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Polen: Mit dem Fahrrad durch Westpommern

Vor Kurzem habe ich über den polnischen Radfernweg Blue Velo am Stettiner Haff und das Freilichtmuseum Wolin-Jomsborg-Vineta berichtet. Heute folgen ein paar Eindrücke von dieser Radtour weiter südlich in Westpommern.

Rauf aufs Rad und los: Unsere Radtour durch Westpommern startet an der neuen Europabrücke Neurüdnitz-Siekierki über die Oder, zwei Autostunden von Berlin entfernt. Die ehemalige Eisenbahnbrücke erstreckt sich hier vom deutschen Brandenburg ins polnische Westpommern. Über eine ganz besondere Landschaft, das weite Oderbruch mit seinen unregulierten Altarmen und Altwassern. Mittendrin Bäume, Büsche und Röhrichte – ein idealer Lebensraum etwa für Uhus. Und viele andere Vögel: Auf einem der Seen drehen Pfeifenten und Blässhühner ihre Runden.

Noch einmal auf den Aussichtspunkt in der Mitte der Rad- und Fußgängerbrücke geklettert, dann lassen wir die Auenlandschaft hinter uns und fahren gen Osten. Die Brücke ist zugleich der Startpunkt der Westseen-Radroute in Polen. Auf dieser Radroute 20 radeln wir zuerst, später dann auf dem Radfernweg 3, dem Blue Velo. Der folgt Polens zweitlängstem Fluss, der Oder, von der polnisch-tschechischen Grenze bei Bohumín (Oderberg) bis zur Ostsee nach Świnoujście (Swinemünde).

Rund tausend Kilometer ist dieser noch neue Fernradweg lang, dabei radelt man durch Naturreservate wie das deutsch-polnische Schutzgebiet Unteres Odertal, den Nationalpark Warthemündung oder das polnisch-tschechische Naturschutzgebiet Graniczne Meandry Odry (Odermäander-Grenzgebiet).

Auf stillgelegten Bahntrassen

Doch vorerst sind wir noch fern der Ostsee unterwegs. Die gut ausgeschilderten Radwege hat man hier in Westpommern östlich der Oder auf stillgelegten Bahntrassen angelegt, es geht durch Wiesen, Felder und Wälder. Manchmal hoppelt das Fahrrad zeitweise ziemlich über Buckel, verursacht von Wurzeln, die den Asphalt anheben. Später liegen große Äcker, dann wieder kleine Erlenbruchwälder neben dem Radweg. Weniger durchgeschüttelt rollen wir auf geschotterten Wegen im Wald. Die wenigen Einkehrmöglichkeiten direkt am Radweg sind originell, wie in dem alten stillgelegten Bahnhof Klepicz. Hier lädt ein Schild die Radfahrer ein, es sich im Garten gemütlich zu machen.

Ausgezeichneter Wein aus Westpommern

Nach ein paar Stunden entspannten Radelns ohne erwähnenswerte Höhenmeter erreichen wir das Weingut Turnau. Das besteht seit dem Jahr 2010, hat seit 2015 die ersten Weine auf dem Markt und gewinnt seitdem wichtige Preise. Im Weinberg donnern Kanonen, um die Stare zu vertreiben, zwischen den Reihen mit Reben wachsen Leguminosen. „Wein hat hier in dieser Region und in Polen generell eine große Zukunft, das Klima wird hier zusehends trockener. Das ist schlecht für die Landwirtschaft, aber gut für den Weinbau”, sagt Inhaber Zbigniew Turnau, der das Weingut mit seinem Sohn zusammen betreibt. Nach Anmeldung sind Führungen über das Gut und durch die Produktionshallen sowie Weinverkostungen möglich.

Über die Oder

Weiter geht es, immer mehr oder weniger nordwärts durch Felder, entlang einiger Seen und wieder durch Wälder. In Gryfino überqueren wir das Oderbruch und radeln anschließend ein paar Kilometer auf deutscher Seite. Doch vorher klettern noch wir auf einen hölzernen Aussichtsturm im Nationalpark Unteres Odertal und werfen einen Blick auf die weite Aue. Was für eine Landschaft! Rechterhand zieht die Oder gemächlich vorüber, in der Ferne haben sich Enten, Haubentaucher und andere Vögel auf einem der vielen Altwasser versammelt. Ihr Gequake und ihre Rufe schallen zu uns herüber. Und ist das dort hinten eine Biberburg? Könnte sein. Der Nager kommt hier an der Oder ebenso vor wie der Eisvogel, der Fischotter und der scheue Schwarzstorch.

Der Nationalpark schützt diese und viele weitere gefährdeten Tiere. Er ist Deutschlands einziger Auennationalpark und gleichzeitig das erste grenzüberschreitende Großschutzgebiet mit Polen: Das polnische Pendant zum deutschen Nationalpark Unteres Odertal heißt Landschaftsschutzpark Dolina Dolnej Odry. Ein langgestrecktes Stück Wildnis in der Kulturlandschaft Westpommerns: Die beiden Schutzgebiete ziehen sich bis Stettin rund 60 Kilometer an der Oder entlang und umfassen zusammen eine Fläche von 1.172 Quadratkilometern.

Nach Stettin

Nach nur wenigen Kilometern verlassen wir das Oderbruch und erreichen wir wenig später das Fahrradkreuz Staffelde. Hier ist die Grenze zwischen Deutschland und Polen mit Grenzpfosten markiert. Im Schatten einiger Bäume kann man hier auch Pause machen. Und staunen: Ganz in der Nähe wächst nämlich wertvoller Trockenrasen, ein komplett anders Biotop als die Auenlandschaft. Aber nicht minder spannend. Die wärmeliebenden Pflanzen gedeihen hier auf Kalkböden, die im Hochsommer bis zu 50 Grad erreichen können. Zeitweilig gleicht die Landschaft einer bunten Blumenwiese, in der es summt und krabbelt.

Allerdings sind, als wir hier stoppen, auch viele Mücken unterwegs – also schnell weiter. Bis Stettin fahren wir, drehen dort eine schnelle Runde durch die wiederaufgebaute Altstadt – 90 Prozent der Stadt war nach dem 2. Weltkrieg zerstört –, besuchen das Stettiner Schloss und werfen vom Turm der Jakobskathedrale einen Blick auf die Stadt an der Oder. Die markante Muschel, das Symbol des Jakobswegs, wird uns auf den nächsten Fahrradkilometern noch öfter begegnen.

Allerdings sind, als wir hier stoppen, auch hier, wie eben unten in der Aue, sehr viele Mücken untwegs – also lieber schnell weiter radeln. Bis Stettin fahren wir, drehen dort eine schnelle Runde durch die wiederaufgebaute Altstadt (90% der Stadt war nach dem 2. Weltkrieg zerstört), besuchen das Schloss und werfen vom Turm der Jakobskathedrale einen Blick auf die Stadt an der Oder. Wie der Name schon vermuten lässt, führt hier auch der Jakobsweg entlang. Die markante Muschel, das Symbol des Pilgerwegs, wird uns auf den nächsten Fahrradkilometern noch öfter begegnen.

Nach Stettin geht es dann weiter in Richtung Stettiner Haff und zu den Wikingern in Wolin (Wollin). Mehr dazu könnt ihr in diesem Beitrag lesen.

########## GUT ZU WISSEN ################

Besser ein klassisches Trekkingrad oder ein E-Bike? Das ist auf dem Blue Velo ganz euren Vorlieben und eurer Kondition überlassen. Höhenmeter sind hier kaum zu bewältigen, wenn, dann bremst nur der Wind. Mit einem E-Bike könnte es allerdings  schwierig werden, Ladestationen zu finden. Mehr Infos zum Radweg und seiner Infrastruktur gibt es in der polnischen App Pomorze Zachodnie.

Gastro-Tipp: Bierfreunde kommen in Stettin in der Browar Stara Komenda, einer ehemaligen Polizeistation, die heute eine Brauerei und ein Restaurant beherbergt, voll auf ihre Kosten. Urig und lecker! Tipp: Probiert das Bier des Monats.

Meine Tour auf den Blue Velo durch Westpommern wurde vom Polnischen Fremdenverkehrsamt und der Westpommerschen Tourismusorganisation unterstützt.

Lust auf mehr Radtouren? Wie wären diese: Vias Verdes, Ruwer-Radweg, Moselradweg oder Main-Radweg

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen mitreißenden Einblick in dein Abenteuer auf dem „Blue Velo“. Ich freue mich schon auf weitere spannende Reiseberichte!
    Beste Grüße,
    S. Gross

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