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Alingsås, Schwedens Fika-Hauptstadt

Alingsås nennt sich nicht ohne Stolz Schwedens Fika-Hauptstadt. Doch was ist Fika überhaupt? Und was macht gerade Alingsås prädestiniert fürs gesellige Kaffeetrinken?

Alingsås ist eine gemütliche kleine Stadt in Westschweden. Rund 27.000 Menschen leben hier, etwa 50 Kilometer nordöstlich von Göteborg und eine gute halbe Stunde Bahnfahrt vom dortigenHauptbahnhof. Es ist einfach nett, hierher zum Schlendern zu kommen: Durch das Zentrum fließt der Bach Lillån, Blumen schmücken den Weg und im historischen Stadtkern warten gemütliche Innenhöfe mit kleinen inhabergeführten Geschäften. Das Besondere: Es gibt mehr als 20 Cafés in der schmucken Innenstadt mit den alten, bunten Holzhäuschen. Aber nicht nur deshalb nennt sich Alingsås Fika-Hauptstadt.

Fika, eine schwedische Institution

Die Fika ist, das kann man wohl so behaupten, nicht weniger als schwedisches Kulturgut. Einfach gesagt ist Fika eine Kaffeepause, ein Treffen auf einen Kaffee. Bei der Arbeit genauso wie im Privaten. Doch das wird der Sache nicht mal ansatzweise gerecht. Eine Fika ist weit mehr als Kaffee und Kuchen. Für die eher zurückhaltenden Schweden ist sie eine Institution des sich Treffens, des Plauderns, der Geselligkeit. Fika kann man nämlich nicht alleine machen, es braucht ein Gegenüber.

Das Wort Fika soll eine Umkehrung der Silben im Wort „Kaffi“, der alten schwedischen Schreibweise von Kaffee sein – so vermutet man zumindest. Es ist übrigens sowohl Sustantiv als auch Verb: „Ska vi fika?“ bedeutet, wollen wir uns auf eine Fika treffen? Zum Kaffee ist Fikabröd, meist Zimt- oder Kardamomschnecken, sehr beliebt, aber auch der schokoladige Kladdkaka oder die quietschgrüne Prinsesstårta. Kekse gehen natürlich sowieso immer. Muss man dafür an einem Tisch sitzen? Natürlich nicht. Fika im Wald, im Park oder am See ist im kurzen schwedischen Sommer sehr beliebt.

Vertragliche Fika-Pausen

Ihre Fika ist den Schweden so wichtig, dass manche Unternehmen ihren Mitarbeitenden sogar vertraglich Fika-Pausen zusichern: Gegen 9 Uhr steht das Land das erste Mal still und macht kollektiv Fika. Verbreitet Und noch einmal gegen 15 Uhr. Meist dauert das gesellige Kaffeepäuschen eine Viertel- bis ein halbe Stunde. Die ungeschriebene Regel dabei lautet: Es wird nicht über die Arbeit geredet. Dumm ist das nicht, denn das zwanglose Treffen in der Küche fördert nicht nur das Wohlbefinden und hebt die Stimmung. Die Arbeit geht danach auch wieder leichter von der Hand.

Und wie passt Alingsås jetzt da hinein?

Alingsås und die Kartoffel

Alingsås ist eine von mehreren Kleinstädten in der Großstadtregion Göteborg. Der berühmteste Sohn der Stadt ist Jonas Alströmer. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gründete er das „Manufakturverk Alingsås“ und machte die Stadt damit zu einer der wichtigsten Industriestädte des Landes. Heute kennen die meisten Schweden Jonas Alströmer, weil er außerdem im Jahr 1724 die Kartoffel nach Schweden brachte und zu einem Grundnahrungsmittel machte. Aus diesem Grund feiert Alingsås jedes Jahr auch ein Kartoffelfestival. Und das ganze Jahr hindurch erfreuen sich Second Hand und Antiquitäten großer Beliebtheit. Einfach mal reingehen in die kleinen Lädchen und stöbern.

Auf Fika-Touren die Stadt entdecken und genießen

Wenn man im Sommer durch die Stadt schlendert, könnte man allerdings auf die Idee kommen, dass frisches Hefegebäck in Alingsås ebenfalls zu den Grundnahrungsmitteln gehört. Überall machen die Einheimischen in Cafés und schmucken Innenhöfen Fika, etwa entlang der Einkaufsstraße Kungsgatan. Und Besucher dürfen dabei sein: Seit zehn Jahren gibt es in Alingsås Fika-Touren, auf denen man mit einem Guide mehrere Cafés und Bäckereien besucht. Man muss sich dazu anmelden und die Guides sprechen bei Bedarf auch Englisch und Deutsch. Samstags gibt es traditionell offene Touren mit meist vier Stops, bei denen etwas verkostet wird. Am Ende bekommt jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer außerdem noch eine kleine Tüte mit Fika-Keksen.

(C) Tourist Info Alingsås

Mit dem Café Viola fing alles an

Die ältesten Cafés in Alingsås stammen vom Ende des 19. Jahrhunderts. Das Café Viola aus dem Jahr 1889 ist das allerälteste Café der Stadt. Bis heute trifft man sich im Viola gern zum Frühstücken. Aber nicht nur das. Der Ort ist eine Institution. Hinter der graublauen Holzfassade haben sich schon Generationen zu Kaffee und Kuchen getroffen. Das Besondere: Das Café wurde und wird bis heute nur von Frauen betrieben. Überhaupt ist die Geschichte der Cafékultur in Alingsås eng mit der der Frauen verknüpft: Weil mit Beginn der Industrialisierung viele Frauen in den Textilfabriken zu arbeiten begannen, hatten sie nämlich keine Zeit mehr für den Haushalt und um zu backen.

Das Café Viola

Diese Lücke füllten immer mehr Bäcker, die nach Alingsås kamen. 1733 nahm Anders Sundgren in Alingsås eine der allerersten Bäckerlizenzen des Landes aus Händen des schwedischen Königs entgegen. Das Bäckergeschäft entwickelte sich in den nächsten Jahren bestens, denn Brot war damals wie heute in Schweden ein Hauptnahrungsmittel.

Aber warum öffneten plötzlich auch so viele Cafés? Auch dafür gibt es eine einleuchtende Erklärung. Die Bewohner von Alingsås nahmen oft Familienmitglieder und Freunde bei sich auf, die ebenfalls in den Fabriken arbeiten wollten. So wurde es um den Frühstückstisch herum schnell eng – und man wich auf die immer zahlreicheren Cafés aus: Der Beginn der Cafékultur in Alingsås. Bis heute gibt es hier überdurchschnittlich viele Bäckereien und Cafés – vor einigen Jahren hat sich das Städtchen deshalb kurzerhand selbst zur Hauptstadt der Fika gekrönt.

Eksteds Bageri und Lindemanns Kafferösteri

Riecht das lecker! Man wähnt sich auf einer Zeitreise, wenn man den kleinen, muckeligen Laden betritt, in den frisch gebackenes Brot, Zimtschnecken und schwedische Kekse in den Regalen liegen. Viele verschiedene Kekse! Eksteds Bageri wurde 1886 gegründet und scheint seitdem unverändert. Traditionell isst man erst sieben Sorten Kekse zur Fika, bevor es eine Zimtschnecke gibt. Im Innenhof hinter der Bäckerei verrät sich die Kafferösterei Lindemanns Kafferösteri durch ihren Duft. Im Sommer sitzt es sich hier ganz hervorragend im Schatten mit frischem Kaffee und wahlweise Keksen oder Hefegebäck.

Vom White Guide empfohlen: Nygrens Café

Alingsås wirkt mit seinen pastellfarbenen Holzhäusern mancherorts wie eine Filmkulisse. Und tatsächlich wurden hier auch schon einige Filme gedreht. In Nygrens Handesgård befindet sich einem pittoresken alten Lagerhaus aus dem 16. Jahrhundert Nygrens Café. Der skandinavische Gastro- und Gourmetführer White Guide empfiehlt das Café und seine Küche – ein Ritterschlag für Besitzerin Sandra Grönqvist und Chefköchin Olivia Thoden-Rubie. Sie kredenzen nur Gerichte aus lokalen, ökologischen Zutaten. Es gibt keine Cola oder Fanta, sondern Säfte, Schorlen und Limonaden. Und jeden Tag eine große Auswahl frisch gebackenen Kuchens. 🙂

Ein Hauptgericht zum Lunch ist immer vegetarisch und alle Kuchen und das Sauerteigbrot werden hausgebacken, auch die kleinen Brötchen wie die Vetefralla aus Bio-Weizen oder Frö Bröd mit Saaten. Was an einem Tag an Obst und Gemüse übrigbleibt, wird am nächsten Tag auf Sandwiches verwertet.

Direkt gegenüber geht die nostalgische Reise in Balders Hage weiter. Der Laden bietet in vielen kleinen Räumen (nach jedem Raum schließt sich ein weiterer an, und dann noch einer) Porzellan, Spielzeug, Textilien und Süßigkeiten an, die ein Hauch Vergangenheit umweht.

**************** GUT ZU WISSEN ***************

Mehr zu Alingsås und noch viel mehr zu ganz Westschweden findet ihr hier: www.vastsverige.com

Mehr zur Fika in Alingsås gibt es auf www.vastsverige.com/de/essen-und-trinken

Fika Tours Alingsås: www.vastsverige.com/guided-fika-tour, Anfragen und Anmeldungen über turistinfo@alingsas.se

Café Viola, Nygatan 16, https://www.cafeviola.se/

Eksteds Bageri mit Kaffeerösterei im Hinterhof, Drottninggatan 26

Nygrens Café, Drottninggatan 27

Wer im Herbst in die Stadt kommt, hat Gelegenheit, das Lichterfestival Lights in Alingsås zu erleben. Die Holzhäuschen leuchten dann in bunten Farben, die Hinterhöfe sind gemütlich illuminiert. Kartoffelfestival: Potatsfestivalen

Zur Recherche nach Göteborg und in die Region Westschweden haben mich die Stadt Göteborg und die Region Westschweden eingeladen. (C) Titelbild: Monika Manowska

 

Mehr Schweden? Hier sind eine Floßfahrt auf dem Klarälven, Bohusläns Küste, Nächte im Glashaus und die Insel Brännö direkt vor meiner Lieblingsstadt Göteborg.

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Seit ich denken kann, zieht es mich in die Natur. Und in den Norden. Das spezielle Licht im Sommer, der Duft der Wälder und die Weite des Fjälls... Als Journalistin und Buchautorin bin ich außerdem gern in Europa und in Niedersachsen unterwegs.

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