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Auf den Spuren der Oberharzer Wasserwirtschaft

Zwischen Goslar, Clausthal-Zellerfeld und Walkenried liegt eine uralte Kulturlandschaft. Der mittelalterliche Bergbau im Harz hat auf 200 Quadratkilometern eine ausgetüftelte Wasserwirtschaft als Energiesystem hervorgebracht. Die Oberharzer Wasserwirtschaft ist so einmalig, dass sie sogar als Weltkulturerbe von der Unesco geschützt ist.

Hunderte Kilometer Gräben durchziehen den Harz

Es plätschert am Wegesrand. Im Graben neben dem Wanderweg fließt Wasser. Und das schon richtig lange: Mönche aus den Kloster Walkenried erfanden vor 800 Jahren ein geniales Energiesystem mit Wasserrädern im Bergbau – die Oberharzer Wasserwirtschaft. Die tiefgläubigen Ordensleute waren nämlich auch erfolgreiche Geschäftsmänner mit außergewöhnlichen technischen Kenntnissen. Und so ließen Brüder wie Meister Jordan für den Bergbau Sümpfe trocken- und Teiche anlegen. Insgesamt sogar schon drei Jahrtausende reichen die ersten Spuren des Bergbaus im Harz zurück. Die Menschen in Deutschlands nördlichstem Gebirge bauten hier Silber, Kupfer, Blei, Eisen und Zink ab und verhütteten die Metalle.

Historische Stollen, Silberminen und Besucherbergwerke

Viele Orte im Westharz erzählen bis heute vom Bergbau. Und die Oberharzer Wasserwirtschaft lässt sich besonders gut wandernd entdecken. Das System von ober- und unterirdischen Gräben, Dämmen und Teichen ist das bedeutendste vorindustrielle Energieversorgungssystem weltweit: Ein ausgetüfteltes System aus 107 angelegten Teichen und 340 Kilometer von Hand ausgehobenen Wassergräben trieb die Wasserräder unter Tage an.

Immer wieder plätschern Bäche die Hänge hinab

Der Bergbau und die königlichen Wasserrechte, im Mittelalter auch Wasserregal genannt, machte die Stadt Goslar im Westharz schon früh zum norddeutschen Machtzentrum. Seit dem Jahr 1992 sind Goslars Altstadt und sein Bergwerk Rammelsberg als Weltkulturerbe anerkannt, knapp 20 Jahre später wurde beides um die Oberharzer Wasserwirtschaft erweitert.

Rund ums Polsterberger Hubhaus

Wenige Kilometer hinter der Bergstadt Clausthal-Zellerfeld liegt das Polsterberger Hubhaus allein im Wald – oder in dem, was derzeit vom Wald noch übrig ist. Seine Holzfassade leuchtet freundlich gelb. Hier beginnt der Wasserwanderweg Polsterthal. Er erzählt auf zugegeben etwas in die Jahre gekommenen Infotafeln die Geschichte zu den Relikten der historischen Oberharzer Wasserwirtschaft.

Anfangs laufen wir unterhalb des Hubhauses durch einen Fichtenforst. Ein Forst, wie er noch vor zehn, zwanzig Jahren an den meisten Stellen im Harz stand. Dann kamen mehrere Jahre der Dürre, der Borkenkäfer fand in den geschwächten Bäumen ein gefundenes Fressen und viele Fichten gingen ein. Nach mehreren Stürmen stehen heute vor allem im Gebiet des Nationalparks Harz vielerorts nur noch abgebrochene Stümpfe, die Stämme liegen herum. Als wertvolles Totholz beherbergen sie neues Leben, von Insekten über Reptilien bis kleinen Säugern. Etwas dystopisch wirkt das Ganze im Moment aber schon. Doch auch spannend: Dazwischen zeigt sich bereits neues Grün, wachsen kleine Buchen und andere standortgerechte Laubbäume. Waldwandel zum Zugucken.

Doch um den Waldwandel geht es auf der Runde nicht, zumindest nicht vorrangig. Ausblenden lässt er sich natürlich aber auch nicht. Er ist einfach präsent im Harz. Vorbei an einer alten Radstube geht es nun weiter zum Polsterthaler Teich, einem der 107 künstlich angelegten Wasserspeicher im Oberharz. Über den Damm, anschließend einen Forstweg bergauf führt der Weg. Bald fließt seitlich Wasser aus einem unterirdischen Graben ans Tageslicht, an dem entlang sich der Weg nun zurück zum Polsterberger Hubhaus führt.

Pause mit Slow Food

Wo einst zwei Holzräder das für den Bergbau in Clausthal benötigte Wasser 18 Meter auf das Niveau des Hirschler Teichs hinaufhoben, lassen sich heute Wanderer und Spaziergänger Spinatknödel in Salbeibutter oder Linsensuppe vegan oder mit Wildschweinbockwurst schmecken.

Die Waldgaststätte Polsterberger Hubhaus ist heute als Teil der Oberharzer Wasserwirtschaft ein Kulturdenkmal und steht unter Denkmalschutz. An der alten gelben Fassade hängt nicht nur überraschenderweise ein Briefkasten (hier, mitten im Wald?), sondern auch eine Dennert-Tanne. Die Tafel in Form einer Tanne informiert überall im Harz über Sehenswürdigkeiten. Einst ein Grabenwärterhaus, haben die ältesten Teile des Hubhauses nämlich schon vier Jahrzehnte auf dem Buckel.

Als Mitglied in der Slow Food-Vereinigung kommen in der Gaststätte nur regionale und saisonale Lebensmittel auf den Tisch, Betreiberin Beate Engel kocht selbst. Jeden Freitag steht Leber vom Harzer Roten Höhenvieh – einer Slow Food Arche-Rasse – mit Thymianäpfeln und Kartoffelbrei auf der Karte. Die genießen die Gäste wie auch den hausgebackenen Kuchen wahlweise auf einer der sonnigen Außenterrassen rund ums Haus oder in der Gaststube, von der aus sich bei guter Sicht sogar der Brockengipfel zeigt.

Welterbe-Hinweistafel am Polsterberger Hubhaus

Info: Wandern im Harz

Allgemeine Wander-Infos für den Harz: www.harzinfo.de/erlebnisse/wandern
Goetheweg von Torfhaus zum Brocken: www.nationalpark-harz.de/de/natur-erleben/wandern/w1goetheweg
Heinrich-Heine-Weg zum Brocken: www.harzinfo.de/erlebnisse/tour/wege-zum-brocken-heinrich-heine-weg
Fernwanderweg Harzer-Hexen-Stieg: https://www.harz-hexenstieg.de
Welterbe Erkenntniswege: www.welterbeimharz.de/unterwegs-im-welterbe/welterbe-erkenntniswege

Einkehren: Polsterthaler Hubhaus

In drei Welterbe-Infozentren zum Unesco-Weltkulturerbe Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft geben Touchscreens und ein 3D-Landschaftsmodell mit Projektion einen Überblick über Entwicklung des Harzer Bergbaus. Das grüne Y-Symbol weist auf Welterbe-Stationen im Harz hin, es begegnet Besuchern im gesamten 200 Quadratkilometer großen Gebiet.

Welterbe-Infozentrum Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft | Walkenried: Steinweg 4, 37445 Walkenried | Clausthal-Zellerfeld: Bornhardtstr. 14, 38678 Clausthal-Zellerfeld | Goslar: Markt 1, 38640 Goslar

Mehr Harz gibts hier: Sagenhafte Felsen im Okertal, Ostseefeeling und Sandsteinhöhlen, Wo die Klippen schnarchen, WeltWald Bad Grund, Bodetal, Grand Canyon des Harzes und 11 Tipps für den Harz

1 Kommentare

  1. Renate Benstem sagt

    Ein gut recherchierter und informativer Bericht.
    Gut geschrieben, Anke

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