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Sardinien: Unterwegs auf unruhigem Untergrund

Schroffer Kalkstein vor blauem Meer: Wandern in Sardinien ist ein Traum. Besonders angenehm ist es jetzt im Herbst oder im Frühling, wenn die Macchia blüht.Im Juli war Sardinien einer der heißesten Orte in ganz Europa, bis zu 48 Grad mussten Mensch und Tier aushalten. Im Frühjahr und im Herbst hingegen bietet die Insel ein perfektes Wanderziel. Spektakulär ist der Osten, wo schroffes Kalksteingebirge auf das azurblaue Meer trifft und eine wilde Felsenküste formt. Steinige Pfade führen an der Küste entlang sowie ins Hinterland.

Wilde Schweine und widerspenstiges Gebüsch

Es grunzt im Gebüsch. Was ist das? Überrascht bleiben wir stehen. Ein Schwein, hell, mit dunklen Punkten, schaut kurz auf, dreht sich um und läuft davon. Es ähnelt einem Hausschwein, und viele dieser Tiere streifen durch die Macchia im Supramonte-Gebirge. Zum Gegrunze kommt noch das Gebimmel von Glöckchen hinzu. Nicht nur Schweine, auch Kühe dürfen hier fröhlich frei unterwegs sein.

Eigentlich sollten wir unsere Aufmerksamkeit uneingeschränkt dem Wanderpfad widmen. Denn wie hat es noch der Guide so nett und einprägsam formuliert? „Ihr werdet unterwegs sein auf unruhigem Untergrund“. Ja, das ist kein leeres Versprechen im sardischen Gebirge. Besonders unruhig ist die Tour zum Strand Cala Goloritzé. Da müht man sich nach Kräften bergauf, aber das lose Geröll unter den Füßen klackert und scheint zu flüstern: „Zurück mit dir!“. Auch die Vegetation stellt sich uns entgegen, stacheliges Macchia-Gestrüpp greift nach den Hosenbeinen.

Aber es kommt noch besser: Jetzt liegt weniger Geröll auf dem Pfad, der nach kurzem Anstieg hinunter in die Schlucht führt, dafür ist nun die braune Erde mit hellen, spitzen Steinen gespickt. Kantig, schneidig, stellen sie sich senkrecht in den Weg. Jeder Schritt erfordert volle Konzentration, die Füße eiern hin und her, rutschen auch mal weg. Ein Nebenbei-Landschaftsgenuss funktioniert so gar nicht. Um Felsentürme und Höhlen zu betrachten muss man stehen bleiben, ein bisschen verweilen. Immerhin ist der abenteuerliche Untergrund eine gute Übung, ein Kraft- und Beweglichkeitstraining für Füße und Gelenke.

Schroffe Kalksteinfelsen und azurblaue Badebuchten

Mächtige Steineichen bilden Baumgruppen, darunter wuseln Schweine im Glück. Kalksteinfelsen leuchten in der Sonne, strahlend weiß bis gelb-bräunlich, und zwei sich aneinander schmiegende Brocken bilden ein Tor über dem Wanderpfad. Aus Spalten ragen Veilchen hervor. Zwei Stunden dauert der Abstieg in die Bucht, der Zugang ab Su Porteddu ist limitiert auf maximal 250 Wanderer pro Tag, ein Ticket kostet sechs Euro. Bis zuletzt sehen wir das Ziel unserer Wanderung nicht. Aber schließlich kommt sie doch, die Badebucht, und keiner bleibt von der Schönheit unbeeindruckt: Wie ein karibischer Traumstrand liegt sie da, die Cala Goloritzé. Türkisblau und grün leuchtet das Meer vor steil abfallenden Kalksteinklippen. Eine ganze Reihe solcher Traumbuchten liegen im Golfo di Orosei, er gehört zum Nationalpark Golfo di Orosei und Gennargentu.

Sardiniens Strände zählen zu den schönsten im Mittelmeer. Am bekanntesten ist die Costa Smeralda im Norden, die Smaragdküste, sie ist eines der Luxusziele weltweit. Am südlichen Ende des Golfo di Orosei befindet sich der Ferienort Santa Maria Navarrese, eingerahmt von Bergmassiven, die in einer fruchtbaren Ebene mit zahlreichen Olivenbäumen und Weinstöcken auslaufen. Es ist ein guter Ausgangspunkt für Tagestouren an der Ostküste, ein unspektakulärer Ort mit kleinen Hotels, mehreren Eisdielen und ein paar Restaurants. Es gibt eine Promenade, die zu einem alten Wehrturm führt, kleine Kiesstrände, und besonders schön ist der lange Sandstrand, der sich über mehrere Kilometer bis nach Arbatax zieht.

Trekkingroute Selvaggio Blu

Gesäumt von Pinien, in einigen Metern Abstand zum Meer, im Schatten der Bäume liegen etliche Campingplätze. Im Sommer wird es hier richtig voll. Angenehm ist die ruhige Vor- oder Nachsaison-Stimmung, dann genießt man einen fast menschenleeren Strand, lauscht dem Geplätscher der sanften Wellen, die einzelne gold-gelb in der Sonne leuchtende Steine umspülen. Perfekt zum Entspannen und Einstimmen auf den nächsten Wandertag. Da starten wir eine Wanderung entlang der Steilküste hin zur markanten Felsnadel Pedra Longa, das bedeutet der lange Stein. Auf steinigem Pfad geht’s im Gänsemarsch die Küste entlang, immer wieder das tiefblaue und türkisfarbene Meer im Blick sowie die schroffe Felsnadel, die als einsame Spitze 128 Meter aus dem Wasser ragt. Es ist der erste und gemütlichere Teil der ansonsten anspruchsvollen Kletter- und Trekkingroute namens Selvaggio Blu.

Der Weg führt vorbei an Büschen mit weiß blühenden Zistrosen. Sie leuchten nur wenige Stunden, dann ist ihr Leben auch schon beendet, sie verblühen. Um die Nase weht der leicht süßliche Geruch der Macchia, Riesenfenchel säumen den Pfad. Sie ist vielfältig, die Frühlingspracht.

Die Sonne hat so früh im Jahr schon viel Kraft, da bietet sich eine Pause in einem kleinen Wäldchen aus Erdbeerbaumbäumen an. Nach etwas mehr als zwei Stunden erreichen wir Pedra Longa. Aus der Nähe betrachtet wirkt der Felsen fast schon pummelig. Er markiert das Ende des steil ins Meer abfallenden Supramonte-Gebirges. Wilde Schweine sind uns hier nicht begegnet, der Küstenpfad ist ihnen vermutlich doch zu steil.

********** GUT ZU WISSEN ***********

Für jedes Niveau gibt es auf Sardinien Wanderstrecken, dabei sind die meisten mittelschwer. Die Wegmarkierungen sind nicht zuverlässig. Hilfreich bei der Orientierung fand ich:

Der Kompass-Wanderführer Sardinien beschreibt 75 Touren auf der Insel, mit kostenlosem Download der GPX Daten (Auflage 2023, kostet 17,50 Euro).

Beste Wanderzeit: Frühling oder Herbst. Im Frühling lockt die Blütenpracht, und im Herbst ist das Meer noch warm.

Mehr Infos zur Region: www.sardegnaturismo.it

Alle Fotos: (C) Karin Kura

Die Reise nach Sardinien ermöglichte mir der Wanderreise-Veranstalter Wikinger Reisen.

Mehr Wandergeschichten von uns gibts unter anderem aus diesen Ländern und Regionen: TeneriffaNationalpark Kellerwald-Edersee, Allgäu, Alpbachtal

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Draußen ist es am schönsten. Egal, ob als Reisejournalistin oder privat, unterwegs in der Natur bin ich am liebsten. Aber bloß nicht frieren! So klingt es vielleicht komisch, dass ich von Haus aus Skandinavistin bin, in Norwegen habe ich gelebt. Und dann die Himmelsrichtung gewechselt. Jetzt reise ich oft in Richtung Süden, nach Spanien. Karge Landschaften ziehen mich magisch an, besonders Wüsten. Alle Wüsten dieser Welt besucht zu haben, das wäre ein Traum!

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