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Bahnfahren mit Kind 2.0 – Unterwegs mit dem Locomore

Ein neuer Zug ist unterwegs in Deutschland – nicht nur auf Regionalstrecken, sondern von Stuttgart über Hannover bis nach Berlin. Und was ist ein „neuer Zug“? Immer schneller, schnittiger, luxuriöser? Nein, es geht auch anders: gemeinschaftlich, günstig und „bio“. Und vor allem mit extra großem Kinderabteil – das mussten wir als Bahn-Fans doch mal direkt ausprobieren!

Jawoll! Online-Reservierung steht, zwei Plätze, Mutter mit Kind, Frankfurt nach Hannover, rund 20 Euro. Aber nicht der Preis ist das Spannende, finde ich als alter Bahn-Fan – sondern das Konzept. Sammeln ein paar „Spinner“ Geld per Crowdfunding, kaufen alten IC-Waggons, möbeln sie auf, buchen eine Lok aus Schweden dazu und fahren komplett mit Ökostrom. Und innen stecken noch ein Haufen liebevolle Ideen, finde ich. Nicht nur das Kinderabteil, das sogar Spielzeug bereitstellen soll. Sondern auch die „Themenabteile“, wo man gezielt Plätze buchen kann, wenn man mit anderen Schach spielen will, über Filme oder Eisenbahn reden oder einfach nur „kaffeeklatschen“ will. Zu Bio-Kaffee, Öko-Brause und fair gehandelten Snacks. Oder so. Also los zum Bahnhof.

Ja, wo fährt er denn?

Statt Frankfurt Hauptbahnhof der Südbahnhof: Aber klar, da muss er nicht am Kopfbahnhof umdrehen. Komisch, auf dem Bahnfahrplan-Aushang ist der Locomore nicht zu finden. Am abgedruckten Gleis fährt er aber trotzdem, am Auskunftsschalter weiß man auch Bescheid. Vielleicht noch Startschwierigkeiten, schließlich ist der neue Zug erst seit Dezember unterwegs. Morgens hin, nachmittags zurück. Simples Konzept.

Da fährt er ein, außen orange und braun, innen orange-gelb-rotviolett, ein bisschen gewöhnungsbedürftig, die Farbkombination… Geschmackssache. Hinein ins Familienabteil, das eigentlich ein typischer IC-Großraumwagen ist, nur hat man ein paar Sitze mehr entfernt. Viel Fußboden zum Spielen. Und auf der Gepäckablage gleich ein paar Kisten mit Spielzeug und Büchern! Holzeisenbahn natürlich, Bilderbücher über Loks, Eisenbahnen und mehr. Macht Sinn, die Kids sollen ja auch schnell Bahnfans werden 😉

Für die Erwachsenen gibt’s überall WLAN gratis – logisch für ein junges Startup heutzutage. Bei der Deutschen Bahn warben sie schon vor zehn(!) Jahren mit den ersten Pilotprojekten, ich habe es lange vermisst, aber erst seit kurzem funktioniert es. Und nicht mehr nur für die 1. Klasse …  Kaffee, Tee, Bio-Limo und diverse Snacks bietet der Locomore auch – theoretisch kommt sogar ein Service-Wagen vorbei. Praktisch holt man sich das lieber direkt am „Zug-Kiosk“, das geht dann schneller…

Der Locomore wirkt schon ein bisschen zusammengewürfelt, wenn man einmal ganz durchgeht. Viele Waggons mit Sechser-Abteilen, andere mit Großraum-Sitzreihen, manche vollverglast, andere nur halboffen. Im Charme der 90er Jahre, finde ich, nicht hypermodern, aber sauber und freundlich. Die Presse schreibt von Kinderkrankheiten, von kaputten Toiletten und leichtem Chaos in den ersten Wochen. Um alles in den Griff zu kriegen, fuhr der Locomore eine Weile auch nur donnerstags bis montags. Ab April aber wieder täglich.

Und der Preis?

Hängt von der gefahrenen Strecke ab, ist aber mit ab 19 Euro deutlich günstiger als der Bahncard50-Preis. Wenn man kein Sparpreis-Schnäppchen erwischt. Und natürlich sind die An- und Abfahrt zu den großen Bahnhöfen auch noch dazuzurechnen. Dafür kostet der Sitzplatz nix extra. Kleinkinder fahren wie überall umsonst mit. Und wer viel Platz und Ruhe braucht, bucht teurer im Locomore-Business-Abteil – da werden wohl nur drei von sechs Plätzen belegt und es gibt Kaffee und Zeitung am Platz… Platz für Fahrräder und Kinderwagen ist auch vorhanden. Und angeblich bekommt man Tickets auch noch in der Bahn, selbst wenn online steht „Zug ausgebucht“ – laut Schaffner sind ein paar Plätze immer vorrätig. Wenn es gut läuft, soll die Strecke übrigens ausgeweitet werden! Im Süden bis München, im Norden bis Rügen und vielleicht noch eine Extra-Strecke von Köln/Bonn bis Berlin. Man darf also gespannt sein. Oder mitfahren?

Mein Locomore-Fazit

Kind war zufrieden mit Spielzeug und viel Platz, auch zum Rumlaufen. Die Kinderabteile im ICE sind natürlich schicker, aber im Prinzip nur große Sechser-Abteile mit Tisch. Da klettern Kids mit Bewegungsdrang immer auf dem Tisch herum oder wollen auf den Gang… Die Fahrt war gut, Toiletten in Ordnung, Kaffee lecker, der Blick aus dem Fenster wie sonst auch…

Mit Krabbelkindern und anderen Kleinen würde ich nächstes Mal eine Decke für den Boden mitnehmen, denn schließlich laufen viele Straßenschuhe durch den Waggon. Und ohne Kinder mal eins der Themenabteile austesten. Die waren bei unserer Fahrt aber noch ziemlich leer, brauchen mehr Publikum. Macht ja keinen Spaß, wenn man ausgerechnet im „Klatsch- und Tratsch-Abteil“ alleine herumsitzt….

 

Gut zu wissen:

Diese Fahrt wurde nicht finanziell gefördert oder anderweitig unterstützt.

 

Kategorie: Familie

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"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon" - so wahr! Also fuhr ich als Kind in Büchern um die Welt, bis nach Taka-Tuka-Land. Heute bin ich "in echt" unterwegs und schreibe manches Buch selber ;) Per Bahn, Pedale, Paddel und per pedes reise ich am liebsten, als Wissenschaftsjournalistin, Reiseautorin und Fotografin immer mit offenem Blick. Und einem Faible für Sprachen. In Bolivien und der Arktis, Australien, China oder Island. Slowenien, Polen. Finnland. Ach... Reisen!

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  1. Das klingt ja interessant, hab ich noch nie was von gehört. Das behalte ich gleich mal im Hinterkopf… Danke schön! 🙂

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