Das Wendland in Niedersachsens östlichstem Zipfel an der Elbe ist eine wunderschöne und sehr eigenwillige Region. Natur-Idylle trifft hier auf Atomkraft(gegner) und viel Kreativität.
Das Wendland ist Niedersachsens lange vergessene Region, bis zum Ende der DDR ragte sie diesseits der Elbe wie ein Zipfel in deren Gebiet und wurde nicht zuletzt deswegen als Atommüll-Lagerstätte auserkoren. Bis heute ist die sehr grüne, oft hügelige Landschaft nur dünn besiedelt. Hier haben sich – weil mangels Geld oder Interesse nicht modernisiert wurde – noch die alten Rundlingsdörfer erhalten. Und seit den 1970er Jahren ließen sich im Rahmen des Widerstands gegen das Atommüllendlager Gorleben zahllose Kreative im Wendland nieder. Das hat die einst konservative Region geprägt und verändert. Heute findet man viele Bio-Betriebe im Wendland, unzählige Ateliers und Künstler – und ein ganz besonders Zusammengehörigkeitsgefühl. Das wendländische Du ist Teil davon.
Zum Entdecken der Region braucht es Zeit. Und das ist gut so. Denn die schöne Landschaft und ihre grüne Weite lassen einen angenehm zur Ruhe kommen. Das Wendland erdet. Am besten leiht ihr euch ein Fahrrad und bleibt ein paar Tage. Ach, was sage ich, lieber gleich eine Woche. Hier kommen ein paar Tipps, was ihr in der unternehmen könntet. Irgendwo in der Hängematte liegen und in den Himmel gucken, ist aber auch eine gute Option.
Mit dem Sofafloß auf der Elbe schippern
Gemütlich, lehrreich, lecker: In Hitzacker kann man von einem ganz besonderen Floß aus die Elbe und die Landschaft drumherum entdecken. Am Ufer sind Biberburgen zu sehen, mit etwas Glück kreist am Himmel ein Seeadler. Der Skipper erklärt derweil Natur, Land und Leute. Maximal elf Gäste dürfen auf dem Sofafloß mitfahren, Preis: 150 Euro für zwei Stunden. Sehr beliebt sind die Sonnenaufgangsfahrten „Frühmorgens auf der Elbe“ und vier weitere Themen-Exkursionen. Man kann seine Verpflegung selbst mitbringen oder bucht das Frühstück für 19,50 Euro pro Person oder die Räucherfischplatte für 24,50 Euro pro Person dazu.
Auch schön: Die Elbe und ihre Bewohner auf einer geführten Kanutour mit Naturschützer Stefan Reinsch kennenlernen.
Die Rundlingsdörfer im Wendland auf einer Radtour entdecken
Seit dem Mittelalter gab es sie in einem Streifen von Prag bis Kiel: die Rundlingsdörfer. Warum man diese Anordnung der Häuser im Kreis wählte, ist nicht ganz klar. Die letzten ihrer Art mit ihren im Kreis oder Halbkreis angeordneten prächtigen Zwei-, Drei und Vierständerhäusern finden sich jedenfalls hier im Wendland. Auch typisch sind der Spruchbalken und das große Eingangstor. Auf einer Radtour lassen sich die Rundlinge besonders gut entdecken. Viele von ihnen finden sich zwischen dem Hohen Drawehn und Lüchow. In Lübeln informiert das Wendlandsmuseum auf einem alten Hof über diese besondere Siedlungsform; zusammen mit Satemin gehört das Dorf wohl zu den bekanntesten Rundlingen im Wendland.
Den Höhbeck umrunden
Eine Oase der Artenvielfalt ist der Höhenzug Höhbeck an der Elbe. Hier kommen Insekten und Pflanzen vor, die vom Aussterben bedroht oder andernorts bereits ausgestorben sind. Der rund 60 Meter hohe Berg im Wendland beherbergt ganz unterschiedliche Biotope: Am Nordhang hat sich ein Eichen-Hainbuchenwald angesiedelt, der unter anderem zahlreichen Fledermausarten Lebensraum ist. Im Süden dominieren alte Streuobstwiesen und magere Trockenrasen die Landschaft. Zu diesem besonderen Natur-Kleinod folgt demnächst noch ein eigener Beitrag.
Glühwürmchen gucken bei den Wandervögeln
Vor gut hundert Jahren gründeten die Wandervögel auf dem Höhbeck eine Kolonie. Die jungen Menschen wollten sich von gesellschaftlichen Zwängen befreien, wollten aussteigen in ein Leben in und mit der Natur. Heute kann man im Kaffeegarten Schwedenschanze ein Päuschen vom Entdecken einlegen, mit auch vegetarischen und veganen Essen und Erfrischungen. Besonders beliebt bei Romantikern sind die Glühwürmchen-Abende Ende Juni: Dann schwirren bei warmem Wetter unzählige der leuchtenen Käferchen durch die Luft.
In der Göhrde auf Wolfswanderung gehen
Mit Wolfsberater Kenny Kenner könnt ihr auf eine rund dreistündige Wolfswanderung in die Göhrde gehen und jede Menge über die Tiere lernen. Kenny erklärt, welche wichtige Rolle sie im Wald spielen, wie sie ihre Jungen großziehen und welche Spuren die scheuen Tiere verraten. Im Wendland gibt es derzeit drei Wolfsrudel (oder eigentlich vielmehr -familien). Wolfswanderungen mit Kenny Kenner finden immer am 2. und 4. Samstag im Monat statt. Mehr zu meiner Tour mit dem Wolfsberater könnt ihr hier lesen.
Sterne gucken
Mehr Lust auf Funkeln am Himmel? Dann nehmt euch Zeit und schaut in sternklaren Nächten nach oben. Das Wendland und vor allem die Göhrde gehören nämlich zu den dunkelsten Orten Deutschlands. An vielen Stellen gibt es nur minimalen Lichtsmog durch Städte oder Straßenbeleuchtung. Der bekannte Astro-Fotograf Helmut Schnieder macht hier das ganze Jahr über seine faszinierenden Aufnahmen und engagiert sich für einen Sternenpark in der Region. Wenn ihr im Wendland seid und er gerade irgendwo einen Vortrag über seine Fotos hält (und mit welchen Tricks sie ihm gelingen), geht hin…
Kurztrip in die Heide machen
Ist das denn hier schon die Lüneburger Heide?, mag sich mancher in der Nemitzer Heide verwundert fragen. Nein, ist es nicht. Wir sind immer noch im Wendland. Aber seit 1975 hier ein Waldbrand die Bäume verbrannte (Fahrlässigkeit oder Brandstiftung im Zusammenhang mit dem nahen Endlager Gorleben?), hat sich eine Heidelandschaft entwickelt, die der in der Lüneburger Heide in nichts nachsteht. Die mehrere hundert Hektar große Fläche durchziehgen inzwischen Wanderwege und das Nemitzer Heidehaus informiert mit einer Ausstellung über das Biotop und seine Geschichte. Stärken kann man sich hier außerdem, und ein paar lokale Produkte wie Honig oder Senf kaufen.
Die Beluga besuchen
Skurril mutet es auch nach mehr als fünf Jahren immer noch an, wie die Beluga, das bekannte Greenpeace-Schiff mit schwimmendem Labor, mitten im Gorlebener Forst steht. Seit 2013 hat die mit einem Regenbogen geschmückte Beluga hier ihren Platz gefunden, außen informieren Tafeln über den verantwortungslosen Umgang mit Atomenergie und –müll seit den 1970er Jahren bis heute. Nur wenige hundert Meter neben dem Mahnmal steht die große, mit Stacheldrahtzaun und Wachposten gesicherte Halle des Atommüllzwischenlagers. Das darunter liegende Salzbergwerk war politisch als Endlager gewollt und wurde kostenintensiv über Jahre immer weiter ausgebaut – angeblich nur zur wissenschaftlichen Erkundung.
Auf Kulturelle Landpartie gehen
Ein riesiges Kulturfestival, selbst organisiert: Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten präsentiert sich das Wendland in all seiner Kreativität bei der Kulturellen Landpartie. Mit Ausstellungen, Musik und Mitmachaktionen. Künstlerinnen und Künstler wie die Bildhauerin Doris Gessner öffnen ihre Ateliers, Bühnen spielen Stücke für Große und Kleine. Leckeres Essen (aus der Region) gibt’s natürlich auch.
Störche zählen im Wendland
Wer im Wendland unterwegs ist, kann sie kaum übersehen: Störche oder ihre Nester. Vor allem in der Elbtalaue brüten sie gern, hier hat fast jedes Dorf sein eigenes Storchenpaar (das über Jahre immer wieder zurückkehrt und über dessen Zahl der Jungen meist öffentlich stolz auf einer Tafel Buch geführt wird). Rund 40 Kilometer lang lassen die Vögel sich auf der Deutschen Storchenstraße entdecken – am besten mit dem Fahrrad.
Im Märchenwald wandeln
Mystisch wirkt er, wie nicht ganz von dieser Welt. Der Breeser Grund am Höhenzug Drawehn in der Göhrde war einst eine offene Waldweide. In diesen Hutewald trieben die Bauern ihr Vieh (vor allem Schweine), das dort Eicheln und Bucheckern fraß. So wurden die aufkommenden Bäumchen mitgefressen, die Landschaft blieb offen. Nur einzelne große Eichen und ein paar Birken stehen bis heute als Solitärbäume im Breeser Grund. Auf dem Boden macht sich Heide breit. So sah es früher an vielen Stellen in der Göhrde aus. Mit dem neuzeitlichen Ackerbau verschwand diese Art der gemeinschaftlichen Waldweidenutzung. Der Breeser Grund ist seit 1985 Naturschutzgebiet. Und am schönsten ist der alte Traubeneichen-Hutewald vielleicht bei Nebel, wenn die Eichen und Birken verwunschen mit der Umgebung verschmelzen. Ein echter Märchenwald eben.
Ihr könnt diese 11 Tipps und viele weitere nützliche Routen von uns und anderen Reiseblogger*innen praktisch vor Ort in der Fible-App nutzen.
Infos zu Wendland und Elbe: Marketingbüro Wendland.Elbe
… noch mehr richtig gute Tipps für erholsame Aktivitäten im Wendland hat Claudia in einem Beitrag im Blog Weltreize gesammelt.
Nochmal hundert Ideen mehr als in diesem Blog-Beitrag, was man im Wendland machen kann, findet ihr im Buch 111 Orte im Wendland, die man gesehen haben muss von Christine Izeki und Gerald Roemer, erschienen im emons Verlag (ISBN 978-3-7408-0352-0, 17,50 €). Das Buch wurde mir vom Verlag als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Das hatte aber keinen Einfluss auf meine Meinung: Das Buch lohnt sich, vor, während und nach einer Reise ins Wendland!
Meine Reise ins Wendland wurde vom Marketingbüro Wendland.Elbe unterstützt, vermittelt von der Tourismus Marketing Niedersachsen GmbH.
Schon seit vielen Jahren zieht es mich ins Wendland, wegen der von dir so schön beschriebenen Natur. Mein Ziel ist der kleine Ort Grippel, der auf einigen Landkarten nicht mal eingezeichnet ist. Hier habe ich schon vor vielen Jahren an einem Altarm der Elbe ( Grippeler Haken ) die ersten Biber fotografiert. Heute zieht es mich immer noch in diese Region, denn das Wendland hat wohl die größten Bestände von Schwarzmilanen vorzuweisen . Eine sehr schöner Beitrag der mich daran erinnert hat, dass ich unbedingt mal wieder die Freunde in Laase besuchen sollte.
LG Werner.
Hallo Werner, stimmt, einfach eine traumhafte Natur da…
Liebe Grüße
Anke
Glühwürmchen-Abende! Und die sind ja wohl gerade jetzt. Leider kann ich das zeitlich gerade nicht einrichten. Aber das ist unbedingt vorgemerkt. Vielen Dank, liebe Grüße, Stefanie
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