Der Fluss hat ein ruhiges Gemüt. Ohne Eile sind wir auf dem Main-Radweg unterwegs, durchs Fränkische Weinland. Der Main liegt da. Es ist einer dieser heißen Sommertage, wie sie Ende Juni (und neuerdings ja auch im April) schon mal vorkommen. Der Fahrtwind kühlt auf dem Rad, aber irgendwann glüht man von innen.
Ein erfrischendes Bad, das wär’s jetzt! Kurz darauf kommt tatsächlich ein sandiges Badeplätzchen in Sicht. An einem Seitenarm des Mains. Frei von Schiffsverkehr. Muschelschalen bedecken den sandigen Boden im flachen Wasser, vorsichtig tasten sich meine Füße voran, dann heben die Beine ab zum Schwimmen. Ein schönes Gefühl, umgeben von sanft-weichem Flusswasser.
Gemächlich ist das Main-Tempo, und an den Ufern spürt man etwas aus vergangenen Zeiten. Vieles wirkt ländlich-gelassen: Da sind die lang gezogenen Gemüsegärten hinter den Häusern, in Richtung Fluss angelegt. Am Nachmittag, wenn es kühler wird, machen sich dort zumeist ältere Menschen an die Arbeit, sie stehen gebückt und harken ihre Beete.
Oder die kleinen Fähren. Allein drei davon gibt es bei Wipfeld, 17 Rad-Kilometer flussabwärts ab Schweinfurt. Der Radweg wechselt dort die Uferseite, und die Fähre bringt Mensch und Fahrrad rüber. Genauso den Bauern auf dem Trecker, der auf dem Weg zu seinen Feldern ist. Es sind nur kurze Fahrten, aber die Zeit reicht für einen Plausch zwischen den Bewohnern hüben und drüben des Mains.
Hinter Wipfeld kommt schon bald die nächste Gelegenheit, in die Flussperspektive zu wechseln. Am Anleger in Stammheim stoppt das Ausflugsschiff „Undine“. Wir schieben die Fahrräder an Bord, und dann schippert das Boot vierzig Minuten bis Volkach. Rebreihen auf steilen Weinbergen ziehen vorüber, hier schlägt das Herz des Fränkischen Weinlandes.
Und der Main, der dreht sich wie beschwipst fast komplett um sich selbst. An der Main-Schleife bei Volkach. Ein schmuckes Städtchen mit rechteckigem Marktplatz, den ein Rathaus im fränkischen Renaissance-Baustil ziert. Es gibt zwölf Winzer in Volkach, und eine prima Idee finden wir ihre Probierstuben mit „Wein to go“. Ausgeschenkt werden typisch fränkische Tropfen, besonders Silvaner und Müller-Thurgau. Der Schoppen geht mit, während wir durch die Altstadt schlendern, an der nächsten Station geben wir die leeren Gläser wieder ab.
Zweifellos, niemals müssen Radler dursten oder hungern am Main-Radweg. Eher haben sie das Problem, sich für einen Stopp zu entscheiden: Lieber im Biergarten einkehren, in der Heckenwirtschaft oder in der Gaststube gleich hinter der nächsten Flussbiegung?
Zwischen Würzburg und Wertheim beschreibt der Main einen weiten Bogen. Die Weinberge bleiben allmählich zurück, es duftet nach Gras. Überbleibsel der ersten Mäh-Aktion dieses Sommers liegen in kleinen Haufen am Wegesrand. Dicht bewaldete Spessarthänge rücken immer näher an den Radweg heran, einladend auf der Strecke sind die zahlreichen Bänke unter alten Eichen.
Idyllisch, aber nur selten einsam ist es am Main. Auf dem Wasser sind Kreuzfahrtschiffe unterwegs zum Anleger in Wertheim. Über den verschachtelten roten Dächern der Stadt an Main und Tauber thront die imposante Stauferburg Wertheim.
Es kommen noch weitere sehenswerte Städtchen entlang der Radroute, darunter Miltenberg oder auch Aschaffenburg. Je näher das Rhein-Main-Gebiet rückt, umso mehr verliert der Main seine ländliche, beschauliche Note. Fünfzig Kilometer hinter Aschaffenburg steuert der Radweg mitten hinein ins moderne Herz Frankfurts.
Zuerst fährt man auf die beiden Glastürme der Europäischen Zentralbank zu, gefolgt von weiteren Hochhäusern, die die Frankfurter Skyline prägen. Gegenüber befindet sich das Museumsufer, darunter bekannte Museen wie das Städel oder das Architekturmuseum. Neue Wohnviertel entstehen am Fluss, die Stadt ist stets in Veränderung begriffen. Aber der Main, der bleibt bei allem unbewegt.
Die Reise wurde unterstützt von Franken Tourismus.
Weitere Infos unter: www.mainradweg.com
Tipps zum Main-Radweg:
Zwischen den zwei Quellen des Mains im Fränkischen Jura und der Mündung in den Rhein in Mainz liegen 590 Kilometer. Die meisten Radreiseführer empfehlen den Start auf dem Radweg in Bayreuth. Ab dort führt die Route 520 Kilometer weit bis zur Mündung in den Rhein. Der Weg ist gut beschildert.
Weniger schön fanden wir die Etappe von der Bier-Kulturstadt Bamberg flussabwärts nach Schweinfurt (rund 60 Kilometer). Die Route verläuft ziemlich monoton zwischen Fluss, Straße und Bahnlinie. Da fährt man besser gleich mit der Bahn. Apropos: Ein immer wieder heißes Thema: Fahrräder und die Deutsche Bahn! An Zugstrecken mangelt es hier zwar nicht, aber manchmal mussten wir fluchend das Rad (darunter ein E-Bike!) mit Gepäck treppauf treppab zum Bahnsteig tragen und schieben, dann war es mal zu Berufsverkehrszeiten, und die Pendler wenig erfreut, als wir uns zu ihnen in den vollen Zug quetschen wollten.
Selten war es so komfortabel wie im Aschaffenburger Bahnhof, der hat Aufzüge auf dem Bahnsteig, in die auch Räder hineinpassen. Radurlaub und Deutsche Bahn, da klemmt es noch ziemlich! Welche Erfahrungen habt ihr? (ADFC-Bahntipps findet Ihr hier.)
Über Karin Kura:
Draußen ist es am schönsten. Egal, ob als Reisejournalistin oder privat, unterwegs in der Natur bin ich am liebsten. Aber bloß nicht frieren! So klingt es vielleicht komisch, dass ich von Haus aus Skandinavistin bin, in Norwegen habe ich gelebt. Und dann die Himmelsrichtung gewechselt. Jetzt würde ich gerne Spanisch lernen. Wenn mal Zeit dafür bleibt. Vielleicht ja auf meiner Lieblingsinsel: La Gomera.