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Lissabon: Der heilige Stockfisch

Manchmal treffe ich Menschen bei Reisen, da weiß ich vom ersten Moment an: Man wird sich supergut verstehen und ist am Leben des anderen wirklich interessiert. So eine Frau ist Carmo Botelho. Die nette Portugiesin zeigt mir ihr Lissabon – und ich bin begeistert. Selbst im späten Herbst, wo es teilweise etwas verregnet ist, ist die „weiße Stadt“ am Rio Tejo spannend, vielseitig und kontrovers. Heute gehe ich mit ihr ins Interpretationszentrum der Geschichte des Kabeljau auf dem Praca do Comércio. Ich möchte mehr über den Bacalhau wissen. Der in Portugal allseits beliebte Stockfisch ist ein bedeutender Teil der Küche und der kulturellen Geschichte des Landes auf der Iberischen Halbinsel.

Der treue Freund der Portugiesen

In dem interaktiven Fischmuseum lernt ihr viel über die Geschichte des Bacalhau. Der Kabeljau wurde von den Wikingern einst entdeckt. Sie fischten ihn aus den kalten Gewässern der nördlichen Meere. Die Verbindung zwischen Portugal und diesem getrockneten Fisch, der nicht von der eigenen Küste stammt, lässt sich bis ins 14. Jahrhundert nachverfolgen. „Die Portugiesen tauschten den Kabeljau mit den Engländern gegen Salz“, erklärt mir Luisa Adelino, die Direktorin des Zentrums. Später fischten Entdecker auf dem Weg nach Indien die Meere vor der Küste Neufundlands. So begann die portugiesische Kabeljau-Fischerei. Heute ist der Fisch als der „treue Freund“ der Portugiesen bekannt.

Viele Fischer starben beim Kabeljau-Fang

Im 20. Jahrhundert angelten so genannte Bacalhoeiros mit kleinen Dori-Booten nach Kabeljau. Die Fischerei war hart und gefährlich. Die Fischer mussten gegen Wind und Sturm auf hoher See kämpfen und mit Eisbergen rechnen. Im Stockfischmuseum wird dies interaktiv – man sitzt auf einem winzigen Boot und hört und sieht die tosenden Wellen – sehr realistisch rübergebracht. Viele starben unterwegs. Später, Anfang der 1960-Jahre, stieg Portugal zum weltweit größten Produzenten von getrocknetem und gesalzenem Kabeljau auf. Die Direktorin sagt, es gäbe 1001 Arten der Zubereitung und Rezepte für Bacalhau. Derzeit kommen 70 Prozent des Kabeljau aus Norwegen. Allein die Portugiesen konsumieren 20 Prozent des weltweiten Fangs. So taucht er auch auf meiner Reise durch Lissabon und seine Küstenorte ständig auf den Speisekarten der Lokale auf. Die Leute lieben ihn, so wie sie ihren Fade-Gesang lieben.

Getrockneter Fisch zunächst nicht gerade eine Augenweide

Auch bei meinem Hotel (Hotel Mundial  am Praca Martim Moniz) um die Ecke gab es Bacalhau in einem winzigen Laden, nahe Rossio, zu kaufen. Auf allerlei verschiedenste Art und Weise, in riesigen Mengen. Auch wenn er zunächst nicht ansehnlich scheint. Es lassen sich köstliche Speisen damit zubereiten! Toll im Geschmack.

Bacalhau für Anfänger

Meine neue Freundin Carmo verrät mir später ihr liebstes Bacalhau-Rezept: „Bacalhau à Bras“. Sie bereitet es gerne für ihre Familie zu, sei es gemütlich am Wochenende oder auch an Feiertagen. Sie lebt auf der anderen Seite des Flusses Tejo, außerhalb der Innenstadt. Etwas ruhiger. Das Rezept ist eine Art Neuinterpretation der „Fish and Chips“ – optimal auch für Einsteiger geeignet.

„Ich koche Stockfisch vor und dünste ihn mit Olivenöl, Zwiebeln und Knoblauch. Dann brate ich kleine, in Scheiben geschnittene Kartoffeln. Dazu kommt schön weiches Rührei. Alles noch würzen mit Pfeffer, Salz, Olivenöl und Petersilie, fertig ist mein Bacalhau à Bras.“ Hört sich sehr lecker an!

Abends schlendere ich durch den multikulturellen Stadtteil Mouraria und besuche eine unscheinbare, schnuckelige Tapas-Bar. Im „Tasca Baldracca“ an der Rue das Farinhas 1 gibt’s extrem leckere Tapas. Marinierte Sardinen mit Zwiebeln und Knoblauch-Brot. Aber halt auch Bacalhau, was sonst. In frittierten Bällchen mit Kartoffeln, sehr geschmackvoll und würzig! Mitsamt einem lustigen Team an Kellnern aus Brasilien! Super Stimmung!

Kochlegende Vitor Sobral in Cascais

Am nächsten Mittag besuche ich den gemütlichen Badeort Cascais – und Starkoch Vitor Sobral. In seinem schicken Fischlokal „Lota da Esquina“, einer ehemaligen Fischversteigerungshalle, begrüßt er mich. Vitor hat ein Kochbuch herausgebracht – mit sage und schreibe 500 eigenen Kabeljau-Rezepten („As Minhas Receitas Bacalhau“). Zwei Jahre hat er dafür gebraucht, meint der redselige Vitor. Wann er denn angefangen hat mit dem Kochen? Er lacht. Schon ganz ganz früh. In seiner Familie sei es große Tradition gewesen, in der Küche zu sein – und zu leben. „Ich habe nie Fußball mit den Jungs gespielt, sondern war dafür früh in der Metzgerei zu Hause und habe dort gelernt, wie man Fleisch schneidet. Das war mein Zuhause, meine Leidenschaft.“ So startete er mit 17 die Kochschule und kochte dann in der ganzen Welt, in über 56 Ländern. Wurde beeinflusst durch verschiedenste Techniken, vor allem der französischen Art, doch vergaß bei all dem nicht „die traditionellen Rezepte meiner Kultur“, wie er immer wieder betont. „Ich liebe die Basis, koche viel mit Knoblauch, Olivenöl, Essig, Wein und Oliven.“ Stockfisch habe er schon für mehrere Präsidenten gekocht.

 

Anreise nach Cascais: Der hübsche Badeort Cascais, ein ehemaliges Fischerdorf, ist übrigens sehr gut mit der Bahn von Lissabon aus zu erreichen. Los geht’s am Bahnhof Cais do Sodré, Bahntickets sind recht günstig (ca. 5 Euro hin und zurück). Entlang der „Portugiesischen Riviera“ liegen prachtvolle Villen, wilde, kleine Strände. Eine sehenswerte, halbstündige Bahnfahrt – und schon relaxt ihr vom aufregenden Stadtleben am Strand. Alternative zum regulären Bahnticket: die Lisboa Card (inklusive Eintritt von 39 Museen und Sehenswürdigkeiten).

Surf- und Beach-Tipps: Und wer von euch surfen gehen möchte: Cascais, mit den Hotspots Cresmina und Guincho, eignet sich natürlich eh dafür. Aber auch ganz in der Nähe von Lissabon, rund 30-40 Minuten (per Fähre über den Tejo und Auto gut erreichbar) liegen eindrucksvolle, raue, urwüchsige Buchten mit lang gezogenen Stränden. Die Costa da Caparica. Mit rund 25 Surf-Schulen, 26 Kilometer lange Küste. Hier ein paar Eindrücke der Strände, selbst im Winter ein Traum:

Unterstützt hat mich bei dieser Pressereise nach Lissabon und in die Küstenorte netterweise Turismo de Lisboa und die Agentur GCE. Wer noch mehr zu Portugal bei uns lesen möchte, hier eine Story zur Algarve oder zur Westküste mit Kindern.

 

 

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