Wie kommt ein schwedischer Geologe dazu, in der norwegischen Finnmark Touren mit Huskys anzubieten und Designer-Holzhütten zu bauen?
Sven Engholm stellt sich bereitwillig vor eine seiner Holzhütten und grinst in die Kamera. Der Schwede im Norwegerpullover hat öfter Besuch von Journalisten und Filmemachern, die mehr über ihn und seine Idee erfahren wollen, mitten im Nirgendwo in der norwegischen Finnmark eine Lodge zu bauen und Touren mit Huskys anzubieten.
Wer wie Sven elfmal den Finnmarksløpet über 1000 Kilometer gewonnen hat und unter den Top Ten des Iditarod-Rennes in Alsaska über 1800 Kilometer war, muss wohl einfach für Huskys und Schlittenhundrennen brennen. Doch sein Leben in der Großstadt und an der Uni dafür aufgeben und komplett in die Wildnis ziehen?
Von der Großstadt in die Finnmark
„Als ich in meinen 20ern war, hatte ich eine so starke Sehnsucht nach einem anderen Leben außerhalb der Städte, nach unberührter Natur und einem Sinn in dem, was ich tue, dass ich nach einem Ort zu suchen begann, wo ich Schlittenhundtouren anbieten konnte“, erzählt Sven, der Geologie studiert hat und damals daran arbeitete, Gletscher zu vermessen. Das eisige Element lag ihm also ganz offensichtlich. 1974 hatte er erstmals Kontakt mit Huskys, als er Hilfe dabei brauchte, sein Wander-Equipment über einen Berg zu transportieren. 1977 begann er selbst als Musher Hunde zu führen. Outdoorerfahren, wie er also war, schaute sich verschiedene Orte in Skandinavien und Alaska an und entdeckte schließlich Karasjok auf der Karte. Das weite Plateau, die Wildnis, das ganz besondere Licht hier oben und die Dunkelheit im Winter schienen ihm ideal für sein Vorhaben.
So landete der Stockholmer Sven 1978 in der Finnmark und begann kurz darauf mit dem Realisierung seiner Idee von „Engholm Husky Lodge, tours and expeditions“. „Damals gab es noch keine Form von Wintertourismus hier“, erzählt er weiter. Die samischen Rentierhirten nutzen und nutzen bis heute die weite Hochebene in Sápmi als Winterweide für ihre Rentiere, hatten (und haben) aber selbst keine Schlittenhunde. Sie bevorzugen motorisierte Fahrzeuge im Gelände, im Sommer Quads, im Winter Schneescooter.
Seit 1985 gibt es die Engholm Husky Design Lodge in ihrer heutigen Form, rund sechs Kilometer außerhalb von Karasjok – wobei sie seitdem stetig gewachsen ist. Derzeit leben 62 Alaskan Huskys hier auf einem großen Freigelände.
… Husky-Trainingszeit!
Die Hunde dösen angeleint in und auf ihren Hundehütten, ab und zu gähnt einer herzhaft. „Alaskan Huskys sehen vielleicht nicht so elegant aus wie die Sibirischen Huskys mit ihren eisblauen Augen. Doch sie sind bei weitem nicht so wild und ungestüm, dafür zäh, gut zu führen und vor allem sehr, sehr lauffreudig“, erklärt Sven. Wir dürfen zu den Hunden ins Gehege, die überhaupt nicht menschenscheu und sehr freundlich sind. Willig lassen sie sich kraulen.
Plötzlich kommt Bewegung in die träge Meute. Sie haben etwas gehört, springen auf, bellen und reißen an ihren Ketten. Trainingszeit, erklärt Sven. Aus einem angrenzenden Schuppen kommen jetzt ein paar Mitglieder des Lodge-Teams, und die Begeisterung der Hunde kennt nun keine Grenzen mehr. Sie begrüßen ihre Trainer überschwänglich. Man merkt: Diese Hunde wollen nichts lieber als endlich laufen.
Husky-Touren das ganze Jahr über
Sven, seine Lebensgefährtin Christel Solbakken Finne und ihr Team (bei dem jede*r alles macht, vom Hundetraining und -füttern über das Kochen und Putzen der Hütten bis zum Bauen und Reparieren) bieten heute nicht nur Mehrtagestouren im Sommer in die Wildnis an, bei denen die Hunde einen Teil das Gepäcks tragen. Sondern auch Ausflüge zu einer Insel, auf der die Hunde frei laufen und schwimmen dürfen.
Im Herbst können Besucher außerdem am Training der Huskys teilnehmen. Unterwegs erklärt Geologe Sven die Umgebung und die Natur. Und dann kommt der lange Winter: die wichtigste Zeit für die Lodge mit den meisten Gästen. Das gesamte Winterhalbjahr von Mitte Dezember bis Anfang Mai bietet Sven unter anderem Übernachtungstouren mit dem Hundegespann an, immer von zwei Guides begleitet. Im Winter liegen in der Nähe Rentiergründe, dort arrangiert er Besuche bei den Samen. Auch sonst er gut mit den einheimischen Nachbarn vernetzt, so verkauft und nutzt die Lodge auch deren Rentierfleisch und andere -produkte.
Wohnen in selbstgebauten Hütten
Wer an den Aktivitäten teilnimmt, kann in einer der acht unterschiedlich großen Hütten mit insgesamt 15 Betten auf dem großen Naturgelände im Wald wohnen. Sven, der nie eine Zimmermann-Ausbildung gemacht hat, hat sie alle selbst von Hand gebaut. Jede Hütte ist anders, aber alle sind sie sehr rustikal, durchdacht und im speziellen Design der Lodge gebaut. Vor manchen lädt auf der Veranda ein hölzerner Hängestuhl zum Träumen ein, während – wie jetzt gerade – jetzt aus einiger Entfernung die Huskys zu einem vielstimmigen Gesang ansetzen.
Sven verwendet für die Hütten nur Naturmaterialien wie Stein, Holz, Leder, Wolle oder Horn. Jede einzelne hat Kamin, Küche und Badzimmer. Dort hängt dann auch mal der Fön an einem Rentiergeweih an der Wand, in der Küche sind die Tassen und Gläser an ein Sisal-Seil aufgeknüpft. In einer Hütte ist eine Lampe mit den Federn eines Königsadlers bespannt, den er tot aufgefunden hat. Andere Lampen aus mit Leder überspannten Rengeweihen sehen aus wie traditionelle Sami-Trommeln.
Christels kulinarische Köstlichkeiten
Und dann ist da noch Christels köstliche Küche. Eigentlich nur für einen kurzen Job hierher gekommen, verliebte sie sich in die Wildnis, die Schlittenhunde – und in Sven. Also blieb sie. Seit dem Jahr 2003 ist die studierte Umweltwissenschaftlerin ein fester Bestandteil des Engholm-Teams.
Wenn Christel, die nicht nur mit ihrem langen, rotblonden Zopf an eine selbstbewusste, freundliche Wikingerin erinnert, nicht auf Tour mit den Hunden ist, steht sie gern in der Küche und kocht. Die Zutaten wirft der eigene Öko-Gemüsegarten ab, oder sie kauft lokale Nahrungsmittel dazu. Dazu gehört natürlich auch das Rentierfleisch, das sie von den benachbarten Samen kaufen. Wir bekommen bei unserem Besuch etwas Vegetarisches: Schmackhafte Brennesselsuppe und Pie mit Gemüsefüllung, zum Nachtisch Schokoladenkuchen und Preiselbeeren. Vor der Hütte flitzt ein Eichhörnchen vorbei, drei Hühner laufen gemütlich durchs Blaubeerkraut. Hier kann man es durchaus eine Weile aushalten.
Mehr Infos zur Engholm Design Husky Lodge und den verschiedenen angeboten dort findet ihr hier. Infos zu den und Preise der Hütten stehen hier.
Wenn ihr in Karasjok seid, lohnt sich eine Führung durch das dortige samische Parlament, das Sámediggi, und das samische Zentrum für zeitgenössische Kunst, Sámi Dáiddaguovddás.
Mehr Eindrücke und Geschichten aus der Finnmark gibt´s hier im Blog: Herbst in der Finnmark und Bei den Sámi und ihren Rentieren
Danke an Visit Norway und Northern Norway, die mir den Besuch der Lodge im Rahmen einer Pressereise ermöglicht haben.