Das Mühlenmuseum in Gifhorn steht schon ewig auf der Liste der Orte „um die Ecke“ in Niedersachsen, die ich besuchen will. Jetzt hat es endlich geklappt.
Kaum durch das Eingangstor, schon mittendrin: Nach wenigen Metern geht der Fußweg durch eine Windmühle hindurch. Rechterhand stehen an einem großen See weitere Mühlen, auch links taucht hinter einer Kuppe die nächste Mühle auf, eine große Bockwindmühle aus Holz. Sie schmiegt sich an den grauen Himmel, aus dem es ein wenig nieselt. Kein Fotowetter heute. Egal.
Ich folge weiter dem Weg. Was ist das da unten auf dem Wasser? Sieht skurril aus. Ist es auch: Das vermeintliche Holzschiff entpuppt sich als fahrbare Wassermühle aus Ungarn. Heute eine Rarität, schwammen vor hundert Jahren viele dieser mobilen Mühlen auch auf unseren Flüssen und mahlte dort das Korn, wo gerade geerntet wurde. Ein großes Schaufelrad drehte sich im Strom und der Betreiber einer solchen Mühle war Müller und Kapitän zugleich. Er wohnte – wie die Müller etwa von Bockwindmühlen auch – in einem winzigen Kämmerchen in seinem schwimmenden Unternehmen. Auch das lässt sich auf dem Mühlenschiff originalgetreu besichtigen, mit Bett und Kommode – mehr passt nicht hinein.
Tierische Nachbarn
Neben dieser Wassermühle der besonderen Art stehen zwei Esel. Sie kommen neugierig näher, als ich an den Zaun trete. Einer beginnt heiser I-A zu schreien, und gern würde ich ihm eine Möhre zustecken. Aber ich habe leider keine dabei. Also bleibt es bei ein bisschen Gekraule zwischen den wolligen Ohren. Danach trollen sich die beiden zurück ans Wasser.
Ich spaziere weiter gen Dorf, vorbei an der niedersächsischen Bockwindmühle, hinter der sich in der Ferne – Moment, was ist das?! – eine Kirche mit goldener Kuppel versteckt.
Als nächstes komme ich bei einer Tiroler Wassermühle vorbei, die sich, von plätscherndem Wasser angetrieben, gemütlich dreht. Sie ist aus Lärche gebaut, stand verborgen an einem kleinen Wildbach in Tirol und ist vermutlich schon 300 Jahre alt.
Wassermühle aus Pyongchang
Nebenan dreht sich das Rad einer Wassermühle aus dem südkoreanischen Pyongchang. Sie ist aus Koreatanne gebaut und die Bergbauern nutzten sie, um Getreide zu stampfen. Die Stampfer sind aus besonders harter Steinbirke hergestellt und fallen tatsächlich im Gebäude nebenan mit einem lauten Rumpeln regelmäßig in eine Mulde mit Getreide. Die Brücke davor zieren große geschnitzte Köpfe, die mich spontan an Jim Knopf und seine Abenteuer in Fernost erinnern.
Täglich frisches Brot
Hinter den Wassermühlen liegt das Herz des Mühlenuseums, wie in einem Rundlingsdorf haben sich hier unter anderem ein Café, eine Werkstatt und das Brothaus versammelt. Im Trachtenhaus, dem Museumscafé, riecht es lecker nach frisch Gebackenem. Da es passenderweise auch gerade Mittag ist, gönne ich mir im Warmen ein Pausenbrot mit Käse. Tatsächlich wird hier täglich Brot und Blechkuchen gebacken – beides sehr lecker! Man kann sich auch ein frisches Brot mit nach Hause nehmen.
Russisch-orthodoxe Holzkirche
Und dann staune ich nicht schlecht: Noch einmal um die Ecke gebogen, erhebt sich hinter einem Teich eine russisch-orthodoxe Kirche. Die ich vorhin ja schon aus der Ferne gesehen habe. Von 1994 bis 1996 entstand dieser Neubau nach dem Vorbild einer russischen Kirche als Zeichen der Versöhnung zwischen Russland und Deutschland, 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Gründer des Mühlenmuseums, Horst Wrobel, hatte diese Art von Kirche in Russland gesehen und fand, sein Museumsdorf müsse wie jedes anständige Dorf auch eine Kirche haben – warum also nicht eine russisch-orthodoxe Holzkirche? In Eigeninitiative baute er das Gotteshaus, die Kirche des Heiligen Nikolaus. Samstags und sonntags finden dort Gottesdienste statt.
Wer das Mühlenmuseum besucht, sollte unbedingt auch einen Blick in die Kirche werfen. Unten befindet sich eine Ausstellung, oben der eigentliche Kirchenraum mit prächtigen Leuchtern und noch viel prächtigeren, farbgewaltigen Ikonen. Ein Ort zum Innehalten und Lauschen, wenn schöne Gesänge vom Band die Kirche füllen.
Hinter einer weiteren Windmühle aus der Urkaine erhebt sich ein weiterer Bau in russischem Stil. Es ist der Glocken-Palast, ein Kulturzentrum, das aber schon außerhalb des Geländes des Mühlenmuseums liegt – wie auch das Denkmal „Europäische Freiheitsglocke“.
Zurück am Eingang, liegen rechterhand weitere Mühlen aus Griechenland, Portugal, Mallorca und Frankreich. Hier entlang zu spazieren, ein wenig wie ein Kurztrip durchs südliche Europa. Okay, bis auf das Wetter, das passt heute nicht. Mehr gibts aber auch nicht zu meckern, im Gegenteil, sonst kann ich nur sagen: Ein Besuch im Gifhorner Mühlenmuseum lohnt sich auf jeden Fall. Das private Museum ist bis heute übrigens in der Hand der mühlenbegeisterten Familie Wrobel und erhält keine öffentliche Unterstützung.
Das Internationale Wind- und Wassermühlenuseum liegt in Gifhorn an der Bromer Straße. Vom 15. März bis 31. Oktober öffnet es täglich von 10 bis 18 Uhr. Eintritt: Erwachsene 12 Euro, Kinder 5 Euro.
Mehr Infos zur Region gibt´s beim Tourismusverband Südheide Gifhorn. Der hat mir für diesen Beitrag freien Eintritt ins Museum ermöglicht.
Lust auf mehr Museum? Wie wäre es mit einem Ausflug zu den Dinos im Landesmuseum Hannover? Iris war schonmal gucken.
Mühlen sind für mich immer ein ganz beliebtes Motiv. Wann immer ich welche auf meinen Reisewegen sehe, halte ich an um sie zu fotografieren. Eine meiner Touren war extra auf Mühlen abgestimmt und führte entlang der westfälischen und niederländischen Mühlenstrasse. Dein Beitrag war sehr interessante und zeig sehr schöne Fotos.👍👍👍
Geht mir genau so mit dem Mühlenmuseum in Gifhorn. Da wollte ich auch schon immer mal hin – spätestens seitdem ein ehemaliger Arbeitskollege mal das leckere Brot von dort mitgebracht hatte. (Das dürfte aber mittlerweile fast 10 Jahre her sein.) Ich denke, es wird Zeit für einen Besuch! Danke für den schönen Beitrag und liebe Grüße von Andrea