Wenn der Sommer an Fahrt aufnimmt, es draußen immer heißer wird, zieht es Viele ins klimatisierte Drinnen. Aber warum nicht mal in den Wald? Ins dichte Grün, frische kühle Luft atmen, würzige Düfte genießen, Ruhe finden. Und dabei noch ein paar Geheimnisse entdecken… Also Rucksack packen und auf in die 11 schönsten Wälder des Landes:
Feldberger „Heilige Hallen“: Himmelhohes Naturerlebnis
Völlige Stille. Nur selten ertönte ein leichtes Knacken in der Ferne. Massive hohe Säulen wie in einem gotischen Dom, ein lichtes grünes Dach weit oben und von der Seite Lichtstrahlen, wie sie durch Kirchenfenster fallen. Hier ragen die mächtigen Buchen mehr als 50 Meter hoch in den Himmel, schon 1850 waren sie so eindrucksvoll, dass Großherzog Georg sie auf alle Zeiten schützen ließ. Heute haben die ältesten Exemplare ihr Durchschnittsalter mit mehr als 350 Jahren weit überschritten. Der dichte Rotbuchenwald lässt wenige andere Baumarten neben sich aufkommen, in vermoorten Kesseln wachsen gelegentlich Birken. Norddeutschlands wohl ältester Hallenbuchenwald misst 65,5 Hektar. Die Heiligen Hallen dürfen wegen Holzschlaggefahr nicht mehr direkt betreten werden, doch ein Pfad führt direkt an ihnen vorbei. Der Wald liegt 3,5 Kilometer westlich von Feldberg in der Mecklenburgischen Seenplatte und ist über einen Parkplatz an der Straße nach Lychen zugänglich.
www.luettenhagen.wald-mv.de, www.feldberger-seenlandschaft.de
Kellerwald: Knorrig rote Wander-Landschaft
Wie feine pinke Teppiche ziehen sich Pfingstnelkenblüten am Knorreichenstieg über den steil abfallenden Fels. Hoch über dem langen, schlangengleichen Edersee, dessen Tal sich tief eingeschnitten hat in den Kellerwald. Kaum zu glauben, dass die gefährdete Nelkenschönheit vor allem im Herzen Deutschlands überlebt hat. Ebenso wie der dichte grüne Buchenwald südlich des Sees. Denn die Rotbuche wächst nur in Mitteleuropa und so ein alter Wald auf Sauerboden ist typisch deutsch – und doch nur noch selten zu finden, etwa im Hainich oder im Kellerwald. Markenzeichen des Nationalparks zwischen Marburg und Kassel ist ein sehr alter Wald aus Rotbuchen, die hier langsam wieder in den Zustand eines Urwalds verwildern dürfen. Das alte Holz bietet idealen Lebensraum für gezählte 681 Käferarten, darunter seltene Bock- und Hirschkäfer. Bester Zugang zum Nationalpark über Frankenau im Süden oder verschiedene Orte am Edersee.
www.nationalpark-kellerwald-edersee.de
Bayerischer Wald: Einzigartig moorig
Luchse leben hier frei, wie in nur wenigen anderen Gegenden Deutschlands: im Nationalpark Bayerischer Wald, der nahtlos in den tschechischen Nationalpark Šumava übergeht. Doch die scheuen Tiere verstecken sich gut, und die Haarbüschel an Baumstämmen oder Kratzspuren findet auch nur, wer genau hinsieht. Viel offensichtlicher sind da die Moore im Bayerischen Wald: mystisch im Morgennebel, funkelnd in der Sonne. Auf 1150 Metern Höhe liegt eine der letzten ursprünglichsten Moorlandschaften Deutschlands. Die hat schon der Römer Tacitus in seinem Werk Germania erwähnt – als „schaurig und widerwärtig“. Offenbar hat er nicht gut hingeschaut. Hat nicht erlebt, wenn die Libellen tanzen, die wie schwarz lackierte Wasserfläche blau-weiße Himmelsmuster widerspiegelt, der Sonnentau seine klebrigen Arme auf der Suche nach Insektenfutter reckt. Das Hochmoor Latschensee ist am besten erreichbar über den Ort Buchenau.
www.nationalpark-bayerischer-wald.de
Teutoburger Wald: Krüppelbaum und Kraftplatz
Irgendetwas ist anders hier. Auf dem Weg zu den Externsteinen liegt eine merkwürdige Waldzone: Die sonst so geradlinigen Buchen drehen sich, bilden große Knorpel oder teilen sogar ihre Stämme. Bei manchen Bäumen erscheint es gar, als wollten sie von diesem Platz flüchten. Viele der Auswüchse wirken wie Köpfe. Erzählungen gehen um, dass hier früher Krankheiten und Seelenmüll an dem Baum abgeladen wurde. Vielleicht wollten die Menschen möglichst rein zu den Externsteinen kommen, die sich wenige Meter weiter als kleine Oase am Ende des Waldes zeigen. Immerhin gilt das deutsche Stonehenge als wichtigster Kraftplatz im Land. Vor allem bei einem Besuch in Vollmondnächsten spüre man die Kraft, die von den Steinen ausginge – behaupten viele Esoteriker. Die Externsteine gehören zum Teutoburger Wald, der sich als Mittelgebirge zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erstreckt.
www.teutoburgerwald.de, www.horn-badmeinberg.de
Sachsenwald: Eisvogel und Kaltbach wie bei Bismarck
Am westlichen Ende des Sachsenwaldes liegt ein kleines Paradies: Hier schlängelt sich die Bille wie ein blaues Band durch die die alten Buchen- und Eichenbestände. Schon Fürst Otto von Bismarck liebte sein Rückzugsgebiet. Kaiser Wilhelm I. hatte den Wald seinem Reichskanzler 1871 für besondere Verdienste geschenkt. Während er hier spazierte, ersann er übrigens die Basis des Sozialstaates, von Krankenversicherung bis Altersvorsorge. Die Bille, obwohl sie schmal ist, erwärmt sich nie mehr als 20 Grad: ein Kaltwasserbach zwischen dichten Bäumen. Unterirdische Quellen speisen 8 Grad warmes Wasser hinein. Eine davon ließ der Fürst ausbauen – noch heute sprudelt daraus Mineralwasser in die Flaschen. Wenn das klare Wasser der Bille so vorbeigurgelt, fühlte sich nicht nur Bismarck wie in den Bergen: Es ist eine magische, kühle Stille, einzigartig in nordischen Wäldern. Der Sachsenwald liegt nahe Hamburg und Wanderungen starten Besucher am besten in Friedrichsruh.
www.hlms.de, www.sachsenwald.de
Eilenriede: Urwaldszenen in der Stadt
Nur zehn Minuten zu Fuß von Hannovers Innenstadt entfernt breitet sich ein Wald wie vor 600 Jahren aus. Wer sich traut, die Wege zu verlassen und den Slalom um die kleinen Tümpel zu starten, wird mit Waldkino belohnt: Eichhörnchen streiten sich in den Wipfeln, Hirschkäfer krabbeln über den braunen Blätterteppich. Im Gegensatz zu anderen Forsten liegt hier genug Totholz herum, in dem seine Larven wachsen. Die Fläche der Eilenriede ist übrigens doppelt so groß wie die des New Yorker Central Parks. Tausende von frischgrünen Buchen, Eichen und Erlen schlucken den Großstadtstraßenlärm der nur 500 Meter entfernten Straßen – und ihre Abgase. Und doch bleibt die Eilenriede Stadtwald: Nordic-Walking-Stöcke klacken, auf asphaltierten Radwegen gleiten Skater und auf den Lichtungen dehnen Jogger ihre Waden. Es wohnen eben 500.000 Menschen drumherum. Am schönsten erlebt man die Eilenriede per Rad, gestartet wird am Steuerndieb, Endpunkt ist der Maschsee.
www.hannover.de
Darßwald: Verwunschen und urwüchsig
Bei Prerow sieht er noch aus wie ein normaler Buchenwald: Die Stämme wachsen gerade in den Himmel, lassen Lichtungen frei und sorgen für nebelige Morgenluft. Das soll ein Wald am Meer sein? So feucht und sattgrün? Doch je tiefer die Wanderer in den Wald dringen, desto geheimnisvoller wird er. Die Buchenstämme werden knorriger und geduckter, fast erinnern sie an Zwergbuchen. Manche haben sogar richtige Verwachsungen, dicke Klumpen an Stamm – Zeichen des Kampfes gegen die salzhaltige Luft und den stark sandigen Boden. Das Meer knabbert jeden Tag neue Stücke Land ab und kommt den Buchen immer näher. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Buchen als Baumskelette am Weststrand liegen werden. Laut Fernsehsender Arte zählt er zu den 20 schönsten Stränden der Welt. Dort strecken sie malerisch ihre entrindeten Körper wie Kunstwerke aus dem Sand. Schaumkronen des aufgewühlten Meeres umspülen weiter vorn liegendes Holz und schmücken ihn mit einem grünen Algenkleid. Am besten erreichbar ist der Darßwald über Prerow.
www.fischland-darss-zingst.de, www.info-mv.de
Harz: Brocken und Walpurgisnacht
Schon Goethe wanderte im Harz – und suchte leicht depressiv den Weg zum Brocken. Nebel und dichter Wald umgab den Dichter. Hoch oben ist der Harz dunkel. Eng stehen die schlanken rauen Stämme, struppig kahl, bis kurz vor dem Himmel ein dickes Nadeldach kaum Licht hereinlässt. Hier gibt es nicht ohne Grund Ortsnamen wie Sorge und Elend. Der Harz ist mystisch. Dazwischen immer wieder Hochmoorflächen, über denen nachts sicher Irrlichter tanzen. Und oben auf dem Brocken wartet karges Felsgelände auf den Wanderer – der Tanzplatz der Hexen, immerhin mit umwerfendem Ausblick, wenn nicht gerade Nebel herrscht. Kein Wunder, dass der Dichter hier die Walpurgissnachtszenen in seinem Faust spielen ließ. Wer den Harz besucht, kommt ins Nachdenken über Leben und Vergehen. Auch wenn er in tiefen Lagen ganz lieblich sein kann: Kein anderer deutscher Wald gilt als so schroff und mystisch wie dieser. Auch Heinrich Heine verarbeitet den Aufstieg literarisch, in seiner „Harzreise“ – wer ganz eintauchen will, durchquert den ganzen Harz auf dem Hexenstieg bis hinunter zum Thaler Hexentanzplatz – am besten zum Feuer in der Walpurgisnacht .
www.nationalpark-harz.de
Hainich Urwald mit Rotbuchen und Bärlauch
Ein deutlicher Hauch von Knoblauch schwebt über dem Meer aus weißen Sternenbällen: Die Blüten des Bärlauchs recken sich auf den hohen Stängeln – und bedecken die Humusschicht im Hainich mit einem dichten hellen Teppich. Malerisch verstreut liegen darauf dicke Äste, ummantelt von flauschigem, hellgrünem Moos. Denn während andere Wälder Deutschlands aufgeräumt erscheinen oder gar zu Fichtenfabriken reduziert wurden, bleibt im Hainich totes Holz liegen und schafft einen einzigartigen Lebensraum. Hier tummeln sich mehr als 450 Käferarten, seltene Spechte und Bechstein-Fledermäuse. Kahlschlag war im Hainich schon immer verpönt. Als größter zusammenstehender Laubwald Deutschlands lässt diese Urlandschaft die Besucher wirklich die Atmosphäre der Germanenwälder schnuppern. Und doch ist seine Fläche klein, die nächsten Felder und Wiesen zeigen sich schon von den Aussichtstürmen des Baumkronenpfades aus. Aber es ist ein Erlebnis für sich, hoch zwischen den Wipfeln des Urwalds zu wandeln, dem leisen Knacken der Knospen zu lauschen und den Vögeln in die Nester zu schauen.
www.nationalpark-hainich.de
Schwarzwald: Heimat des Schweinewiiblis
Es plätschert und murmelt im dichten Unterholz unter den hohen Tannen. Dann tritt das Bächlein wieder hervor, an seinem moosigen Ufer leuchtet üppiges Farnkraut beinahe magisch. Es duftet nach Harz, in der Ferne klopft ein Specht, die Füße federn auf weichem Waldboden. Wer die Ohren spitzt, hört vielleicht ein krächzendes Kichern, einen gruseligen Gesang: Das „Schweinwiibli“ soll hier sein Unwesen treiben, eine gruselige Sagengestalt, ein Weib mit struppiger grauer Mähne. Es sollte Schweine hüten, stattdessen kiebitzt es in die Körbe und Taschen der Besucher und sitzt in Vollmondnächten krächzend am Geisterbrunnen – so sagt es der Mythos. Ein Ebenbild des Schweinewiiblis findet sich auch auf dem Zauberwald-Rundweg bei Bernau. Schmale Stege führen übers Nass und zwischen den Stämmen immer wieder große Holzfiguren: riesige Pilze, Zauberer, die betrunkenen Mönche, die zur Strafe samt Kloster hier im Moor versunken sein sollen. Oder das lebensgroße Schweinewiibli, mit Korb und roter Schürze eine kinderfreundliche, entschärfte Version.
www.bernau-schwarzwald.de
Lausitz: Mit den Wölfen heulen
Der schönste Wald überhaupt liegt rund um die Neiße, sagt Stephan Kaasche: „Die Kiefern verströmen einen Duft wie im Süden.“ Während seine Füße über weichen Sandboden federn, saugt er das würzige Aroma ein wie beim Inhalieren. Sein heller Mischlingshund Bobby schnüffelt aufgeregt an einer Losung. „Wahrscheinlich ein Wolf!“, meint Kaasche, der in der Lausitz regelmäßig Wolfstouren anbietet. In der dünn besiedelten Endmoränenlandschaft, weite Flächen sind mit Heidekraut bedeckt, dazwischen lichte Kiefernwälder, fühlen sich die Urahnen des Hundes richtig wohl. Rund 50 Wölfe sollen inzwischen wieder in der Lausitz leben. Um das scheue Tier leibhaftig zu sehen, brauchen Reisende Glück. Wahrscheinlicher ist es, nachts ganz leise das typische Heulen zu hören.
www.wolfswandern.de, www.wolfsregion-lausitz.de
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Realität für deutsche Wälder, übrigens
Nicht die Eiche und nicht die Fichte sind Deutschlands charakteristische Waldgewächse, sondern die Buchen. Dichte Buchenwälder gibt es eigentlich nur in Deutschland. Allein hier finden sich schon 26 Prozent des weltweiten Bestandes an Rotbuchen. Bereits zu Zeiten Karls des Großen wurde das Holz großflächig gerodet und Monokulturen entstanden. Aber obwohl es in Deutschland viele Buchen gibt, zählen die typischen Buchenwälder zu den stark bedrohten Lebensräumen unseres Kontinents. Denn schließlich ist der Wald vor allem auch noch Wirtschaftsraum. Zwar ist knapp ein Drittel der Fläche Deutschlands mit Wald bedeckt ist, doch nur ein Prozent davon ist sich selbst überlassen, darf wieder verwildern. Und doch ist der deutsche Wald in den letzten 15 Jahren gewachsen, er dehnt sich nach Angaben des statistischen Bundesamtes jedes Jahr um 176 Quadratkilometer aus – und das in den 1970er Jahren festgestellte Waldsterben hat Förster und Pächter sensibilisiert, nicht mehr nur Fichtenmonokulturen zu hegen. Dennoch: Der sagenumwobene deutsche Urwald ist fast ausgestorben. Also nix wie hin und besuchen. Selber gucken. Und weitererzählen. Und nicht zuletzt dadurch schützen…