Göteborg hat den Bogen raus. Meine westschwedische Lieblingsstadt räumt nicht ohne Grund seit Jahren immer wieder den Nachhaltigkeitsaward des Global Destination Sustainability Index ab. Hier kommen 11 neue Tipps für umweltfreundliche Erlebnisse, stylische Second-Hand-Läden und nachhaltigen Genuss in Göteborg und Umgebung.
Second Hand in Göteborg
In der Magasinsgatan etwas abseits des Innenstadttrubels warten ungefähr zehn Second Hand-Shops mit Mode und Einrichtung auf euch, gleich um die Ecke liegt der Laden der schwedischen Marke Nudie Jeans. Dort gibts die stylischen Jeans nicht nur zu kaufen, man repariert auch eure getragenen Lieblingsjeans. Insgesamt gibt es rund 125 Second Hand-Läden in Göteborgs Innenstadt, selbst in der großen Shopping-Mall Nordstan als Pop Ups. Deutlich gemütlicher schlendert es sich durch den Stadtteil Haga mit seinen kleinen Holzhäuschen in der Haga Nygata. Wer mag, entdeckt einige angesagte Läden auf einer Second-Hand-Safari mit einer Stylistin als Guide. Design-Fans sollten außerdem das Röhsska museet [Vasagatan 37-39] nicht verpassen!
Kaffeerösterei da Matteo
Wenn ihr in der Magasinsgatan seid, wäre es geradezu eine Sünde, nicht auf einen Kaffee bei da Matteo vorbeizuschauen. Die Rösterei und Bäckerei ist sehr beliebt bei Einheimischen – und es gibt sie nur in Göteborg. Unten ist es gemütlich schummrig und duftet nach frischem Hefegebäck, die Treppe hoch sitzt es sich schön hell. Bei Sonne könnt ihr den aromatisch gerösteten, aber nicht wie sonst oft verbrannten Kaffee mit einer frischen Kardamomschnecke (12 von 10 Punkten 🙂 ) auch draußen gegenüber den beiden Fassadenmalereien aus der Reihe „21 Kilometers of Art“ genießen. Mehrere dieser Murals schmücken seit dem 400. Stadtjubiläum im Jahr 2023 (eigentlich schon 2021, es wurde wegen Corona zwei Jahre verschoben) Göteborgs Fassaden.
Mit der Straßenbahn durch Göteborg
Auto fahren in Göteborg? Ganz dumme Idee! Man kommt mit der himmelblauen Straßenbahn, die mit Wagen aus ganz verschiedenen Generationen durch die Stadt kurvt, sehr gut fast überall hin. Die Innenstadt ist sowieso nahezu autofrei und das Parken richtig teuer. Also lieber gleich ein Tagesticket für den ÖPNV Västtrafik kaufen oder eines der öffentlichen Leihfahrräder nehmen – die Infrastruktur für Radfahrer ist nämlich auch gut. Übrigens: Das Öffi-Ticket gilt 90 Minuten und sogar bis auf die vorgelagerten Inseln. Nach nur 30 Minuten Straßenbahn- und nochmal so langer Fährfahrt seid ihr zum Beispiel schon auf der autofreien Insel Bränno. Und das für den Preis einer Einzelfahrkarte Zone A, 35 SEK (gerade mal drei Euro)!
Västergården Keramik
Hinter einer Laderampe am Fiskhamnen, dem Fischhafen im Stadtteil Majorna nahe der Stena-Fähre nach Kiel liegt das familiengeführte Keramikgeschäft Västergården. Seit dem Jahr 1993 töpfert Mia Martinius ihre schlichten, ein wenig rustikalen Teller, Schalen und Schüsseln in Grau-, Blau- und Rosatönen. Sie sind in vielen Gourmetrestaurants Göteborgs zu finden, etwa im Vrå, Human, Bulot oder SK Mat & Människor. Seit gut zehn Jahren mischen Mias drei Kinder Axel, Britta und Max mit im Geschäft [Fiskhamnsgatan 43d].
Pescetarisches Sterne-Restaurant Koka
Auch das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant Koka [Viktoriagatan 12] serviert seine Gerichte in Mias Keramik. In Björn Perssons kleinem Restaurant im Stadtteil Landala nahe der Uni haben die Tische eine Leder-Oberfläche mit Patina, die Wände sind aus Holz. Ein bisschen fühlt es sich an wie im Wohnzimmer von Freunden. Als pescetarisches Restaurant kommt hier nur Blue Food aus der Region und vegetarisches oder veganes Essen auf den Tisch, als Drei-, Fünf- oder Sieben-Gänge-Menü. Blue Food, das sind Nahrungsmittel aus dem Meer und aus Seen, also Fisch, Hummer, Muscheln und Algen. Richtig produziert ist es umweltfreundlicher als Fleisch. Der Wein zum Menü stammt aus Europa, das Bier ist lokal gebraut, etwa in Poppels Bryggeri (siehe unten).
Ihr habt nur Zeit oder Budget für eine schnelle Mahlzeit? Dann bietet sich das in Schweden mittags günstige Dagens Rätt an, nachhaltig hergestellt zum Beispiel in Noot Nordik Kitchen in der Östra Larmgatan gegenüber des Bahnhofs oder in der winzig kleinen Bar Bulot in der Markthalle.
Uttrycksform Design & Vintage
Eigentlich ist Marie Kollberg ja Lehrerin. Doch seit November 2023 hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und betreibt einen eigenen Antik-Laden namens Uttrycksform Design&Vintage [Hedeforsvägen 9, Floda]. Die Design-Influencerin mit rund 125.000 Followern auf Instagram liebt Second Hand und Wiederverwertung mit Stil. Die Möbel und andere Designer- und Retrostücke findet sie bei Haushaltsauflösungen.
Ihre Kunden seien vor allem Leute, die ihr Haus neu einrichten und mit Einzelstücken aufpeppen wollen oder ältere, etwas nostalgische Menschen, sagt sie. „Ich mag an Vintage, dass man die Sachen nutzt, wenn man sie braucht, und später weitergibt, wenn sich das Leben ändert. Dann kann sie ein anderer benutzen.“ Ihr Laden ist Teil des Projekts „Retrovägen“ in der Region Göteborg mit vielen Antik- und Designläden, Mode, Trends und Technik aus dem 20. Jahrhundert. Auch alte Tankstellen, Restaurants und Museen haben sich angeschlossen.
Mit dem Zug zum Wandern: Gotaleden
Der Gotaleden ist ein Fernwanderweg durch die Natur Westschwedens, der wahlweise am Göteborger Bahnhof beginnt (oder endet): Am Start- und Endpunkt und zwischendrin hält der Zug. Also Wanderschuhe an uns los! Weite Teile folgt der Gotaleden dem Fluss Säveån, eine der schönsten und wildesten Etappe führt von Stenkullen nach Floda. Der Fluss rauscht, alte Eichen und von Bibern abgenagte Bäume säumen die Ufer, dazwischen verläuft der gut markierte und leicht gehbare Wanderweg. Im Naturschutzgebiet Säveån dalgang breitet sich Straußenfarn mit aufgefächerten Blättern aus, ganze Matten von Schachtelhalmen und Schwarz-Erlen stehen an den feuchten Ufern. Nickendes Perlgras wiegt seine auf einer Schnur aufgereihten Ährchen im Wind. Mit etwas Glück schießt ein Eisvogel wie ein blauer Pfeil über das Wasser.
Jonsered Trädgårder
Noch mehr Natur, diesmal gezähmt: Wo unterhalb des weißen Herrenhaus von William Gibson schon früher ein prächtiger Garten lag, später aber verschwand, hat Peter Svenson im Jahr 2010 angefangen, einen ganz neuen anzulegen. 2015 begrüßte der Chefgärtner in Jonsered Trädgårder [William Gibsons väg 17, Jonsered] die ersten Besucherinnen und Besucher. Und schon im gleichen Jahr erhielt der die Auszeichnung Garten des Jahres als inspirierendster wiederhergestellter Park in Schweden. Im Jahr 2020 folgte die Nachhaltigkeits-Auszeichnung Green Flag. Beurteilt werden unter anderem Biodiversität, der Einsatz von fossil-freien Maschinen und der Verzicht auf Kunstdünger.
Soziale Verantwortung und die Grundsätze ökologischen Gartenbaus stehen in den Gärten von Jonsered erster Stelle. Auf einem Biodiversitätspfad erleben die Besucher Teiche und Laub- und Reisighaufen für Igel, Schlangen, Vögel, Kröten und Insekten. Um ein Rondell liegen außerdem ein klassischer Barockgarten, ein Küchengarten, ein Englischer Rosengarten – und das nur eine Viertelstunde Zugfahrt von Göteborgs Hauptbahnhof entfernt! Ein Shop ist geplant, das Jonsereds Trädgårdskafé mit öko-zertifizierten Produkte gibt es jetzt schon.
Brödfabriken i Jonsered
Unterhalb des Gartens liegt das alte Fabrikgelände von Jonsered. Als es zu Beginn der Corona-Pandemie kaum mehr Aufträge für ihn gab, hat Schaupieler Eric Ericson kurzerhand begonnen, Hefeschnecken und Sauerteigbrot zu backen. Das kam so gut an, dass er seine Brödfabriken i Jonsered [Fabriksstråket 27, Jonsered] mit Café inzwischen hauptberuflich betreibt und die Schlange der Wartenden an manchen Tagen bis weit nach draußen reicht. Seine Zimt- und Kardamomschnecken wurden schon mehrfach von den Einheimischen zu den besten Westschwedens gekürt. Sie sind aber auch lecker…
Poppels Bryggeri
Das war aber noch nicht alles. Im alten Fabrikgebäude von Jonsered produziert außerdem die Poppels Bryggeri [Fabriksstråket 9, Jonsered] ihr handwerklich hergestelltes Bier. Eine Führung ist für Bierfans ein Muss! Im angeschlossenen Restaurant Poppels Öl&Mat empfehlen die Kellner das passende Bier zu den Gerichten – etwa IPA mit Orangenaroma, Lager, Sparkling Sour oder extrem starkes, süßes Dessertbier. Es gibt eine umfangreiche Bier-Karte, aus der ihr wählen könnt. Wer sich einmal durchprobieren möchte, dem sei das „Brauermenü“ mit dazugehörigem Bierpaket ans Herz gelegt. In Göteborg führt übrigens u.a. das Feinschmeckerrestaurant Koka (siehe oben) Bier von Poppels auf der Karte.
Nääs Fabriker
Jonsered ist nicht das einzige alte Industriegelände in der Region. Direkt an der Schnellstraße E20 von Göteborg in Richtung Stockholm liegt Tollered. Wer mit dem Zug kommt, fährt vom Bahnhof noch eine Viertelstunde mit dem Bus hinaus zu Nääs Fabriker [Spinnerivägen 1, Tollered]. In dem alten Industriegebiet direkt am See Sävelången wurde seit 1833 Baumwolle gesponnen – angetrieben von Wasserkraft. Aus einem oberhalb gelegenen See leitete man Wasser durch eine Röhre zu der Spinnerei, die Röhre ist bis heute erhalten.
Heute beherbergt das backsteinerne Fabrikgebäude ein Hotel mit rund 80 großzügigen Zimmern in modernem Industrial Style. Nebenan laden relativ hochpreisige Design-, Mode- und Gartenzubehör-Läden zum Stöbern ein. Zum Komplex gehören auch eine eigene Craft-Brauerei und die Bäckerei „Bröd & Malt“ – die Hand in Hand arbeiten, ganz im Geiste der Kreislaufwirtschaft. Übriggebliebenes Brot wird hier zum Bierbrauen verwendet, überschüssiges Malz aus der Brauerei zum Brotbacken. Der Rest wird in einer eigenen Schnellkompostanlage zu fruchtbarer Erde. Tipp: Unbedingt das Spa Badhuset direkt am See buchen und nach der Sauna im erfrischenden Wasser schwimmen!
*************** GUT ZU WISSEN ****************
Infos zu Göteborg: www.goteborg.com
Infos zur Region Göteborg und zu ganz Westschweden: www.vastsverige.com
Hinkommen: Von allen möglichen Anreisearten (Zug, Auto, Flug, Fahrrad) finde ich ja den Weg übers Meer am schönsten. Auch wenn die Fähren der Stena Line nicht mehr die neuesten sind – abends aufs Schiff, morgens um 9 ausgeschlafen ankommen und der Tag kann starten – besser geht’s nicht. Immer ein Highlight: Morgens unter Göteborgs Älvsborgsbron hindurchzufahren.
Übernachten: Ihr wollt in Göteborg charmant individuell wohnen? Könnt ihr im Hotel Eggers direkt gegenüber des Hauptbahnhofs [Drottningtorget 2]. Jedes der historisch eingerichteten Zimmer ist anders eingerichtet.
Im Nääs Fabriker Hotel [Spinnerivägen 1, Tollered] solltet ihr nach Paketen Ausschau halten, um günstiger zu übernachten. Wie wäre das Wanderpaket: Eine Nacht im Doppelzimmer, 2-Gänge-Menü, Nutzung des Spa-Bereichs und des Gyms, ein wirklich gutes Frühstücksbuffet mit Brot aus der eigenen Bäckerei kostet je nach Saison und Wochentag ab 1370 SEK (115 Euro) pro Person.
In Jonsereds Fabriker bietet Gibsons Hotell [William Gibsons väg 1, Jonsered] neue und dabei recht preisgünstige Zimmer an. Das Hotel kommt ohne Rezeption aus, man bekommt einen Code zugemailt, um die Türen zu öffnen.
Zur Recherche nach Göteborg und Umgebung haben mich die Stadt Göteborg und die Region Westschweden eingeladen.
Mehr Schweden? Haben wir. Jede Menge sogar. Zum Beispiel Bohusläns Küste, eine Floßfahrt auf dem Klarälven, Nächte im Glashaus und die Insel Brännö direkt vor Göteborg.