf jeden Fall auch das Spielzeugmuseum einen Familienabstecher wert.
6. Station: Fränkische Schweiz
Als Deti durch die fränkische Schweiz schaukelt, ist das für uns der landschaftliche Höhepunkt der Reise: Graue Felsnasen ragen schroff in die Höhe, als hätten Riesen in einer Schlacht gigantische Steinbrocken in die Landschaft geworfen. Ein Bach plätschert durch das Tal, in dem sich unser Ziel, der Campingplatz bei Tüchersfeld, befindet. Herrliches Kontrastprogramm zu Nürnberg, mit einer Geräuschkulisse aus dem Gurgeln des Baches und Vogelzwitschern. Die Jungs entdecken dicke Weinbergschnecken und eine Höhle am Berg gleich neben dem Platz, während wir den Grill anwerfen… Am nächsten Tag erklimmen wir die Felsen in Tüchersfeld, genießen die engen Wanderpfade, die in den Fels gehauenen Steintreppen und die fantastische Aussicht.
7. Station: Burg Rabenstein und Sophienhöhle
Die nächste Station auf unserer Reise ist die Burg Rabenstein. Hier gibt es nicht nur ein altes Gemäuer zu besichtigen, sondern eine Greifvogel-Flugshow, bei der die Tiere dicht über die Köpfe der Zuschauer hinwegsausen. Ich kann mich einfach nicht sattfotografieren und -sehen an diesen edlen Tieren…
Nach nur 15 Minuten Fußweg hinab in den Wald erreichen wir eine der schönsten Tropfsteinhöhlen der Region – die Sophienhöhle. Wir haben Glück, unsere Führung ist die letzte an diesem Tag und danach beginnt „Sophie at night“, eine Lichtshow, bei der die Tropfsteine bei klassischer Musik in den unterschiedlichsten Farben aufleuchten.
Doch nun müssen wir uns schon sputen, um unseren Übernachtungs-Stellplatz noch bei Tageslicht zu erreichen: das 900 Jahre alte Aufseß.
8. Station: Aufseß
Der Ort steht im Guinness-Buch der Rekorde mit der höchsten Brauereidichte der Welt – vier Brauereien auf 1100 Einwohner. Auf dem Weg dorthin begegnen wir einigen Wandergruppen, viele davon angeschiggert in Bierlaune. Nanu, feiert man hier den Vatertag später als bei uns? Nein, das sind nur die „Bierforschungs-Wanderer“, die die Rekordgemeinde auf dem Brauereiweg erkunden. Gut, dass Deti schon parkt: Wir probieren uns in der Brauerei Rothenbach durch die Biere der Region, Aufsesser Zwickl, Kellerbier, Dunkel und Festbier, während die Jungs sich durch alle Varianten der hiesigen Limonade „Gluckerle“ trinken. Wir hatten ja zuerst Bedenken bei so einem Brauereibesuch mit Kindern. Aber dann begrüßt uns auch noch „Kathrin, die I.“, Brauereikönigin von Aufseß. Später wird mein Jüngster ganz stolz seiner Grundschullehrerin erzählen, dass er einer echten Königin die Hand geschüttelt hat. Und ihr Autogramm, das liegt wohlbehütet zwischen den anderen Schätzen in seiner Schublade. „Die war hübsch Mama, ne?“
Tipps für die Reise mit dem Wohnmobil:
- Wenn Euch ein anderes Wohnmobil entgegenkommt, immer schön grüßen – eine richtig nette Wohnmobilfahrer-Tradition.
- Kontrolliert bei der Wohnmobil-Übergabe durch den Vermieter gut das Fahrzeug und notiert alle Mängel.
- Schließt vor dem Losfahren alle Schränke und Schubladen mit Sicherungsknopf, sonst fliegt in der ersten Kurve der Inhalt durch das Fahrzeug.
- Behaltet den Füllstand von Frischwasser-, Brauchwasser-, und Toilettentank im Blick. Und schließt letzteren nach jedem Toilettengang – sonst schwappt das Wasser in Kurven und bei heftigen Lenkbewegungen heraus!
- Kalkuliert zusätzlich zum Mietentgelt auch einen entsprechenden Posten von etwa 20-30 Euro Tankgeld pro Tag ein – abhängig von den anvisierten Kilometerzahlen.
- Der Verein „Die Burgenstraße e.V.“ hat ganz aktuell die Broschüre „Entdeckertouren mit dem Wohnmobil“ herausgebracht. Dort sind nicht nur die Städte und Sehenswürdigkeiten, sondern auch die Stell- und Parkplätze für Wohnmobile aufgeführt. Weitere Infos gibt es unter: www.burgenstrasse.de
Diese Reise wurde unterstützt von Tourismusverband Burgenstraße e.V.. Vielen Dank dafür!
Ach ja, die Fränkische Schweiz … die ist einfach klasse! Soviel schöne Gegend und dann auch immernoch Knödel & Co dabei … mag ich richtig gern!
herzlichst soulsister
Absolut, die Landschaft war herrlich, die Knödel kann ich dann leider erst beim nächsten Mal probieren…
Ein herrlicher Text, Iris, ich muss immer noch schmunzeln! Hoffentlich machst du bald wieder Experimente – mehr von diesen Lesestücken!