Heute ist der Internationale Tag des Museums. Wir haben bereits im Germanenland geschlafen und in der Germanensauna geschwitzt. Da fehlt nur noch eines – das Museum Kalkriese. Es ist Ausgrabungsstätte und Ausstellungsort in einem, Schauplatz des Siegs der Germanen über die Römer in der Varusschlacht.
Zum Museum Kalkriese kommt Ihr natürlich problemlos per Auto, einen großen Parkplatz gibt es auch. Aber wer sowieso im Germanenland schläft, so wie wir, der kann wunderbar mit dem Fahrrad auf der ganz frisch eingeweihten Germanenroute zum Museum fahren, vorbei an Kiefern- und Eichenwäldchen, an Bauernhöfen und Feldern.
Als wir ankommen, beginnt es zu regnen. Und Gästeführerin Ulrike Klein Helmkamp startet ihren geführten Rundgang durch das Museum Kalkriese und den dazugehörigen Park prompt mit den Worten: „Vor 2000 Jahren wären wir hier vermutlich im Morast versunken.“ Denn die Varusschlacht um den berühmten Hermann oder Arminius fand in einer feuchten Senke statt.
Die Römer der drei Legionen um den Feldherrn Varus saßen hier in der Falle. Der Hauptfundplatz der vielen Überreste aus der Schlacht liegt in einem etwa sechs Kilometer langen Engpass, der an der schmalsten Stelle nur etwa ein Kilometer breit war. Zwischen dem Großen Moor im Norden und dem Kalkrieser Berg im Süden. Im Eingangsbereich zur Dauerausstellung ist das ziemlich gut dargestellt. Links der Kalkrieser Berg mit dichtem Wald, in dem sich die Germanen verbargen. Und auf der anderen Seite die Römer, deren Tross sich an diesem Engpass immer stärker in die Länge zog und ein leichtes Angriffsziel bot:
Wo heute Felder liegen, war früher ein riesiges Moor. „Die Äcker hier sind menschengemacht“, erklärt die Gästeführerin. Durch die so genannte Plaggenwirtschaft, in der die Menschen jahrhundertelang Waldboden und Torf mit dem Dung der Tiere mischten, und auf das trockengelegte Moor aufbrachten, entstand eine dicke Schicht mit fruchtbarem Boden. „Das war ein großer Segen, denn durch die Plaggenschicht blieben die Überreste der Schlacht in der Tiefe unangetastet.“
Seit 1987 buddeln die Archäologen hier schon nach Überresten. Etwa 8000 eindeutige Funde haben die Wissenschaftler bereits identifiziert. Bis heute ist die oben in Vergrößerung dargestellt Reitermaske eines Römers das Highlight, ein einzigartiges Fundstück.
Zwei Ausstellungen
Die Dauerausstellung zur Varusschlacht, die zudem Einblicke in die damalige Lebenswelt gibt, erklärt, warum erst so spät Kalkriese als Ort der Schlacht ins Gespräch kam. Außerdem läuft derzeit die Sonderausstellung „Roms Legionen“, die die straffe Organisation der größten Armee der Antike thematisiert.
Dass man heute weiß, dass die Schlacht um Arminius nicht in der Nähe des Hermannsdenkmals im Teutoburger Wald stattfand, sondern weiter nördlich in Niedersachsen, ist ausgerechnet einem Ausländer zu verdanken, dem Briten Sir Anthony „Tony“ Clunn. Er gilt als Entdecker der Varusschlacht und löste mit seinen ersten Funden eine Ausgrabungswelle in der Region aus.
Funde sind weit in der Landschaft verteilt
Noch heute wird gebuddelt: Nicht nur der Museumspark ist Forschungsgelände, sondern auch ein riesiges Areal von 15 Quadratkilometern drumherum. Denn die drei Legionen mit rund 15 000 Mann und einem riesigen Tross aus Kaufleuten Handwerkern, mit Hunderten Packtieren zogen als Truppenverband über mehrere Kilometer durch diese Landschaft.
Auch Schädel und Knochen hat man hier gefunden – in insgesamt acht Knochengruben. Die Tatsache, dass die Knochen keinerlei Mangelerscheinungen zeigten und das Sterbealter zwischen 20 und 45 Jahren lag, macht es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei den Toten nicht um Germanen, sondern um römische Soldaten handelte. Selbst heute noch wird einem noch ganz anders, wenn man sich die Schädel anschaut.
Viele weisen sogenannte Traumata auf. Früher dachte ich das Wort „Schlacht“ kommt von schlagen, kämpfen. Hier kam zum erstmal der Gedanke, dass es wohl viel eher von „Schlachten“ kommt. Die Römer wurden buchstäblich dahingemetzelt. Ziemlich brutal und auch nichts, das ich irgendwie als glorreich empfinden könnte.
Die Sonderausstellung „Roms Legionen“
Davon kann man sich übrigens auch in der Sonderausstellung „Roms Legionen“ überzeugen, die noch bis zum 3. November zu sehen ist. Die römische Armee war straff durchorganisiert. Eine nahezu perfekte Eroberungs- und Tötungsmaschinerie, mit drakonischen Strafen und großen Belohnungen. Das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche.
Aber natürlich ist das Museum nicht darauf ausgerichtet, sich nur Gedanken über Krieg und Frieden zu machen. Im Gegenteil. Wer als Familie mit Kindern die Ausstellungen besucht, findet viel zum Ausprobieren, Anziehen und Nachmachen. Zum Beispiel kann man die obigen Uniformen und Kettenhemden anprobieren.
Ich kann nur sagen: Kettenhemden sind verdammt schwer, hinzu kommt noch das Marschgepäck. Da wundert es nicht, dass die Römer allein schon vom Marschieren extrem durchtrainiert waren. Hinzu kamen die Übungen im Lager. Ach ja, lange Haare dürften sie auch nicht gehabt haben, das ziept nämlich höllisch beim Anziehen. Aber besonders die Kids haben begeistert die Kettenhemden anprobiert, sich Holzschwerter geschnappt und am Holzpfahl trainiert.
In der Sonderausstellung erfahrt Ihr auch viel über den Alltag im Lager, dass die Legionare zu acht in einem Zelt geschlafen haben. (Und warum es Legionare und nicht Legionäre heißt 😉 ) Dass die Zelte aus dickem Leder bestanden – und entsprechend viel wogen beim Transport.
Die Römer hatten zudem tonnenweise Getreide dabei und haben sogar schwere Getreidemühlen aus massivem Stein mitgeschleppt. Auch die lässt sich an einer Mitmachstation ausprobieren. Jedem Legionar stand pro Tag ungefähr ein halbes Kilo Getreide zu, das mit der Handmühle frisch gemahlen und anschließend zu Getreidebrei verarbeitet wurde.
Die dunkle Seite der Römer
Es ist schon beeindruckend, wie gut die römische Legionen organisiert waren. Wie schnell sie bei Angriffen von Marschieren auf Kampf umswitchen und in Aufstellung gehen konnten.
Zinnfiguren-Modelle zeigen die Aufstellung der Soldaten und Schlachtszenen. Und in einer versteckten, für Kinder nicht so leicht sichtbaren Ecke wird auch gezeigt, warum die Römer sich nicht bei allen Germanen größter Beliebtheit erfreuten: Überfälle und Plünderungen in Germanendörfern duldeten Zenturios und andere Machthaber stillschweigend. Und je aufmüpfiger sich die Bewohner eines eroberten Gebietes gebährten, desto wilder durften die Legionare dort wüten.
Vielleicht erklärt das auch die Grausamkeit, mit der die Germanen in dieser Schlacht die Römer dahinmetzelten. Wertvolle Metall- und andere Wertgegenstände nahmen sie mit, die Toten ließen sie achtlos liegen. Erst wenige Jahre später kam Feldherr Germanicus noch einmal an den Ort des Geschehens und ließ die Toten bestatten, deren Gebeine immer noch hier an der Oberfläche lagen.
Der Geschichtsschreiber Velleius Paterculus (20 v.Chr. – 30 n.Chr.) hat es eigentlich ziemlich treffend umschrieben:
„Eingeschlossen in Wälder und Sümpfe, in einem feindlichen Hinterhalt, wurden sie Mann für Mann abgeschlachtet, und zwar von demselben Feind, den sie ihrerseits stets wie Vieh abgeschlachtet hatten – dessen Leben und Tod von ihrem Zorn oder ihrem Mitleid abhängig gewesen war.“
Museum und Park Kalkriese
Venner Straße 69
D-49565 Bramsche-Kalkriese
Tel. 00 49 (0) 54 68 / 92 04 0
www.kalkriese-varusschlacht.de
Öffnungszeiten
April bis Oktober
Täglich geöffnet von 10:00 bis 18:00 Uhr
Eintritt:
Erwachsene: 9,50 €, ermäßigt: 6,50 €
Familienkarte für zwei Erwachsene und Kinder: 20,00 €
Eintritt Dauerausstellung in Zeiten ohne Sonderausstellung
Erwachsene: 7,50 €, ermäßigt: 4,50 €
Familienkarte für zwei Erwachsene und Kinder: 16,00€
Diese Recherche wurde unterstützt von der Urlaubsregion Osnabrücker Land. Vielen Dank dafür!
Hallo Iris,
Schlachten im Krieg bedeutet zwangsläufig abschlachten. Wer wann welche Gräueltaten begangen hat spielt keine Rolle, der eine mehr, der andere weniger. Der Bericht ist gut.
Lieben Gruß, Ewald
Danke Ewald, da hast Du Recht. Hoffentlich bleibt uns und den nachfolgenden Generationen diese Erfahrung erspart…
Liebe Grüße
Iris
Nachtrag:
kann aus irgendwelchen Gründen nicht liken und auch nicht mit meinem WP-Konto kommentieren.
Lieben Gruß, Ewald
Hm, das ist wirklich blöd. Ich hoffe, das hat nichts mit dem neuen WordPress Update zu tun. Danke für den Hinweis!
P.S. Deine Kommentare sind auf jeden Fall jetzt zu sehen. Ich habe gerade den Beitrag selbst mal geliked, da ging es…
LG
Iris
In Kalkriese waren wir vor Jahren und waren schwer begeistert von dem Konzept. Ich finde es so toll, dass dort im Audio-Guide die „Wahrheiten“ der Römer und der Germanen in Form der mündlichen Berichte von Varus und Arminius selbst gegenüber gestellt werden, ohne letztlich einem recht zu geben. Ob es nun ein fieser Verrat oder eine heroische Heimatrettung war, kann man eben sowohl so als auch so sehen.
Ich kann das auch nur unterschreiben. Das Museum ist sehr ausgewogen in seiner Darstellung ohne diese romantische Verklärung, die damals noch rund um den Bau des Hermannsdenkmals stattfand.
Liebe Grüße
Iris