Zu Mittsommer geht es mal wieder auf kulinarische Reise. Diesmal auf Schwedens Ostseeinsel Öland: Hier liebt man die rustikalen Lufsa.Heute ist Mittsommer, wegen des Schaltjahrs ein Tag eher als sonst. Sommersonnenwende, der hellste Tag des Jahres. Da muss natürlich eine Geschichte aus Schweden her. Eine kulinarische obendrein, wenn auch nicht mit den typischen Mittsommer-Delikatessen wie eingelegten Hering, jungen Kartoffeln und Erdbeeren. Es gibt heute Lufsa von Öland, der langgestreckten schwedischen Ostseeinsel mit fast mediterranem Klima, die ich vor ein paar Jahren besucht habe. Und deren Gerüche, Aromen und magisches Licht ich bis heute in sehr intensiver Erinnerung habe.
Öland sei bekannt für sein außergewöhnliche mildes Klima und sein gutes Essen, hatte ich mir sagen lassen. Nun gut. Ich fuhr los und hatte ein Bild im Kopf von – ja, von Schweden eben. Dem Schweden, das ich kannte, mit Wäldern, Mooren, kargen Hochebenen. Eine oft sanft gewellte Landschaft, in der nicht besonders viel Gemüse und Obst wächst.
Und dann kam Öland. Und ich war baff. Es war hell, es war platt, die Straße verlor sich irgendwo in der Ferne am Horizont. War das hier wirklich der hohe Norden oder hatte ich mich nach Südfrankreich verirrt? Überall Windmühlen, und die Sonne knallte gleißend hell vom Himmel, kaum hatte ich die lange Brücke in Kalmar vom Festland zur Insel überquert. Satt orange Kürbisse leuchteten neben knallgelbem Mais und dunkelgrünen Zucchini auf dem Marktstand. Bunte Blumen neben frischem Brot, Käse und Wurst. Und alles kam tatsächlich von hier, von Öland, der Ostsee-Insel im Südosten Schwedens.
Lokal und öko auf Öland
„Der Trend auf Öland geht zu lokalen und ökologischen Produkten, das ist gut. Ich bevorzuge die schon immer“, hat mir Karin Fransson damals erzählt. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Sterneköchin gehört zuammen mit ihrem Mann das Hotel Borgholm, ein helles Steingebäude gleich neben der Fußgängerzone in der kleinen Inselhauptstadt Borgholm. Ein Bauer zog damals für sie Öko-Gemüse und kiloweise die vielen Kräuter, die ihre Küche bekannt gemacht haben. „Ich habe den ganzen Garten voller Kräuter“, sagte sie fröhlich, als wir zuammen in
ihrem üppigen Kräutergarten standen, und reckte übermütig die Arme in die Luft. „Hier auf Öland ist das Klima fast mediterran, alles wächst herrlich.“ Die lang gestreckte Insel trägt deshalb auch den Beinamen „Provence des Nordens“.
Kräuterpracht im Norden
Ganz passend stand überbordend Lavendel in riesigen Büschen im Garten. Der mediterrane Busch explodierte geradezu satt lila und verströmt sein üppiges Aroma neben Thymian, Rosmarin, Minze und Duft-Tagetes.
Deren würzige Blätter landen bei Karin Fransson, die sich mit ihren kreativen Kräuterrezepten auch einen Namen als Fernsehköchin in Schweden gemacht hat, auch schon mal im Salat. Erst würden sich die Leute wundern, dann nachmachen – so hat sich die Köchin mit ihrer Kräuterküche einen immer größeren Kreis von Anhängern erkocht. Am Bodensee aufgewachsen, sammelte Karin schon als Vierjährige mit ihrer Oma Wildkräuter. Als junge Frau traf sie dann ihren zukünftigen Mann Owe, zog nach Öland und begann in seinem Hotel in der Küche zu helfen. Heute, Jahrzehnte später, gehört sie zu Schwedens bekanntesten Köchen. Im Sommer kommt das Königspaar Carl Gustav und Silvia aus seinem nur wenige Kilometer entfernten Sommersitz Solliden gern mal zum Essen vorbei – ganz ungezwungen, typisch schwedisch eben. Und ja, sogar Trauben würden auf Öland wachsen und zu einem passablen Wein gekeltert oder zu Grappa destilliert – fast wie in Italien, berichtete sie noch.
Ordentlich Fett und Kohlenhydrate: Kroppkakor und Lufsa
Typisch öländisches Essen ist – da sind wir doch nicht mehr in Frankreich und der Provence, sondern im Hausmannskost-verliebten Schweden – rustikal und reichhaltig. Ein Klassiker sind Kroppkakor, mit Speck oder Hackfleisch gefüllte Kartoffelklöße, die nach – häufig streng gehüteten – Familienrezepten überall auf der Insel geknetet werden. Mal mit mehr rohen Kartoffeln im Teig verfeinert, mal mit Piment gewürzt. Dazu reicht man Preiselbeerkompott und Sahne oder Butter – sehr schwedisch.
Oder man hält sich an Lufsa. Das sättigende Gericht aus gebackenem Kartoffelmus und gebratenem Speck aus dem Ofen ist eine Variation des in Schweden beliebten Rezepts „Raggmunk“, eine Art Kartoffelpuffer. Lufsa sind der Renner in Sandviks Kvarn, einer holländisch anmutenden, alten Windmühle im Norden der Insel. Blonde Kellnerinnen servieren das Traditionsessen hier in alter Tracht – ja doch, ist schon nett hier.
Öland, Insel der Gegensätze
Nach dem Essen lässt sich von der Empore der schwarz-weißen Mühle Ölands karge Landschaft prima überblicken: Auf der einen Seite blitzt die blaue Ostsee zwischen Häusern hindurch, landeinwärts dehnt sich eine lebensfeindliche Kalk-Grassteppe bis zum Horizont, über der sogar im Herbst noch manchmal die Hitze flimmert, ohne Baum und Strauch, ohne Erhebung und Relief – die Alvar.
Wer hier zu Fuß unterwegs ist, sollte ausreichend Wasser mitnehmen. Über die als Weltkulturerbe geschützte Karst-Landschaft pfeift stetig der Wind, am Horizont grasen Schafe. So karg es hier ist, so faszinierend ist es gleichzeitig. Spätestens jetzt kommt man wieder ins Grübeln, ob man den falschen Zug genommen hat: Ist das wirklich Schweden oder eine vertrocknete Mittelmeer-Steppe?
Öland ist wirklich eine Insel der Gegensätze: Nur ein paar Kilometer weiter liegen hinter urschwedisch roten Holzhäusern fruchtbare Äcker, auf denen auch Karins üppiges Inselgemüse wächst.
Bei meinem Besuch habe ich Karin auch ein wenig zu ihrem Werdegang als Köchin befragt:
Woher kommt deine Liebe zu Kräutern?
Das habe ich aus meiner Kindheit mitbekommen. Mit meiner Oma, einer richtigen Kräuterhexe, bin ich schon als kleines Kind oft frühmorgens in den Wald gegangen um Kräuter zu sammeln. Sie hat mir alles über Kräuter beigebracht.
Wie kommt die Kräuterküche an?
Häufig sind die Gäste erst etwas verwundert und zurückhaltend, zum Beispiel über Fisch mit Zitronenverbena oder Salat mit Duft-Tagetes. Aber dann schmeckt es ihnen und sie machen es zuhause nach. Wie der Knoblauch: Der war geradezu verpönt auf Öland. Jetzt benutzen ihn alle.
Wieso gibt es so wenige Spitzenköchinnen?
Es ist ein sehr harter Job, jeden Tag in der Küche, ohne Wochenende, ohne Ferien. Frauen müssen besser und stärker als Männer sein. Und sie müssen sich entscheiden: Familie oder Sterneköchin? Alle, die ich kenne, haben wie ich keine Kinder, ausnahmsweise mal eines. Beides geht einfach nicht.
Rezept: Lufsa (4 Portionen)
Zutaten:
8 mittelgroße Kartoffeln, eine Zwiebel, 150 ml Milch, 150 ml Sahne, 100 g Weizenmehl, 1 Ei, 1 TL Salz, 500 g Schweinefleisch, etwas Butter
Zubereitung: Ofen auf 225 Grad vorheizen. Kartoffeln und Zwiebel schälen und fein reiben. Mit Mehl, Milch, Sahne, dem Ei und dem Salz zu einem Teil vermengen. Gratinform mit der Butter fetten, Fleisch in kleine Stücke schneiden. Den Kartoffelteig in die Form füllen und mit dem Fleisch toppen. Ca. eine Stunde im Ofen backen, dann überprüfen, ob der Teig auch in der Mitte gestockt ist. Dann mit Alufolie abdecken und weiterbacken. Mit Preiselbeerkompott servieren.
Lust auf ein paar Mittsommer-Impressionen aus Schweden? Hier. Ein passendes Zimtschnecken-Rezept haben wir natürlich auch…
Ihr wollt mehr Schweden-Geschichten? Wie wäre es mit Tafeln im Wald in Värmland, einer Floßfahrt auf dem Klarälven, mit dem Baumzelt in den Schären von Östergötland rumhängen oder im Glashaus in Värmland schlafen. An der Westküste hätten wir unter anderem die Wetterinseln oder das wunderbare Göteborg im Angebot. Und natürlich ein paar Elchfotos.
Auf der Suche nach Anregungen oder bei Fragen zu Schweden (auch zu den aktuellen Reisevorschriften) hilft Visit Sweden garantiert kompetent weiter.
Ach, da kommen Kindheitserinnerungen auf! Auch wenn ich mich kaum an Kulinarisches erinnern kann, außer dass das Brot gesüßt war undd die Butter salzig.
LG
Ulrike
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