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Äthiopien: Die Kirche im Schoß der Erde

Äthiopien, Lalibela, Grottenkirche

Noch im Halbdunkeln strömen hunderte von Gläubigen frühmorgens durch das winzige Dorf Lalibela auf 2630 Metern Höhe. In lange, weiße Gewänder gehüllt ziehen sie vorbei an einfachen, strohgedeckten Lehmhütten, offenen Feuerstellen und Getreidefeldern des heiligen Ortes in der zerklüfteten Hochebene im Nordosten von Äthiopien. Die orthodoxen Christen haben nur ein Ziel:

die Bete-Gyorgis-Kirche, verborgen in einem zwölf Meter tiefen Schacht. Ich besuche eine der elf weltberühmten Felsen- und Grottenkirchen Lalibelas.

Äthiopien, GrottenkircheDas Gotteshaus wurde in Form eines griechischen Kreuzes in weiches, rotes Tuffgestein gemei- ßelt und als Block mit maurischen Fenstern freigestellt. Die Grottenkirchen von Lalibela sind ein wahres Heiligtum der äthiopischen Kirche. Die Gläubigen – Kranke, Alte, Gebrechliche, aber auch junge Mütter mit ihren Babys und Jugendliche – kommen aus weit entlegenen Dörfern. Sie wandern stundenlang in den Lasta-Bergen durch die Dunkelheit, um an religiösen Ritualen teilzunehmen.

Äthiopien, Gläubige, Christentum

Äthiopien, Lalibela, Grottenkirche

Mehr als 43 Prozent der zirka 105 Millionen Einwohner Äthiopiens sind streng-gläubige Christen. Die Christen werden an diesem Morgen von dem durchdringenden Sprechgesang der Priester angezogen: In der düsteren Grotte vor dem Gotteshaus stehen Geistliche mit langen Bärten in einem Halbkreis. Sie preisen den Heiligen Gyorgis in stundenlangen, meditativen Gesängen. Für mich sehr bewegend, es geht mir unter die Haut.

Äthiopien, Lalibela, Grottenkirche

Rhythmisch bewegen sie ihre Rasseln hin und her und schlagen Trommeln. Eine sehr harmonische Stimmung, die die tiefe Frömmigkeit vieler Äthiopier wiederspiegelt. Es ist eine Reise in die Vergangenheit des Christentums. Besonders zur Weihnachtszeit sehr spannend.

Vor der Grotte stehen Menschenscharen an der Mauer der Felsenkirche, werfen sich auf den Boden und küssen die Mauer immer und immer wieder. Ein Mädchen, nur mit einem Kleiderläppchen bekleidet, malt Aschekreuze auf die Stirn der Pilger. Von Zeit zu Zeit stimmen die Gläubigen in den Gesang der Priester ein. Ein Hoher Priester, gehüllt in einen schweren, pink-goldenen Brokatmantel, segnet die Menschen mit einem traditionellen Prozessionskreuz. Er streicht über ihre Körper. Danach küssen die Pilger das Kreuz.

Äthiopien, Lalibela, Grottenkirche

Die Kraft des Glaubens
„Die Menschen glauben an die heilende Kraft der Segnung“, erklärt mir Reiseführer Abay. „Sie hoffen, dadurch von Krankheiten, Hungersnöten und ethischen Konflikten verschont zu bleiben.“ So stehen sie in einer langen Schlange vor dem heiligen Wasser an, das nahe der Kirche aus einer Quelle sprudelt. „Sie waschen sich damit, dies darf aber nur vor dem Essen geschehen.“

Die Legende besagt, der heilige König der Zagwe-Dynastie Lalibela habe die – von der Unesco 1978 zum Weltkulturerbe erhobenen – Gruft- und Grottenkirchen im 12. und 13. Jahrhundert mehrstöckig tief in das Tuffgestein hauen lassen. Neben Menschen hätten auch Engel in nur angeblich 23 Jahren das „Jerusalem Äthiopiens“, als achtes Weltwunder bekannt, gebaut.

Äthiopien, Gläubige, Christentum

Lalibela, weitab der großen Straßen, ist für Einheimische wie Touristen mit seiner Konzentration und Qualität der Felsenkirchen eine der bedeutendsten Manifestationen der äthiopischen Kultur. Die Gotteshäuser sind nicht nur Denkmäler, sondern Andachtsräume eines noch immer tief verwurzelten Glaubens. Eines Glaubens, den Äthiopier gerne Urlaubern näherbringen: Priester präsentieren sich, ihre Handkreuze und heiligen Schriften in Altäthiopisch voller Stolz.

Die Heilige Stadt
Ebenso sehenswert ist auch Axum, 40 Minuten Flugzeit von Lalibela entfernt. Unter orthodoxen Christen gilt sie als Heilige Stadt – vergleichbar mit Rom im Geschichtsverständnis der Europäer. Das Buch der Könige berichtet von Axum als Hauptstadt der Königin von Saba im zehnten Jahrhundert vor Christus.

Äthiopien, Gläubige, Christentum

„Die Monumente – die weltgrößten Monolithen, Gräber, Paläste und Kathedralen – sind Sinnbilder unserer jahrtausendealten Kultur“, erläutert mir der studierte Touristiker Mengistu. Sie werden mit viel Sorgfalt und der Hilfe der Unesco erhalten, erzählt er, in einem Land, das zu den ärmsten der Welt zählt. Und er kann stolz sein auf Äthiopien: Nahe der alten Kathedrale in Axum befindet sich das größte Heiligtum des Landes, angeblich die Heilige Bundeslade aus Jerusalem mit den Tafeln der Zehn Gebote.

 

„Maria, Maria“
Neben den alten Ritualen der orthodoxen Christen ist Armut stets präsent: Auf den Stufen der Marienkathedrale fällt eine alte, abgemagerte Frau in weiße Tücher gehüllt auf die Knie, küsst den Boden und weint wieder und wieder: „Maria, Maria“. Gerade im Hochland haben die Menschen ein hartes Leben: 80 Prozent der Äthiopier sind Bauern.

Äthiopien, Bauern, Gläubige, Christentum

Die meisten ernten gerade mal genug, um sich und ihre Familien zu ernähren. Haftamu, ein Hoteldirektor aus Lalibela, hofft auf mehr ausländische Touristen: „Die Landbevölkerung kann den Tourismus immer noch dringend gebrauchen.“

Äthiopien, Bauern, Christentum

Und das nächste christliche Fest in der Felsenkirche Bete Gyorgis steht vor der Tür: Am 7. Januar feiern die Äthiopier „Genna“ – ihr Weihnachtsfest mit prachtvollen Prozessionen durch Lalibela.

Die Pressereise wurde unterstützt vom Kultur- und Tourismusministerium Äthiopiens und Diamir. Wer mehr zu dem wirklich spannenden Reiseziel lesen möchte, hier mehr zu den Dorfvölkern im Süden von Äthiopien.

2 Kommentare

  1. Wow, wunderbare Bilder. Gerade erst war ich in Berlin äthiopisch essen und das war super lecker. Das wäre also auch mal ein Reiseziel für mich.

    • Vielen lieben Dank. Ja es waren wunderbare Motive und Menschen – ein superinteressantes Land! Dir schöne besinnliche Weihnachten! Lg Sandra

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