Bei uns im Rheinland ziehen die Jecken jetzt wieder so richtig los, bald ziehen die Umzüge durch die Straßen der Karnevalshochburgen. Schon seit langem faszinieren mich alte Fasnachtstraditionen in Almdörfern in Österreich. So habe ich vor kurzem endlich das Kinderblochziehen in dem Tiroler Dorf Fiss miterleben können. Aber diesmal waren es die jungen Burschen des urigen Dorfes auf 1436 Metern, die den alten Fasnachtsbrauch alle vier Jahre aufgreifen. Sie sind mit vollem Ehrgeiz und viel, viel Leidenschaft beim Kinderblochziehen dabei. Dem Bösen und dem – früher oft sehr langen – Winter wird dabei der Garaus gemacht. Der historische Brauch – das Blochziehen – gehört seit 2011 zum Immateriellen Kulturerbe Österreichs.
Der Baumstamm wird durchs Dorf gezogen
Die Fisser Tradition verdankt seinen Namen dabei dem Bloch, einem langen Fichtenstamm. Er stellt einen Pflug dar, der die Felder für die Aussaat aufbricht – und damit auch gleich den Frühlingsanfang einläutet. Im Spätherbst, kurz bevor es zuschneit, holen kräftige Männer und Jungs den Bloch aus dem Fisser Almgebiet. Der 13-jährige Johann Wachter zeigt mir voller Stolz den bunt geschmückten Baumstamm: „Er ist über zwei Tonnen schwer und 18 Meter lang.“ Beim Blochziehen ziehen sie mit 60 verkleideten Burschen (im Alter von sechs bis 18 Jahren) den Fichtenstamm auf einem Holzschlitten mit Kufen durchs Dorf. Der Schwoaftuifl (Schweifteufel) und die Hexen versuchen dabei, den Zug immer wieder aufzuhalten.
Frauen helfen tatkräftig im Hintergrund
„Alle packen mit an“, erklärt er mir, „es dürfen aber nur männliche Fisser mitmachen – oder Männer, die hier wohnen, keine Frauen.“ Schnell fügt der redselige Johann lächelnd hinzu: „Ohne die Mütter, Tanten und Omas im Hintergrund würden wir das aber nie alleine hinbekommen.“ Viele Fisserinnen helfen mit: Sie nähen neue Kostüme oder stopfen die Löcher der alten Gewänder. Gerade das Kostüm des Giggeler (Hahn) mit den echten Federn von sechs Hähnen aus Italien gehe oft kaputt, weiß Johann. Das muss immer wieder Hand angelegt werden. Und am Tag des Blochziehens schminken die Friseurinnen des Dorfes alle Kinder.
Seit Monaten proben die Jungs fürs große Finale
Kurz vor dem Start ist der Mittelschüler noch ziemlich nervös. Johann ist Obmann – und gleichzeitig Fuhrmann – beim Kinderblochziehen. „Als Obmann bin ich im Ausschuss, muss die 60 Rollen verteilen, bin aber auch noch für andere Dinge verantwortlich“, erläutert er fachmännisch. Seit Dezember proben die jungen Fasnachter alle zwei bis drei Wochen eisern. Für die Schallner (sie symbolisieren die Jugend, den Neuanfang) bedeutet es auch intensives körperliches Training: Sie tragen neben der liebe- und kunstvoll bemalten Holzmaske samt Hut und traditioneller Tiroler Tracht fünf Kilo schwere Schellen an den Hüften. Der wiegende Schritt, ja fast Sprung zieht nach einer Weile ordentlich in den Waden. Der unheimliche und erfurchtsvolle Klang der Schellen soll die bösen Geister und Dämonen – laut dem alten Volksglauben – vertreiben, hört selbst:
Die Buben von Fiss geben alles
Stundenlang laufen die jungen Schallner später während des Kinderblochziehens durch die engen Gassen von Fiss mit seinen historischen Bauernhäusern rhythmisch springend. Und ich frage mich, wie schaffen sie das bloß? Welche Ausdauer müssen die Jungs haben! Nachdem Fuhrmann Johann die Peitsche schnalzt, geht’s los. Er sorgt für den reibungslosen Ablauf während des Nachmittags, viel Verantwortung. Aber er macht es toll! Schaut rein:
Auch die anderen Teilnehmer – Bärentreiber, Jäger (sie sind vorne an der Deichsel des Blochs und müssen den Bären und den Miasmann einfangen), freche Hexen, der hinterlistige Schwoaftuifl und der akrobatisch talentierte Bajatzl leisten eine Menge. Letzterer, dieses Mal der 18jährige Paul Achenrainer, musste spontan für die Rolle einspringen. Der ursprünglich Eingeteilte hatte sich beim Skilaufen den Arm gebrochen. So klettert Paul dieses Mal auf die Dächer der Häuser und Scheunen, macht seinen närrischen Schabernack und bewirft die Gäste mit Schnee. Er begeistert sie mit Kopfständen und Saltos hoch oben über den Dächern von Fiss. Was eine Akrobatik, klasse!
Kinder werden zu großen Akteuren
Aber auch die anderen Kinder werden zu großen Akteuren. Mit Ausdauer, Geduld und Ruhe. Mitten aus dem dörflichen Leben von damals genommen, sind auch Figuren wie das Bauernpaar, die Wanderkrämer, die Holzer (Holzfäller), das Müllerpaar und die Bettler. Alle liebevoll verkleidet mit toller Tracht, Lederhosen und wunderschönen Holzmasken, einfach herzergreifend, finde ich. „Seit den 1920er Jahren findet das Blochziehen in dieser Art und Weise übrigens im Dorf Fiss statt“, erklärt mir der erwachsene Obmann Martin Pregenzer später. Bis 1969 sei es ein Brauch der Burschen und ledigen Männer gewesen, dann wurden auch verheiratete eingebunden. Am Ende wird der Bloch noch versteigert, wie jedes Jahr. Diesmal für 8000 Euro an eine Bank. Das Geld kommt einem wohltätigen Zweck zugute oder wird im Falle eines Notfalls – wie etwa ein Feuer – im Dorf verwendet. Johann, der junge Fuhrmann, schaut am Ende etwas erschöpft, aber sehr glücklich rein: „Nur meine Stimme ist futsch, von dem lauten Rufen!“
Übernachtung:
Wer ein nettes kinderfreundliches Hotel ganz in der Nähe von Fiss sucht, ist im 1970 gegründeten Familienhotel Wiesenheim in Fisser Höfe genau richtig aufgehoben. Im Sommer wandert der engagierte Hausherr Andy Kirschner sogar mit den jungen Gästen in die Natur – zum Entdecken von Spinnen und zum Fotografieren. 28 Zimmer, inklusive Familienzimmern, Sauna, Spielzimmer und -platz. „Die Wintersaison geht von Mitte Dezember bis Mitte April, ab Juni beginnt dann der Sommer für uns“, so Ehefrau Marlies.
Tipps:
Wer noch mehr zu dem Tiroler Fasnachtsbrauch erfahren möchte, sollte sich das Heimatmuseum s’Paules und s’Seppls Haus im Ortskern von Fiss anschauen. Wirklich spannend! Mehr zu dem Zeugnis bäuerlicher Baukultur in meinem nächsten Blog, ebenso eine Tour zur Zirbenhütte, einem Genussrestaurant auf 2100 Metern – mitten im Skigebiet von Serfaus-Fiss-Ladis. Ein Traumblick und regionale erstklassige Küche!
Anreise:
Ins Tiroler Serfaus-Fiss-Ladis kommt ihr entweder mit dem Auto: vom Rheinland über Frankfurt, Stuttgart, Ulm, Landeck. Alternativ natürlich mit der Bahn: Da gibt es mehrere Möglichkeiten bei den ICEs und ECs. Eine Tour wäre über München, Innsbruck nach Landeck-Zams (zirka 8,15 Std.). Von dort verkehrt ein Linienbus nach Serfaus, Fiss oder Ladis.
Unterstützt wurde ich bei dieser Pressereise in die Ferienregion Serfaus-Fiss-Ladis von Hansmann PR und dem Tourismusverband Serfaus-Fiss-Ladis. Wenn ihr weitere Österreich-Geschichten bei uns lesen möchtet, dann lest hier: der Imster Schellenlauf (auch ein alter Tiroler Fasnachtsbrauch), die Klimakrise in Südtirol oder der Stanglwirt.
Und das nächste Kinderblochziehen findet dann im Januar/Februar 2028 statt, das Blochziehen der Erwachsenen bereits am 25. Januar 2026.