nah dran, Städtetrip
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Leeuwarden: Auf Entdeckungstour in der Europäischen Kulturhauptstadt 2018


Das niederländische Leeuwarden ist in diesem Jahr zusammen mit Valletta in Malta Europäische Kulturhauptstadt. Ich war schonmal gucken.

Leeuwarden – wo liegt das denn? Ganz nah – gleich nebenan von uns Niedersachsen, in den Niederlanden. Leeuwarden ist die Hauptstadt der niederländischen Provinz Friesland. Und in diesem Jahr ist Leeuwarden auch Europäische Kulturhauptstadt. Die Stadt präsentiert ihre Kulturprojekte zusammen mit Friesland, das sich östlich des IJsselmeers und entlang der Nordsee erstreckt.

Der Schiefe Turm von Leeuwarden

Er ist schon von weitem zu sehen, massiv steht er da und ist tatsächlich deutlich, um nicht zu sagen, bedenklich zur Seite geneigt: Der „Schiefe Turm von Leeuwarden“ ist das Wahrzeichen der Stadt. „De Oldehove“ sollte im 16. Jahrhundert als Turm einer neuen Kirche hundert Meter und damit höher als der Kirchturm des benachbarten Groningen erbaut werden – beide Städte konkurrieren nämlich schon ewig darum, welche toller ist. Doch Baumeister Jacob van Aken hatte wenig Glück mit dem Vorhaben. Der Turm sackte bereits während des Baus ein, weil er zur Hälfte auf einer der drei sandigen Warften von Leeuwarden stand, auf der anderen Seite hingegen auf Lehm. So neigt er sich, im Jahr 1533 mit nur 40 Metern Höhe beendet, heute fast zwei Meter zur Seite. Die Einheimischen lieben ihn dennoch heiß und innig. In den Sommermonaten kann der Turm bestiegen werden, innen gibt es eine Ausstellung, von oben einen tollen Blick über die Stadt.

Kunst vor Kunst im Park

Lebendiges Studentenstädtchen

Wenige Meter weiter befindet sich das „Historisch Centrum“, in dem es Informationen zur Geschichte der Stadt gibt und an dem samstags Stadtführungen starten. Eine aktuelle Ausstellung zeigt die schönsten historischen Stadtansichten auf alten Gemälden. Wer mag, kann die Orte später „in echt“ in der Innenstadt innerhalb des Wallgrabens ablaufen.

Immer wieder hübsche Straßenzüge in Leeuwarden

Ablaufen ist übrigens wirklich kein Problem, denn Leeuwarden ist nicht groß. Kurz die Eckdaten zur Stadt: Leeuwarden wurde 1435 offiziell gegründet, ist aber keineswegs alt: Heute tummeln sich unter den gut 100.000 Einwohnern viele Studierende und beleben die Grachten. Diese Stadtgräben dienten früher als städtische Versorgungsadern per Boot. Heute hat sich an ihren Seiten eine bunte Mischung an Kneipen und Cafés angesiedelt. Vor allem in den Sommermonaten spielt sich das Leben dort im Freien ab.

Friesisch und viele andere Sprachen

Ganz in der Nähe des schiefen Turms liegt das Zentrum des Projekts „Land der Sprachen“, „Lân fan taal“. Rund um den Oldehoofsterkerkhof resisiert im Kulturhauptstadtjahr der imaginäre freie Staat für alle Sprachen der Welt – mit Friesisch als wichtigster. Friesisch oder Frysk ist nämlich eine eigene Sprache und kein Dialekt. Heute wird Friesisch noch an einigen Stellen in den Niederlanden (vor allem in Friesland), in Deutschland und durch die Auswanderung bedingt an einigen Orten in den USA gesprochen.

Installationen, Hörstationen, Petry Slams und weitere Projekte ermöglichen hier spielerisch Zugang zum Friesischen und zu vielen anderen Sprachen. Fremdes zu hören und mit verschiedenen Nationen zusammenzuleben ist man hier seit jeher gewohnt: In Leeuwarden leben schon seit Jahrhunderten Menschen anderer Nationalitäten. Die Kirche Waalse Kerk diente zum Beispiel der französischen Gemeinde als Gotteshaus, am Hof von Maria Louise von Hessen-Kassel sprach man Deutsch.

Käse, Museen und Grachten

Ich lasse den Oldehove hinter mir und schlendere durch die Kleine Kerkstraat mit ihren gemütlichen Geschäften. Die Einkaufsstraße soll  eine der schönsten in ganz Holland sein. Verlockende Leckereien hat das House of Taste im Angebot, davor flattert die Kulturhauptstadt-Fahne in Blau, Rot und Weiß. Wer die Augen offen hält, wird sie in verschiedenen Variationen an zahlreichen Stellen in der Stadt wiederentdecken. Im Zuivelhoeve-Laden schräg gegenüber kann ich mich schwer entscheiden, welche der Käse-Spezialitäten ich kaufe. Schließlich entscheide ich mich für ein dickes Stück extra rahmigen Gouda. Eine Flasche Boomsma Beerenburger, ein bekannter Kräuterbitter von hier, steht auch noch auf der Wunschliste.

Nach einem Eis, bei dem mir die Verkäuferin noch „Lekker ite“, Guten Appetit, hinterherruft, geht’s weiter zum Natuurmuseum Fryslân, das zu den kinderfreundlichsten und spannendsten des ganzen Landes zählt. Hier können Kinder in einem komplett abgedunkelten Raum Tierfelle erfühlen und einem Präparator über die Schulter schauen. Eher etwas für Erwachsene ist das Keramiekmuseum Princessehof. Hier lässt sich historisches Keramik aus Friesland, Europa und Asien besichtigen.

Mata Hari und M.C. Escher

Mata Hari begegnet einem wirklich überall in Leeuwarden

Apropos besichtigen: Spektakulär schon von außen ist das Fries Museum, das Museum von Friesland. Und der Weg dorthin vom Platz Langepijp mit der historischen Alten Waage ist nicht minder spannend: Ein künstliches Walskelett überspannt als Kunstwerk die schmale Gasse. Der Neubau des an sich alten Museums zeigt neben einigen Dauerausstellungen, etwa zur Kultur Frieslands, im Kulturhauptstadtjahr zwei große Sonderausstellungen: Anfang April endet die erste zu  Mata Hari, der weltberühmten Tänzerin und Doppelspionin während des Ersten Weltkriegs. Sie erblickte 1876 nämlich als Margaretha Zelle in Leeuwarden das Licht der Welt. Ihr Geburtshaus und ein späteres Wohnhaus sind in der Innenstadt erhalten, ein Standbild erinnert dort an sie.

Ab Ende April widmet sich dann eine große Schau den Werken M.C. Eschers. Der Künstler (der übrigens Maurits Cornelis mt Vornamen heißt) mit den verblüffenden optischen Täuschungen auf seinen Bildern stammt ebenfalls von hier.

Das Pannekoekschip

Nur einen Straßenzug weiter liegt der Museumshaven Leeuwarden mit seinen historischen Schiffen. Schön zum Flanieren und gucken. Oder zum Pfannkuchen essen auf dem Pannekoekschip.

… und dann noch einen Koffje trinken

Ich laufe weiter zum Bahnhof. Gegenüber begrüßt ein modernes Gebäude die Besucher im Kulturhauptstadtjahr. Davor stehen zwei riesige weiße Köpfe. Okay, mehr scheint hier jetzt noch nicht zu sehen zu sein Also geht’s zurück in die belebten Einkaufsstraßen auf einen Koffje in der Brasserie Spiegelaar – direkt an der Gracht gelegen, mit bestem Blick auf die Alte Waage „De Waag“ am anderen Ufer. Vor der, das Klischee lässt grüßen, auch noch Käse verkauft wird. Für mich gibt es nur einen Becher Kaffee, dann heißt es „Tot ziens, Leeuwarden“, Auf Wiedersehen. Vielleicht im Sommer, wenn endlich alles grün ist und sich das Leben an deinen netten Grachten abspielt…

Info Leeuwarden

Ich habe immer gern eine Übersichtskarte und einen gedruckten Reiseführer auf meinen Städtetouren dabei. Gute Dienste hat mir in Leeuwarden dieser geleistetet: City Trip Groningen Leeuwarden, Reise Know How Verlag, 1. Aufl. 2018, 11,95 €

Programm und Info Kulturhauptstadt: www.2018.nl/de

Info: Infos zu Leeuwarden gibt’s im Historisch Centrum gegenüber dem Turm Oldehove und in der Tourist Info auf dem Platz vor dem Turm De Oldehove

Einkaufen: Leckeren Käse gibt’s bei Zuivelhoeve, Kleine Kerkstraat 23, www.zuivelhoeve-leeuwarden.nl

Kaffee trinken mit Ausblick: Brasserie Spiegelaar, Nieuwestad 141, https://brasseriespiegelaar.nl/

Die Reise wurde unterstützt vom Ferienhaus-Anbieter Novasol, der mir für fünf Tage kostenlos ein Ferienhaus in Friesland zur Verfügung gestellt hat.

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Seit ich denken kann, zieht es mich in die Natur. Und in den Norden. Das spezielle Licht im Sommer, der Duft der Wälder und die Weite des Fjälls... Als Journalistin und Buchautorin bin ich außerdem gern in Europa und in Niedersachsen unterwegs.

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