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Vías Verdes: Auf dem Rad durch die Extremadura

Abseits der Küste, weit in Spaniens Westen und nahe der Grenze zu Portugal liegt die Region Extremadura. Kaum bekannt, dünn besiedelt, mit Kulturschätzen sowie einem Nationalpark in dem Geier und Adler leben. Unterwegs mit dem Rad auf stillgelegten Bahnstrecken, den Vías Verdes, konnte ich ein bisschen hinein schnuppern in diese ruhige, ländliche Gegend.

Einst fuhr ein Zug nach Sevilla, mit tausenden Merino-Schafen an Bord, beim großen Schafstreck von Nord nach Süd auf der Iberischen Halbinsel. Die Tiere trugen beste Wolle am Körper, für die Kleiderindustrie im 19. Jahrhundert. Längst schon ist die Bahnlinie eingestellt, heute radeln dort Menschen auf einem kurzen Stück des alten Bahn-Abschnitts. Vía Verde Ruta de la Plata nennt sich die 26 Kilometer lange Strecke in der Region Extremadura, die für Radfahrer und Fußgänger gedacht ist. Es ist zugleich eine historische Route, der Name Vía de la Plata bezeichnet einen alten römischer Handelsweg von Sevilla in den Norden Spaniens, zugleich auch der längste Jakobsweg.

Der frühere Bahnhof in Puerto de Béjar

Von den kleinen Bahnhöfen sind meist nur Ruinen übrig, aber es gibt auch restaurierte und zu Cafés umfunktionierte Stationen an der Radstrecke. Liebevoll hergerichtet wurde etwa der ehemalige Bahnhof in Puerto de Béjar. Alles rund ums Reisen ist hier versammelt, da stehen Koffer im Raum, Kaffee wird im Vagon Comedor, dem alten Speisewagen, serviert. Auf ein Stück ehemaliger Gleise stützt man seine Füße an der Bar. Von Puerto de Béjar nach Hervás führt der Radweg in gemächlichem Tempo bergab. Von rund 900 Metern Höhe in der Sierra de Béjar geht`s hinab ins Ambroz-Tal, durch dichte Kastanien- und Ahornwälder der Extremadura. Es ist Wochenende und mächtig Betrieb. Radfahrer und Spaziergänger kommen sich dabei erstaunlich wenig ins Gehege, man achtet aufeinander. Bald schon lichten sich die Wälder, es folgt ein Ausblick aufs Städtchen, umgeben von Terrassen mit Oliven und Kirchbaumreihen.

Hervás

Hervás besitzt eine schöne Altstadt, das gut erhaltene jüdische Viertel. In verwinkelten Gassen stehen Fachwerkhäuser, deren Türen aus Kastanienholz gefertigt sind, die Dächer mit Lehmziegeln bedeckt. Christen und Juden lebten friedlich zusammen, bis im Jahr 1492 die neuen Herrscher von Spanien, König Fernando II von Aragon und Isabel I von Kastilien bestimmten, dass alle Juden entweder zum Christentum konvertieren oder das Land verlassen müssen.

Vías Verdes-Radwege

Die Extremadura ist ein touristisch noch weitgehend unbekannter Landstrich in Spanien, dünn besiedelt, mit viel Platz für Mensch und Tier. Nur rund 20.000 deutsche Touristen kommen pro Jahr hierher. Die Vías Verdes-Radwege (Grüne Wege) sollen mehr Urlauber in die Region locken. Und auf die bislang vier Routen, zwischen 17 und 56 Kilometer lang, sollen weitere Radstrecken auf stillgelegten Eisenbahnlinien folgen.
Über große Weideflächen, bestückt mit alten Steineichen, führt die zumeist ebene Vía Verde La Jayona im Süden der Region. Kork- und Steineichenwälder sind ein typisches Landschaftsbild der Extremadura, dort lebt mit viel Auslauf das dunkle iberische Schwein. Sein Jamón Ibérico, der Schinken, ist eine Spezialität.

Die Vía Verde La Jayona folgt über 30 Kilometer einer alten Transportlinie für Eisenerz. Einen Stopp lohnt das ehemalige Bergwerk La Jayona. Es ist ein Mix aus Stollen und Tagebau mit mehreren zugänglichen Ebenen, Spazierwege führen durch wild bewachsene Felsen-Schluchten.

Agrarflächen und Wanderwege

Den Süden der Extremadura prägen auch endlos wirkenden Agrarflächen, Getreide-Gelb leuchtet, so weit das Auge schaut. Aber in der monotonen Weite liegen historische Schätze, echte Perlen, wie etwa die Stadt Cáceres. Ein UNESCO-Weltkulturerbe. Es ist die Stadt der Paläste, insgesamt fünfzig an der Zahl schmücken die Altstadt. Prachtbauten der Adligen des Mittelalters, die aus nordspanischen Provinzen nach Cáceres kamen, angelockt von König Alfonso IX, der ihnen nach dem Sieg über die Mauren Land versprach. Wappen verzieren alte Gemäuer, an einem der Paläste leuchten Wasserspeier aus grüner Keramik in der Sonne. Einzelne hohe Palmen stehen in Gärten, es gibt kleine Plazas, um ein bisschen zu verweilen.

Vía Verde de Monfragüe

Kultur im Süden und wilde Natur im Norden. Dort führt die Vía Verde de Monfragüe zum gleichnamigen Nationalpark. Die alte Bahnstrecke war eine Verbindung zwischen Cáceres und Madrid, heute sind knapp 18 Kilometer davon zum Radweg umgebaut. In Richtung La Bazagona geht es ordentlich hoch und runter, mal auf hellen feingemahlenen Kieselsteinen, dann auf Schotter. Kuhfladen umfährt man besser, während der Wind an den stacheligen Büschen am Wegesrand zerrt. Es ist eine steppenähnliche Landschaft, gespickt mit alten Steineichen, sie stehen in gebührendem Abstand voneinander. Unter manchen grasen Schafe und Kühe, hin und wieder zeigt sich auch mal ein Stier, Schatten suchend unter einem Baum. Eine Besonderheit sind die weißen Kühe, eine alte Tierrasse, die weitgehend ausgestorben war und jetzt in der Extremadura wieder nachgezüchtet wird.

Nationalpark Monfragüe, Refugium des Iberischen Kaiseradlers

Oben am Himmel sieht man sie schon kreisen, die Geier. Erste Vorboten einer großen Population, die im Nationalpark lebt. Der Radweg endet, bevor es weiter in das gebirgige und waldreiche Schutzgebiet hineingeht. Dort kreisen Gänsegeier über Felsenklippen, ihr Lieblingsplatz ist der Salto del Gitano-Felsvorsprung, darunter windet sich der Fluss Río Tajo smaragdfarben durch eine Schlucht. Im Wasser haben die Aasfresser ein Opfer entdeckt, ein großer Leib treibt im Fluss, vielleicht ein toter Hirsch. Mönchsgeier, Gänsegeier, Iberischer Kaiseradler oder auch der seltene Schwarzstorch leben im Nationalpark Monfragüe, er ist ein Ziel für Vogelbeobachter aus ganz Europa. Auch viele kleine Zugvögel rasten in der Extremadura, und über 100.000 Kraniche überwintern hier jedes Jahr. Sie bleiben, sie ziehen erst gar nicht weiter in Richtung Süden.

***  Gut zu wissen  ***

Die Vías Verdes verteilen sich über die ganze Region Extremadura, sie sind nicht miteinander verbunden. Ein Radverleih bietet Transfers zu den Ausgangspunkten, hilft bei der Routenplanung, organisiert den Gepäcktransport:
www.bikesatforest.com (Spanisch/Englisch)

Eine Radtour auf den Vías Verdes lässt sich am besten einplanen, wenn man sowieso in der Gegend unterwegs ist, etwa auf der Strecke von Madrid nach Lissabon durchquert man die Extremadura.

Weitere Infos: www.turismoextremadura.com

Anreise ohne Auto: Von Madrid fahren Züge nach Plasencia (ca. 2.5 Stunden Fahrt), www.renfe.es

Hoteltipp in Hervás: Casa Rural Jardin del Convento, ein kleines, geschmackvoll und gemütlich eingerichtetes Hotel mit Garten, nur 7 Zimmer, ab 60 Euro pro Nacht

Zum Einlesen: Dumont Reise-Taschenbuch Extremadura, 1. Auflage 2020, kostet 18,95 Euro (das Taschenbuch wurde mir vom Verlag zur Verfügung gestellt)

Die Reise wurde vom Spanischen Fremdenverkehrsamt unterstützt.

Alle Fotos: (C) Karin Kura

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Draußen ist es am schönsten. Egal, ob als Reisejournalistin oder privat, unterwegs in der Natur bin ich am liebsten. Aber bloß nicht frieren! So klingt es vielleicht komisch, dass ich von Haus aus Skandinavistin bin, in Norwegen habe ich gelebt. Und dann die Himmelsrichtung gewechselt. Jetzt reise ich oft in Richtung Süden, nach Spanien. Karge Landschaften ziehen mich magisch an, besonders Wüsten. Alle Wüsten dieser Welt besucht zu haben, das wäre ein Traum!

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  1. Leider oder vielleicht zum Glück ist Extremadura nicht sehr bekannt. Weder bei den Einheimischen, noch im Ausland. Aber es ist ein perfekter Ort für eine Sprachreise, zum Wandern, zum Radfahren und für kulinarische Entdeckungen. Eigentlich der perfekte Ort, um auf einer Sprachreise spanisch zu lernen, da die Einheimischen sehr nett, geduldig und gastfreundlich sind. Ein schöner Beitrag, mit tollen Fotos.

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